NSU-Prozess


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Tageszusammenfassung, 309. Tag, 14.9.16 Eine Angeklagte, die nur wenige Fragen beantwortet

Beate Zschäpe will auf Fragen der Opferanwälte weiterhin nicht antworten. Eine entsprechende Erklärung ließ sie heute von ihrem Verteidiger verlesen. Und auch ein wichtiger Neonazi-Zeuge und V-Mann des Verfassungsschutzes schweigt weiter.

Von: Thies Marsen

Stand: 13.09.2016 | Archiv

NSU Prozess Zeugenstand | Bild: picture-alliance/dpa

Neun Monate ist es her, dass Beate Zschäpe ihr Schweigen gebrochen und im NSU-Prozess eine ausführliche schriftliche Erklärung abgegeben hat. Darin rang sie sich zwar eine Entschuldigung bei den Opfern des NSU ab – doch Rede und Antwort stehen wollte sie ihnen nicht. Heute weigerte sie sich erneut, auf die rund 300 Fragen der Opferanwälte zu antworten, die diese schon vor zwei Monaten an Zschäpe gerichtet hatten. Sollte der Strafsenat sich die Fragen zu eigen machen, so Zschäpes Verteidiger heute, werde sie sich aber äußern – was Zschäpes Verhalten noch schlimmer mache, so Nebenklagevertreterin Antonia von der Behrens. Dies sei „eine unglaubliche Herabwürdigung“ der Angehörigen der NSU-Opfer.

Spiel über Bande

Dem Sachverständigen Prof. Henning Saß will Zschäpe ebenfalls nicht direkt antworten, sondern quasi über Bande, wenn also der Senat die Fragen des Psychologen übernimmt. Von Saß‘ Einschätzung könnte es unter anderem abhängen, ob die Angeklagte in Sicherungsverwahrung genommen wird. Einzig zu einer Handvoll Fragen, die der Mitangeklagte Carsten S. gestellt hatte, gab Zschäpe heute eine Stellungnahme ab, wobei es sich um Detailangaben zur Jenaer Neonaziszene handelte.

Zuvor war bereits zum vierten Mal ein Zeuge aufgetreten, den Opferanwältin Antonia von der Behrens als einen der möglicherweise wichtigsten des ganzen Verfahrens bezeichnete: Marcel D., Neonazi und einstiger V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Einer der ganz nah dran war am NSU, der für die drei Untergetauchten gespendet und dem Geheimdienst sogar Hinweise auf einen möglichen Aufenthaltsort des untergetauchten NSU-Kerntrios gegeben haben soll. Allerdings: Seine Akten wurden geschreddert. Und bei seinen früheren Auftritten im Prozess log er so dreist, dass die Bundesanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage anregte, das die Münchner Staatsanwaltschaft auch prompt einleitete.

Problem-Zeuge sorgt für Aufregung

Und ausgerechnet dieses Verfahren, das derzeit ruht, nahm der Zeuge heute zum Anlass, die Aussage zu verweigern. Die linke Thüringer Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die den Prozess heute beobachtete, kommentierte das Vorgehen der Bundesanwaltschaft gegenüber dem BR als „schweren Fehler, wissentlich oder unwissentlich“. So sei dem Zeugen die Möglichkeit eröffnet worden, von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch zu machen, um sich in einem laufenden Verfahren nicht selbst zu belasten.

Heftige Auseinandersetzungen gab es am Nachmittag noch zu einem Beweisantrag des Nebenklagevertreters Alexander Hoffmann. Dieser beantragte, einen Brief Zschäpes zu verlesen, den diese aus dem Gefängnis an den verurteilten Neonazi-Gewalttäter Robin S. aus Dortmund geschrieben und den die Justiz beschlagnahmt hatte. Als Hoffmann Auszüge aus dem Brief verlesen wollte, intervenierte Zschäpes Altverteidiger Wolfgang Stahl, da er die Persönlichkeitsrechte seiner Mandantin verletzt sah. Es entwickelte sich eine langwierige juristische Diskussion, in deren Verlauf die Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen wurde.


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