NSU-Prozess


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281. Verhandlungstag, 10.5.2016 Gericht sieht keine staatliche Mitverantwortung bei NSU-Morden

Die Rolle des brandenburgischen Verfassungsschutzes wird im NSU-Prozess wohl nicht mehr aufgeklärt werden können. Das Gericht lehnte einen umfassenden Beweisantrag der Nebenklage ab. Die Anwälte von Familie Yozgat wollten nachweisen, dass der Staat das NSU-Trio frühzeitig hätten festnehmen können. Das Gericht wertet das als "Unterstellung".

Von: Ina Krauß

Stand: 10.05.2016 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

10 Mai

Dienstag, 10. Mai 2016

Fakt ist: Die Verfassungsschützer in Potsdam wussten bereits im September 1998, also wenige Monate nach dem Untertauchen von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, dass drei untergetauchte Skinheads aus Thüringen eine Waffe besorgen wollten. Einen entsprechenden Hinweis hatte V-Mann "Piatto" alias Carsten Sz. gegeben. Das Geld für die Waffe sollte von Mitgliedern der "Blood & Honour"-Szene in Sachsen kommen.

Das Innenministerium in Potsdam entschied aber, "Piatto" auf jeden Fall zu schützen. Die Ermittler in Thüringen wurden ohne Nennung der Quelle informiert, Nachfragen des Landeskriminalamtes (LKA) Thüringen wurden abgeblockt.

Opferfamilie: Quellenschutz über alles gestellt

Damit, so argumentieren die Anwälte von Familie Yozgat, hätte der Verfassungsschutz den Quellenschutz über alles gestellt. Die Folge: Die drei untergetauchten Neonazis aus Jena konnten nicht ausfindig gemacht werden. Zwei Jahre später beging der NSU den ersten von insgesamt zehn Morden.

"Eine staatliche Mitverantwortung kann nicht festgestellt werden", begründete der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Ablehnung des Beweisantrags. Der Senat ziehe nicht den Schluss, dass der Aufenthalt der drei sicher ermittelt hätte werden können. Eine Mitverantwortung sei im juristischen Sinne nur gegeben, wenn der Staat etwas mit der Genese der Taten zu tun hätte. Dass die Ermittler den Aufenthaltsort der drei Untergetauchten hätte ermitteln können, sei nicht sicher.

Anwälte wollen nachhaken

Für die Anwälte der Familie Yozgat, Doris Dierbach und Thomas Bliwier, greift diese Argumentation zu kurz. Sie wollen die Verantwortung des Staates weiter im Prozess thematisieren und aufgeklärt wissen. Bald ist der V-Mann-Führer von "Piatto" erneut als Zeuge geladen.

Weiterer Antrag abgelehnt

Abgelehnt wurde neben einem weiteren Beweisantrag der Nebenklage auch der Antrag von Zschäpe-Wahlverteidiger Hermann Borchert auf Aussetzung des Verfahrens. Er wollte zwei Jahre Zeit, um seine digitale Akten-Kopie mit den Original-Akten zu vergleichen.

Kurz vor Schluss des 281. Verhandlungstages wendet Richter Götzel sich zum wiederholten Mal an Zschäpe und ihren Verteidiger Mathias Grasel: "Kommen Sie noch vor Pfingsten zur Beantwortung der Fragen?" "Wir peilen den Donnerstag an", so Grasels Antwort.

Also werden am 12. Mai weitere Antworten auf Fragen des Gerichts an Zschäpe von deren Verteidigern verlesen.


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