NSU-Prozess


6

278. Verhandlungstag, 21.4.2016 Bundestag, bitte übernehmen Sie

Wie lange genau der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München noch dauern wird, ist unklar. Absehbar aber ist, um was er sich nicht mehr kümmern wird.

Von: Tim Aßmann

Stand: 21.04.2016 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

21 April

Donnerstag, 21. April 2016

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten brauchte nur wenige Minuten. Der Beweisantrag der Nebenklage, Verfassungsschützer aus Brandenburg zu vernehmen, sei abzulehnen, erklärte Weingarten - wegen Bedeutungslosigkeit und mangels Aufklärungsbedürftigkeit.

Das Gericht wird dieser Einschätzung der Bundesanwaltschaft wahrscheinlich folgen und damit wird die Rolle der Brandenburger Verfassungsschützer bei der Suche nach dem untergetauchten Neonazi-Trio im Prozess nicht mehr näher beleuchtet werden. Zur Erinnerung: Der V-Mann "Piatto" hatte den Verfassungsschutz über mögliche Unterstützer der per Haftbefehl gesuchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe informiert. Brandenburgs Verfassungsschützer aber stellten den Quellenschutz offenbar über die Kooperation mit den Fahndern, die nach dem Trio suchten. Die Anwälte der Familie des NSU-Opfers Halit Yozgat wollten nun Vertreter des Verfassungsschutzes im Prozess befragen. Das Gericht muss über den entsprechenden Antrag entscheiden und wird ihn möglicherweise mit der Begründung ablehnen, dass kein ausreichender Zusammenhang mit den im NSU-Prozess angeklagten Straftaten besteht.

Viele Fragen weiter offen

Die Rolle der Verfassungsschutzbehörden und ihrer V-Leute und die mögliche Existenz weiterer NSU-Unterstützer - hier sind weiter viele Fragen offen, der Prozess aber wird sie nicht mehr klären. Das sei Aufgabe der Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, hört man dazu häufig aus Justizkreisen. Doch ob überhaupt und wenn ja wie umfangreich sich die Untersuchungsausschüsse mit den offenen Punkten befassen werden, ist unklar. Zu befürchten ist, dass nach einem Prozessende in München auch die weitere Aufklärungsarbeit sukzessive zum Erliegen kommen wird. Dann wäre eingetreten, was viele Angehörige der NSU-Opfer ohnehin schon lange befürchten: Das Aufklärungsversprechen, das ihnen die Kanzlerin einst gab, wäre unerfüllt geblieben.


6