NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 271. Verhandlungstag, 16.3.2016

Heute werden zunächst vier Polizeibeamte zu Waffenfunden gehört. Anschließend verließt Verteidiger Hermann Borchert Antworten von Beate Zschäpe auf die Nachfragen zu ihrer Aussage im vergangenen Dezember.

Von: Tim Aßmann, Christoph Arnowski

Stand: 16.03.2016 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Heute werden zunächst vier Polizeibeamte gehört - drei zum Fund einer Pistole im Brandschutt der Frühlingsstraße in Zwickau und ein weiterer Ermittler zum Fund mehrerer Waffen im ausgebrannten Wohnmobil von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach. Anschließend verließt Verteidiger Hermann Borchert Antworten von Beate Zschäpe auf die Nachfragen zu ihrer Aussage im vergangenen Dezember. Zschäpe behauptet unter anderem, von Böhnhardt mehrfach geschlagen worden zu sein, wenn ihm bei einer Diskussion die Argumente ausgingen.

Zeugen:

  • Andrea S., Kriminalhauptkommissarin, BKA Wiesbaden (Asservierung einer Pistole in Zwickau, Frühlingsstr. 26)
  • Wolfgang H., Kriminalhauptkommissar, BKA Wiesbaden (Asservierung einer Pistole in Zwickau, Frühlingsstr. 26)
  • Thilo H., Kriminalhauptkommissar, LKA Thüringen (Asservierung von Waffen im Wohnmobil, amtl. Kennzeichen V-MK 1121)
  • Jörn N., Polizeimeister, Polizeidirektion Görlitz (Asservierung einer Waffe in Zwickau, Frühlingsstr. 26)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
Beginn 9.46 Uhr.

RA Hermann Borchert (Wahlverteidiger von Beate Zschäpe) ist diesmal auch mit dabei. Presse- und Zuschauertribüne ist fast voll.

Zeugin Andrea S., 44 Jahre alt, Kriminalbeamtin beim Bundeskriminalamt (BKA), Spurensicherung und Tatortsicherung.
S: War im Asservierungsteam in Zwickau, alle Gegenstände aus Brandschutt waren geborgen, Pistole selbst befand sich in Kunststoffeimer, haben sie fotografisch asserviert, verpackt und mit Nummer 2/12/482/13 versehen.

Zeuge Wolfgang H., 40 Jahre alt, BKA, Spurensicherung und Tatortarbeit.
Richter Manfred Götzl: Geht um Sicherstellung Waffen Frühlingsstr.

H: Am 12. November 2011 angekommen, alle Asservate waren in großer Polizeigarage, aufgeteilt nach Bereichen, wo sie aufgefunden wurden. Dort haben wir Stück für Stück fotografiert, asserviert.
G: Geht uns um Bruni-Pistole.
H: Gab Kellerraum, dort in weißem Eimer diese besagte Waffe, am 16. November fotografiert, asserviert und verpackt.

Zeuge Thilo H., Landeskriminalamt (LKA) Thüringen, 45 Jahre alt.
Götzl: Geht um Waffen in Wohnmobil (Eisenach).

H: Haben am 4. November den ersten Angriff gefahren. War damals in Tatortgruppe, zum Tatort gefahren, wurde entschieden, dass Wohnmobil abgeschleppt wird und dann haben wir angefangen dieses Wohnmobil zu bearbeiten, spurentechnisch.
Es waren zwei Personen im Wohnmobil, es war stark brandbeschädigt, Decke war runtergefallen, hatte eine Leiche, die die bäuchlings lag, wohl bedeckt, die andere im Teil. Haben eine Waffe schon vor Ort in Stregda sichergestellt, war P2000 von Kollegen, außerdem zwei Pumpguns gefunden, dann weitere Waffe, auch P2000, auf dem Tisch, rechts auf der Sitzbank lag noch eine MP. Am nächsten Tag haben die Kollegen aus Gotha übernommen und noch weitere Waffen sichergestellt. Das hat man auf den ersten Blick nicht gesehen, weil alles mit Brandschutt bedeckt war.

Lichtbildvorlage.
H: Ist eine der beiden Pumpguns (Waffe ohne Schulterstütze).
Nächstes Foto: oben gleiche Waffe mit Brandschuttspuren, unten andere Pumpgun. Zeuge weiß nicht mehr, welche Waffe wo lag. Eine von beiden hat weniger Brandschuttspuren als die andere.

(Christoph Arnowski, BR)
H: Das ist der Revolver, der links auf der Spüle lag. Wie man sieht, alles mit Ruß beaufschlagt. Hier sieht man nochmal die sechs Schuss.
Das ist eine Patrone, die falsch beschriftet ist. Da müsste es einen Aktenvermerk geben. Die beiden Hülsen lagen weiter vorne.

(Tim Aßmann, BR)
Nun noch Bilder von Pumpguns und dann auch von Heckler&Koch-Pistolen (Polizei-Dienstwaffen).
H: Waffen waren alle geladen.

(Christoph Arnowski, BR)
H: Das ist eine Heckler&Koch. Die Munition war verstreut, auch mit Brandschutt belegt. Das Plastik ist heruntergekommen und ist halt verschmolzen.
Das ist die Nasszelle, da haben wir die erste Waffe gesichert, die war nicht von Brandschutt bedeckt, die haben wir noch vor dem Abschleppen herausgenommen.

(Tim Aßmann, BR)
RA Nicole Schneiders (Verteidigung Ralf Wohlleben): Warum Abschleppen durch Einsatzleitung angeordnet?
H: Als wir Wohnmobil fanden, war es ein Banküberfall. Soweit ich weiß, wollte uns der Polizeiführer in Ruhe arbeiten lassen. Wir haben das ein bisschen anders gesehen, aber als Polizeiführer hat er das so gesehen.
S: Wie haben Sie es gesehen?
H: Ist ein bisschen ungewöhnlich. Normalerweise wären noch Arbeiten vor Ort gemacht wurden.
S: Fotos gemacht?
H: Kollegin hat Fotos gemacht, die Feuerwehr auch.
S: Wie viele hat Feuerwehr gemacht?
H: Keine Ahnung.

(Christoph Arnowski, BR)
H: Habe drei, vier Fotos im Untersuchungsausschuss gesehen.

(Tim Aßmann, BR)
S: Wer war vor Ihnen im Wohnmobil?
H: Der Polizeiführer Herr M., soweit mir bekannt, vom Hörensagen, weiß nicht mehr von wem. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich weiß, dass er drin war.
S: Hat Sie das verwundert?
H: Grundsätzlich ja, war schon Lage, wo erstmal jemand reingeht, schaut was los ist. Ungewöhnlich, dass der Polizeiführer rein geht, ja.
S: P2000?
H: Habe sie gesichert, noch in Stregda, gesehen, dass Polizeiwaffe war, als wir schon in Eisenach waren, das Wohnmobil abgeschleppt war. Kam Nachricht, dass es Waffe von Kollegen in Heilbronn war.

S: Durch das Abschleppen Veränderungen entstanden?
H: Persönliche Meinung: Eigentlich nicht, durch den Brand war alles eine Schuttmasse. Es kann sein, aber ich glaube es eigentlich nicht.
S: Warum erst Spurensicherung durch Sie und dann Kollegen aus Gotha?
H: War eigentlich vernünftige Entscheidung, wir haben uns erstmal um die Leichen gekümmert, die Waffen mussten dann auch gesichert werden. Die Kollegen in Gotha sollten dann weiter machen. War grundsätzlich gute Entscheidung, nur die Kollegen aus Gotha - das war dann zu wenig Manpower für das Wohnmobil.

RA Olaf Klemke (Verteidigung Wohlleben): Sagten, Fahrzeug hätte noch eingemessen werden sollen. War das für Sie kein potenzieller Tatort?
H: Doch.
K: Darf denn daran irgendetwas beanstandet werden?
Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten (Vertreter Bundesanwaltschaft): Zu polizeirechtlichen Fragen soll Herr Klemke jemanden fragen, der sich damit auskennt.
K: Ist doch der Arbeitsbereich des Zeugen.
Götzl hält Frage für zulässig.
H: Grundsätzlich sollten keine Maßnahmen getroffen werden, bevor Tatortgruppe da ist. Ist aber nicht unüblich, dass Kollegen anfangen, weil es lange dauert bis Tatortgruppe da ist.
K: Hatte gefragt nach Veränderung am Tatort, nicht nach Spurensicherung.
H: Hat für mich schon auch was damit zu tun. Feuerwehr war auch schon da. Es ist unglücklich so gewesen, sage ich mal, aber es war die Entscheidung des Polizeiführers.

K: War das ungewöhnlich, dass der Tatort selbst bewegt worden ist?
H: Ist eigentlich schon üblich, dass Fahrzeuge abgeschleppt und in gesichertem Bereich bearbeitet werden.
K: Auch ohne Abschleppen möglich?
H: Ja.
K: Hielten Sie das für sachgerechter?
H: Grundsätzlich ja.
Götzl findet die letzte Frage grenzwertig, lässt sie aber zu, die Antwort also auch.
H: Spurentechnisch ist so ein Brandtatort natürlich sehr, sehr schlecht.
K: Und dann macht man den noch schlechter oder wie?
H: Nochmal. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich durch das Abschleppen nichts wesentlich verändert hat.
K: Pistole war in Nasszelle?
H: Ja.
K: Als erstes gesehen?
H: Kann nicht mehr sagen, welche Waffe ich zuerst gesehen habe. Bin rein, sicher habe ich die erste Pumpgun gesehen, aber ob das die erste Waffe war, weiß ich nicht mehr.
K: Wurden Sie bei der Einweisung auf Dinge hingewiesen?
H: Kann ich nicht mehr sagen.

(Christoph Arnowski, BR)
K: Wann Pistole auf dem Tisch gefunden?
H: Weiß ich nicht mehr, müsste in der Spurensicherungsliste stehen.
K: War die Waffe ohne weiteres zu sehen oder musste erst der Brandschutt beseitigt werden?
H: Ich meine, der Griff ragte aus dem Brandschutt.

(Tim Aßmann, BR)
RA Michael Kaiser (Verteidigung André E.): Wie wurde Wohnmobil abgeschleppt? Angehoben? Stand es schräg?
H: Meine, es wurde hochgezogen auf Abschleppwagen, aber ich weiß es nicht mehr hundertprozentig.

RA Wolfram Nahrath (Verteidigung Wohlleben): Wohnmobil - wo hingebracht?
H: In eine Garage, nicht polizeilich, Halle von Abschleppdienst.
N: Was passierte mit Wohnmobil nach Beendigung der Arbeiten durch die Kollegen aus Gotha?
H: Wurde dann ins LKA Thüringen in Garage geschleppt.
N: Haben Sie nach Abschleppen gleich durchgearbeitet?
H: Am 4. November ja. Haben nach Mitternacht aufgehört. Wurde dann, glaube ich, bewacht. Ist sehr, sehr üblich, dass bewacht wird.
N: Haben Sie Spurensicherungsteam bis zum 5. November geleitet?
H: Ja.
N: Schlüssel für die Halle gehabt?
H: Weiß ich nicht mehr.

RA Hardy Langer (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Mehmet Turgut): Waren Sie auch im Fahrzeug, als Leichen noch drin waren?
H: Ja.
L: War Lage der Leichen nach Abschleppen gleich?
H: Die Lage war gleich.

RA Bernd Max Behnke (Nebenklage Turgut): Wann hat LKA Tatortarbeit übernommen?
H: Uhrzeit müsste im Tatortfundbefund stehen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass wir so nach eineinhalb, zwei Stunden übernommen haben.

(Christoph Arnowski, BR)
RA Yavuz Narin (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Theodoros Boulgarides): Haben Sie mitbekommen, dass sich Herr M. (Polizeiführer vor Ort in Eisenach) noch am Tatort lautstark über Herrn W. (Verfassungsschutz Thüringen, V-Mann-Führer von Tino Brandt) geäußert haben soll?
H: Nein.

(Tim Aßmann, BR)
Nahrath: Organisches Material in Wohnmobil gefunden?
H: Ja, war viel Hirnmasse und viel Blut.
N: Im Umfeld beider Leichen?
H: Wohnmobil war nicht groß, konnte nicht zuordnen, was von wem ist.

Zeuge kurz darauf entlassen.

10.56 Uhr.
Zeuge Jörn N., 37 Jahre alt, Polizeibeamter aus Görlitz, erscheint in Uniform.
Götzl: Geht um Sicherstellung Waffen in Frühlingsstraße.
N: War am 9. November 2011 dort eingesetzt, zu der Zeit Ausbildung in Polizeifachschule vollzogen. Wurden einen Tag vorher informiert, war uns nicht klar, worum es ging. Um sieben in Chemnitz gestartet, um acht in Zwickau gewesen. In drei Gruppen eingeteilt, mit Räumung und Abtransport des Schutthaufens beauftragt. Glaube, nachmittags wurde dann diese Ceska gefunden.
Es war ein Schuttberg in der Frühlingsstraße, Leitungsrohre, Holzbalken, alles vorhanden, wurden auch noch andere Waffen gefunden an dem Tag.
G: Wie sah Ceska aus?
N: Sah aus wie Leitungsrohr, dachte ich erst. Habe gezogen, war dann der Schalldämpfer und am anderen Ende hing dann die Pistole. War nicht verrostet, schien gebrauchsfähig, bisschen angebackene Anhaftungen.
G: Was mit Waffe gemacht?
N: Erstmal abgelegt, bin erschrocken, dann mit Kollegen zum Fahrzeug, in Tüte gepackt und dann kam das in eine Kiste.

Weingarten: Wann gefunden?
N: War nachmittags.
W: Wie Zeit bis dahin konkret verbracht?
N: Drei Gruppen: eine Schutt weggeräumt, dabei durchsucht, andere Gruppe hat den Schutt danach übernommen, dritte Gruppe hat Pause gemacht bzw. unterstützt.

(Christoph Arnowski, BR)
W: Haben Sie das Rohr schon vorher gesehen?
N: Nein, das war im unteren Bereich, das habe ich erst am Nachmittag gesehen. Wir waren sieben, acht Mann, sind um den Schutthaufen herumgestanden und haben ihn von oben abgetragen. War zwei Meter hoch.

Nahrath: Noch andere Polizeikräfte als die drei Gruppen vor Ort?
N: Ja, kann Ihnen aber nicht genau sagen, welche. Es waren Beamte aus Sachsen dabei, uniformierte.

(Tim Aßmann, BR)
Nahrath: Auch Kräfte in zivil?
N: In zivil gekleidete Personen habe ich nicht wahrgenommen.
Nahrath: War das aus Ihrer Sicht praktische Ausbildung, die Sie betrieben haben?
N: Nein.
Nahrath: Weil Sie schon vorher Polizist waren?
N: Nein, ich war in der Ausbildung.

Klemke: Wo genau haben Sie diese Waffe gefunden?
N: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
K: Auch nicht in etwa?
N: Nein.
K: Wurde das fotografisch dokumentiert?
N: Das kann ich Ihnen nicht sagen, müsste jetzt lügen.
(Lachen von der Tribüne.)

(Christoph Arnowski, BR)
Schneiders: Es gab Absperrungen mit einem Bauzaun, kam da jeder rein?
N: Das kann ich nicht sagen. Wir waren um acht Uhr da. Wir haben gearbeitet, es waren nur Polizisten im Bereich. Am Zaun waren Fotografen, die versucht haben, Bilder zu machen. Es war nicht abgehängt.
S: War eine Tatortgruppe da, die das auch dokumentiert hat?
N: Nein, mir ist nichts aufgefallen.
S: Waffenfund dokumentiert worden?
N: Ich war damals in der Ausbildung, habe leider den Fehler gemacht, dass ich mir keine Notizen gemacht [habe], wem ich die Waffe übergeben habe.

(Tim Aßmann, BR)
Schneiders: Sind Sie vor Ort konkret eingewiesen worden, was Ihre Aufgabe ist?
N: Wurden eingewiesen, dass wir diesen Schutthaufen räumen sollen. Mehr wurde da nicht gesagt.

Nahrath: Wo war Ihr Lehrer in der Zeit (während des Fundes)?
N: War außerhalb des Bauzaunes, am Bus gewartet.
Nahrath: Hat also nicht einen Stein angefasst?
N: Er war der Zugführer und der Zugführer beobachtet.

Nahrath: War irgendwer im Bauschutt dabei, der nicht in Ausbildung war?
N: Da war meine Klasse und da waren zwei, drei Beamte, diese Brandursachenermittler, die da auch mit am Schuttberg dran waren, aber nicht gesucht haben, die haben da nur so beobachtet.
Nahrath: Haben die Anweisungen gegeben, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben?
N: Nein.

(Christoph Arnowski, BR)
Schneiders lässt Bild vorlegen mit zwei Beamten mit abgedeckten Gesichtern.
N: Ja, das waren die Beamten. Ob mehrere Teams im Einsatz waren, kann ich nicht sagen.
Pause bis 12.00 Uhr.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 12.07 Uhr.
Rechtsanwalt Borchert verliest für Zschäpe.

  • Zum Alkoholkonsum: Betrunken verbinde ich mit Filmriss, außerdem wenn ich nach Aufwachen nicht mehr weiß, wie ich ins Bett gekommen bin. Angetrunken verbinde ich mit geselliger Stimmung, wenn ich beginne zu quasseln.
  • Vor unserem Untertauchen und bis Sommer 2001 kam es vor, dass Böhnhardt mich schlug, wenn ihm bei verbaler Auseinandersetzung die Argumente ausgingen. Beendete mir gegenüber Streit mit Schlägen.

(Christoph Arnowski, BR)

  • Verbal konnte er sich mir gegenüber nicht durchsetzen.

(Tim Aßmann, BR)

  • Zum Beispiel gab es Streit um Pistole, die offen herumlag. Er beendete Streit mit Schlägen, als es um Umzug nach Zwickau ging. Ich wollte Internet, er nicht, hielt es für Sicherheitsrisiko. Kam wiederholt zum Streit, bis er mich erneut schlug. Erst in Frühlingsstraße eigener Internet-Anschluss. Auch Streit um 10.000 Mark, die Holger G. erhalten sollte, ich war dagegen, Böhnhardt beendete Streit mit Schlägen.
  • Böhnhardt hatte mir von Gewalt und sexuellem Missbrauch in Haft ungefähr 1995 berichtet, massive Gewalt, Details möchte ich öffentlich nicht äußern.
  • Am 3. November 2011 trank ich über Tag verteilt drei Flaschen Sekt, ging betrunken ins Bett. Am Morgen konnte ich mich nicht mehr an alle Details erinnern.
  • 4. November 2011: Um acht aufgestanden, ungefähr eine Stunde später erstes Glas Sekt, nicht gefrühstückt, gegen 11.30 Uhr weiter Sekt, bis Mittag ungefähr eine Flasche. Hatte aber keine Ausfallerscheinungen.

(Christoph Arnowski, BR)
Zu Seite 18 (der Zschäpe-Erklärung vom 9. Dezember 2015): An welchen Umständen machen Sie fest, dass Holger G. nicht spielte, weil er Spaß am Spiel hatte, sondern weil er einfach spielen musste?
Wenn er kein Geld hatte, ging er zum Geldautomaten. Spielte auch an mehreren Automaten gleichzeitig.

(Tim Aßmann, BR)

  • Besuch André K. in Limbacherstr. (Wohnung in Chemnitz): Der Besuch muss ganz zu Beginn des Untertauchens gewesen sein. Weiß Grund nicht mehr, freute mich auf jeden Fall. Glaube, er hatte 500 DM vorbeigebracht. Danach habe ich ihn nie wieder gesehen, meine, Mundlos und Böhnhardt auch nicht.
  • André E.: während Zeit in Limbacherstr. 98 in Chemnitz kennengelernt, Mandy S., Max B. brachten ihn mit. Später hat er Wohnung in Wolgograderallee (ebenfalls Chemnitz) angemietet. E. wusste, dass in Garage Sprengstoff gefunden worden war. Nach Anmietung brach Kontakt ab, dann nur sporadisch, erst ab Sommer 2006 wurde Kontakt intensiver. Ich lernte seine Frau kennen und wir freundeten uns an. Regelmäßige Besuche mit den Kindern ab Herbst 2006. Gut getan, konnte selbst keine Kinder bekommen. Später bei Polizei Ausweis von Susann E. benutzt. E. fragte, warum wir nicht ins bürgerliche Leben zurückkehren. Sache mit Sprengstoff läge doch Jahre zurück, sei wahrscheinlich verjährt. Wir vertrauten ihm soweit, dass wir ihm von Raubüberfällen erzählten. Von Morden und Anschlägen erzählten wir ihm nichts. Am 4. November 2011 rief ich ihn an und wir vereinbarten Treffen nahe Frühlingsstraße, ich berichtete ihm vom Tod von Mundlos und von Böhnhardt. Fuhren dann in seine Wohnung, gab mir Kleidung seiner Frau, fuhren zum Bahnhof. Er fragte, was ich machen wolle, ich blieb Antwort schuldig. Ging in den Bahnhof, war das letzte Mal, dass wir gesprochen haben.
  • Susann E. sah natürlich, wie wir lebten. Ich achtete darauf, dass keine Waffe herumlag. Ab 2007 wusste sie - über ihren Mann - von Raubüberfällen. Von den Anschlägen und Morden hatte ich ihr nichts erzählt.
  • Holger G. sollte Silvester 1999 zu uns nach Chemnitz kommen. Ich wartete auf ihn, er kam nicht. Trafen uns dann 2001 wieder, holte ihn am Bahnhof in Zwickau ab, gingen in die Frühlingsstraße.
  • Mundlos und Böhnhardt hatten mir Beweggründe für DVD nie erklärt, dann hätten wir über ihren Tod sprechen müssen. Diese Gedanken waren für mich unerträglich, fragte deshalb nicht nach dem Warum.
  • Inhalt Film: 2000/2001 hatte ich Gesprächen entnommen, dass sie DVD erstellen wollten. Über die Jahre fragte ich nicht nach, konnte nicht sehen, ob Mundlos am Film arbeitete, er saß stundenlang vor dem Computer. Erst als sie mich ansprachen, dass ich nach ihrem Tod DVD versenden sollte, dachte ich daran, dass der Film auch die Morde zum Inhalt haben könnte. Vermutete, sie waren sich nicht sicher, dass ich Film versenden würde, wenn ich Inhalt vorher gekannt hätte. Ich verdrängte Gedanken, dass auch das Töten von Menschen Gegenstand des Films sein könnte.
  • Ich sagte B., dass ich mich nie erschießen würde. Er sagte, ich könnte mich auch mit Kohlenmonoxid umbringen. Er verstand nicht, dass ich mich nicht töten wollte. Seine Haltung machte mich fassungslos. Tod und Flucht kamen für mich nicht in Frage, mit Haft wollte ich mich nicht auseinandersetzen.

(Christoph Arnowski, BR)

  • Ich habe mir nie Gedanken über die Zukunft gemacht.

Zu Seite 40 (der Zschäpe-Erklärung): Haben Sie vor oder anlässlich der Brandlegung Überlegungen angestellt, wie Sie im Anschluss daran weiter vorgehen werden und gegebenenfalls welche?

  • Außer den groben Anweisungen gab es keine weiteren. Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht. Erst am Bahnhof Chemnitz habe ich mir Gedanken gemacht. Ein weiteres Leben wie in den letzten 13 Jahren kam für mich nicht in Frage. Ich spielte mit dem Gedanken, mich vor einen Zug zu werfen. Das verwarf ich aber. Ich habe mich dann vier Tage später gestellt.

(Tim Aßmann, BR)

  • Südafrika (Pläne der drei, sich dorthin abzusetzen) wurde erst Ende 1999 konkreter. Mundlos und Böhnhardt fragten, ob ich mitkomme. Ich lehnte ab, sie weihten mich nicht weiter ein, misstrauten mir. Im Sommer 2000 wurde Auswanderungsgedanke von den beiden aufgegeben, wurde nicht mehr drüber gesprochen.
  • Geld im Untergrund: Beim Untertauchen hatten wir ungefähr 2.000 bis 2.500 DM zur Verfügung. Wir lebten sehr sparsam. Holger G. hatte uns 3.000 DM gegeben, die Böhnhardt ihm später zurückzahlte. Böhnhardts Mutter hat uns zweimal jeweils 2.500 DM zur Verfügung gestellt. Glaube, André K. gab uns 500. Weiß nicht, ob uns Carsten S. Geld gab, nicht auszuschließen.

(Christoph Arnowski, BR)
Von wem wurden welche Räume auf welche Art und Weise in der Wohnung in der Frühlingsstraße genützt?

  • Jeder von uns hat ein eigenes Zimmer, der Rest wurde gemeinsam genutzt.

(Tim Aßmann, BR)

  • Zur Frage, wer in der Wohnung wo wohnte, wird Skizze an die Antworten gehängt.
  • Carsten S.: Habe nie länger mit ihm gesprochen, einziger Kontakt in dem Café, habe nie mit ihm telefoniert. Wusste, Mundlos und Böhnhardt riefen Telefonzellen an, dann wurde immer Termin fürs nächste Telefonat vereinbart. Zur Häufigkeit kann ich keine Angaben machen.

Götzl: Frau Zschäpe, sind das Ihre Antworten?
Zschäpe reagiert bestätigend.
G: Ja.

Die Wohnungsskizze wird nun an die Wand projiziert.
G: Frau Zschäpe. Gibt das die Nutzung so wieder, wie es war?
Zschäpe bestätigt irgendwie.
Pause bis 13.00 Uhr.

(Christoph Arnowski, BR)
Götzl: Hinweis zu Beweisantrag von RA Doris Dierbach (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Halit Yozgat) u. a.: Es wird Beweis beantragt, dass Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg die Festnahme vereitelt hat, weil es den Quellenschutz wichtiger erachtet hat als Informationen weiterzugeben. Es sind keine Tatsachen, zu denen Beweis erhoben werden kann, sagt Götzl. Wenn am Antrag festgehalten [werden] soll, muss er anders formuliert werden, sagt Götzl. Es handelt sich um Wertungen der Antragsteller, die nicht unter Beweis gestellt werden können.

Hinweis zum Beweisantrag von RA Alexander Kienzle (Nebenklage Yozgat) und anderen am 15. März: Es wird angeregt, den Verlesungsantrag zu überdenken! Aus Sicht von Götzl weist der Antrag mehrere Fehler auf, die er anregt zu korrigieren. Ansonsten könnten die Anträge als Beweisermittlungsanträge behandelt werden.
RA Thomas Bliwier (Nebenklage Yozgat): Das werden wir natürlich tun und finden es beachtlich, dass sich der Senat schon in der kurzen Zeit so sehr mit den Beweisanträgen befasst hat.

Antrag Nahrath (Verteidigung Wohlleben): Aussagegenehmigung des Zeugen Gö. (Verfassungsschutz Brandenburg) soll erweitert werden auf Nick G. und Toni S. Der Zeuge Gö. war der V-Mann-Führer von "Piatto".
Bisher hat er nur so wenig wie möglich gesagt. Nick G. war erst Informant und dann VP-Person des LKA Berlin von 2001 bis 2003. Toni S. soll sich 2006 mit Mundlos in Dortmund getroffen haben, es sei um Waffengeschäfte gegangen. Es drängt sich auf, dass "Piatto" weit mehr in Waffenbeschaffung für die rechte Szene involviert war als bisher bekannt.

Schluss für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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