NSU-Prozess


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397. Verhandlungstag, 13.12.2017 Das Rätsel von Heilbronn

In den Plädoyers der Nebenkläger ging es heute um die Taten von Heilbronn. Der Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter und der Mordversuch an ihrem Kollegen Martin A. gelten bis heute als rätselhaft. Die Hintergründe seien immer noch nicht geklärt, sagte Rechtsanwalt Stefan Gärtner in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht.

Von: Alf Meier

Stand: 13.12.2017 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

13 Dezember

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Am 25. April 2007 wurde die 22-jährige Michèle Kiesewetter in Heilbronn vom NSU erschossen. Es war ein sonniger Tag, die Polizistin saß mit ihrem Kollegen während der Mittagspause im Einsatzwagen. Beide bemerkten nicht, dass sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dem Fahrzeug von hinten näherten. Ohne Vorwarnung schossen die Männer den Polizisten in den Kopf. Kiesewetter starb, Martin A. überlebte schwer verletzt. Als Motiv nimmt die Anklage Hass auf den Staat an.

Die Terroristen hätten es außerdem auf die Waffen der Polizisten abgesehen. Rechtsanwalt Stefan Gärtner, der die Mutter von Michèle Kiesewetter im Prozess vertritt, bezweifelt das. Warum sollten Mundlos und Böhnhardt für dieses Motiv von ihrem Versteck in Zwickau nach Heilbronn gefahren sein? Kritik übte er an der Heilbronner Staatsanwaltschaft, die ihm bis heute Einblick in Ermittlungsakten verweigere.

Geschossen, um eine andere Tat zu verdecken?

Woher sollten die Täter gewusst haben, dass am fraglichen Tag Polizisten auf der Heilbronner Theresienwiese um die Mittagszeit Pause machen würden? Das fragt sich Rechtsanwalt Walter Martinek. Er vertritt den Polizisten Martin A., der Nebenkläger im NSU-Prozess ist. Martinek kritisierte außerdem, dass Zeugen nicht gehört wurden, die mehr als zwei Männer vom Tatort weglaufen sahen.

Martinek glaubt nicht, dass die Polizisten Zufallsopfer waren. Er könnte sich vorstellen, dass Mundlos und Böhnhardt aus einem anderen Grund am Tatort waren und sich durch die Polizisten gestört fühlten. Sie hätten also getötet, um eine andere Tat zu  verdecken. Aber das sei Spekulation, so Martinek. Ganz sicher sei indessen, dass der NSU die Taten von Heilbronn begangen habe.

Nur durch ein Wunder überlebt

Der Polizist Martin A. hätte großes Glück gehabt, sagte Martinek in seinem Plädoyer. Es grenze an ein Wunder, dass er wieder als Polizist arbeiten könne. Allerdings nur noch im Innendienst. Die physische Kraft für Außeneinsätze sei nicht mehr da, sagte der Rechtsanwalt. Das Grundvertrauen seines Mandanten sei durch die schreckliche Tat erschüttert, aber er sei mit seiner Familie glücklich. An das Tatgeschehen habe A. keinerlei Erinnerungen mehr, daran werde sich auch nichts ändern. Martin A. erinnere nur eine kurze Sequenz nach der Tat: Er liegt auf dem Boden und alles um ihn herum ist feucht. Die Feuchtigkeit sei vermutlich Blut gewesen, sagte Martinek.


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