NSU-Prozess


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305. Verhandlungstag, 2.8.2016 Im NSU-Prozess geht es jetzt ans Eingemachte

Die Verteidigung von Ralf Wohlleben wird immer nervöser und die neue Strategie von Beate Zschäpe scheint auch nicht aufzugehen. Vor allem für diese beiden Angeklagten könnte es im NSU-Prozess nach der Sommerpause sehr eng werden.

Von: Thies Marsen

Stand: 02.08.2016 | Archiv

Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben | Bild: picture-alliance/dpa

02 August

Dienstag, 02. August 2016

Immer wieder werden einem als Reporter vom NSU-Prozess folgende Fragen gestellt: Warum dauert das Ganze eigentlich so lange? Ist das nicht eine Verschwendung von Steuergeldern? Kommt da am Ende überhaupt irgend etwas Gescheites heraus? Nun geht das Verfahren tatsächlich schon in seine vierte Sommerpause - und dennoch muss der Reporter konstatieren: Bis auf einige Ausnahmen waren alle Tage, die er im Saal A 101 verbracht hat, relevant, interessant, manchmal erschütternd, manchmal auch spannend.

Auch heute, am 305. Verhandlungstag, als ein Großteil der Prozessbeteiligten und auch der Pressevertreter nur noch der Sommerpause entgegenfieberte und sich Zeugenvernehmung, Stellungnahmen, Beanstandungen, Erwiderungen etc. zogen und zogen, während sich die anfangs gut besetzten Zuschauerränge nach und nach leerten, muss gesagt werden: Es war wieder ein interessanter Tag.

Natürlich nervt manch scheinbar überflüssiger Schlagabtausch zwischen Verteidigern, Bundesanwälten, Nebenklägern oder dem Vorsitzenden Richter. Andererseits zeigt die Vehemenz, mit der diese geführt werden, auch, dass es im NSU-Prozess langsam ans Eingemachte geht - jedenfalls für die Angeklagten und hier ganz besonders für Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben.

Wohlleben-Verteidigung wird nervös

Wohllebens Verteidiger, die ja allesamt selbst entweder maßgeblich für die rechte Szene tätig sind oder zu ihr zählen, teilen längst immer wütender aus, sprechen von Manipulation, rechtswidrigem Verhalten, unfairem Verfahren usw.. Ein Grund dafür ist vermutlich: Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass das Gericht im Falle Wohlleben der Bundesanwaltschaft weitgehend folgen wird, was auf einen Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord hinauslaufen würde.

Hat sich Zschäpe verrechnet?

Und bei Zschäpe zeigt sich immer deutlicher: Vermutlich war die Schweige-Strategie ihrer entmachteten Altverteidiger die bessere. Ihre neue Strategie, das Schweigen zwar einerseits zu brechen, aber nur auf Fragen des Gerichts zu antworten und das auch nur schriftlich, droht ihr schon seit Monaten um die Ohren zu fliegen, was ihre Neuverteidiger bisher wohl nur mit immer neuen Verzögerungen verhindern konnten.

Besonders brenzlig ist es für Zschäpe, seit die Nebenkläger über 300 detaillierte Fragen an sie richteten. Seit Wochen nun laviert ihre neue Verteidigung herum und verweigert jede klare Aussage darüber, ob Zschäpe antworten wird. Denn auch ihnen dürfte klar sein: Egal, wie sich Zschäpe entscheiden wird, sie steckt in der Sackgasse.

Eine wahrheitsgetreue Antwort erhoffen zwar alle, könnte sie aber für immer ins Gefängnis bringen. Mögliche Lügen könnten entlarvt werden. Und verweigert sie die Antworten ganz, wird ihr das sicher nicht zum Guten ausgelegt - oder noch schlimmer: Richter Götzl könnte sich die Fragen der Nebenkläger zu eigen machen und sie seinerseits an die Angeklagte richten. Was macht Zschäpe dann?

Keine Antworten auf entscheidende Fragen

Wie gesagt: Durchaus interessante und spannende Fragen, die da zuletzt im Saal A 101 erörtert wurden - und nach der Sommerpause weiter erörtert werden müssen. Zwar ist inzwischen leider auch absehbar, dass der NSU-Prozess auf einige entscheidende Fragen keine Antworten liefern wird: etwa nach der Rolle des Staates - insbesondere des Verfassungsschutzes - oder nach dem Unterstützerumfeld in der Neonazi-Szene.

Und trotzdem ist das, was hier Prozesstag für Prozesstag verhandelt wird, relevant, nötig, sinnvoll. Die NSU-Affäre ist so außergewöhnlich, so schwerwiegend und weitreichend, dass von Anfang an klar war: Es wird schwer, das Ganze überhaupt juristisch in den Griff zu kriegen. Und deshalb dauert der Prozess eben so lange. Und das ist auch keine Steuerverschwendung, sondern muss es uns einfach wert sein. Und ob da etwas Gescheites dabei herauskommt, das werden wir am Ende sehen - wann immer das sein mag.


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