NSU-Prozess


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384. Verhandlungstag, 24.10.2017 Das Tauziehen im Saal A 101 geht weiter

Sämtliche Befangenheitsanträge gegen das Gericht wurden abgelehnt. Die Verteidigung sorgte aber weiter für zahlreiche Unterbrechungen. Wieder konnte die Nebenklage nicht mit ihren Plädoyers beginnen.

Von: Ina Krauss

Stand: 24.10.2017 | Archiv

Verhandlungssaal NSU-Prozess Oberlandesgericht München | Bild: BR/Ernst Eisenbichler

24 Oktober

Dienstag, 24. Oktober 2017

Nebenklägerin Gamze Kubasik  ärgert das sehr. "Ich nehme das persönlich", sagt die Tochter des 2006 in Dortmund ermordeten Kiosk-Betreibers Mehmet Kubasik am späten Nachmittag auf dem Vorplatz des Münchner Justizzentrums. Da hatte das Gericht die Verhandlung nach nur drei Stunden bis zum nächsten Morgen unterbrochen. Denn die Verteidigung von André E. wollte mehr Zeit zum Durchlesen der Begründung, mit der ihre drei letzten Befangenheitsanträge abgelehnt worden waren.

Neonazi André E. liest sehr langsam

Eigentlich gab es heute gar nicht so viel zu lesen. Verteidiger Kaiser hatte die Kopien während einer der zahlreichen Pausen durchgearbeitet, doch seinem Mandanten André E. reichte die Zeit offenbar nicht. Er müsse jeden Satz zwei und dreimal lesen, so sein Anwalt. Er habe Konzentrationsstörungen und brauche darum Zeit bis zum nächsten Morgen. Der Antrag überraschte. Wirkte André E. während der Pausen doch sehr entspannt, sass tatenlos auf der Anklagebank und feixte mit den Verteidigern. Dass er etwas durchlas war nicht zu beobachten.

Da droht auch der Bundesanwaltschaft der Geduldsfaden zu zerreißen. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten fragte, wie weit denn E. beim Durchlesen gekommen sei. Doch es half nichts – das Gericht beschloss, die Verhandlung zu unterbrechen.

Der bekennende Neonazi André E. gilt neben Ralf Wohlleben als einer der wichtigsten Unterstützer des NSU.

Nebenklage ist enttäuscht

Eigentlich wäre Opfer-Anwältin Edith Lunnebach heute mit ihrem Schlussvortrag an der Reihe gewesen. Sie eröffnet die Plädoyers der Nebenklage. "Es ist teilweise peinlich, was von der Verteidigung inzwischen inszeniert wird", sagt sie. Geduld gehöre zwar zu ihrem Beruf, doch ihre Mandanten würde es sehr belasten, dass der NSU-Prozess auf diese Weise immer wieder ins Stocken gerate.

Auch Gamze Kubasik raubt der Prozess viel Kraft. Sie hat den Eindruck, den Angeklagten gehe es auch darum, die Nebenkläger zu ärgern. Die junge Mutter ist aus Dortmund angereist, um Präsenz zu zeigen und daran zu erinnern, um was es in dem Verfahren eigentlich geht: Nämlich um die Ermordung ihres Vaters durch Rechtsterroristen und ihre Helfer, so wie auch um die vielen anderen Opfer des NSU. Jetzt hätte sie noch einmal Gelegenheit, ihre Sicht auf den Prozess zu schildern. Doch sie kommt nicht zu Wort.

"Ich hätte mir gewünscht dass das, was für die Woche was geplant ist, das auch durchgesetzt wird, man geht immer mit so einer Enttäuschung nach Hause," sagt sie und will morgen mit ihrer Mutter Elif Kubasik wiederkommen.

Vielleicht können dann die Nebenkläger endlich mit ihren Plädoyers beginnen.


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