NSU-Prozess


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260. Verhandlungstag, 16.2.2016 "Eingedeckt mit Kalaschnikows"

Drogen, Waffen, Sex. Der Mann, der heute auf dem Zeugenstuhl saß hatte so viel von all dem im Gepäck, dass sich Krimi-Drehbuchschreiber die Finger danach lecken würden. Alles übertrieben oder die blanke Wahrheit? Eine mehr oder weniger spannende Frage.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 16.02.2016 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

16 Februar

Dienstag, 16. Februar 2016

Damit eines gleich klar ist: Der 49-Jährige steht zu seinen Taten. Er habe seine Strafe bekommen und jetzt will er seine Ruhe haben. Organisierte Kriminalität, das war Jens L.s tägliches Geschäft. Bei seiner Festnahme im Jahr 2000 habe die Polizei über eine Tonne Rauschgift bei ihm sichergestellt. Davor hat der Mann aus Jena offenbar ein schillerndes Leben im Milieu zwischen Koks-Räuschen, Sex "mit den schönsten Frauen, die Sie sich vorstellen können" und Waffengeschäften geführt. 100.000 Euro will der Ex-Bandenchef in Spitzenzeiten eingenommen haben - und zwar täglich. Zweimal in der Woche habe er in Antwerpen Diamanten gekauft. Ein einziger Stress sei dieses Leben gewesen, ständig auf Achse, europaweit. Jens S. war Bandenchef. Zwei Bodyguards hätten sogar auf ihn aufpassen müssen.

Unheimlicher Selbstdarsteller

Dem Mann fehlt es bis heute nicht an Selbstbewusst sein. Da reiht sich zwischendurch eine belanglose Anekdote an die andere: Wo unbeschadete Bürger längst einen Strafzettel kassiert hätten, habe er einfach seinen Lamborghini geparkt. Und so weiter. Und wo weiter. Bemerkenswert ist allerdings seine Episode über die angebliche Sinnhaftigkeit seiner Drogen-Deals: Denn eigentlich hätte ihm die Polizei dankbar sein müssen, dass er die Geschäfte jahrelang kontrolliert habe: Denn nachdem er aufgeflogen ist, hätte es im Jenaer Milieu unmittelbar acht Todesopfer gegeben - alle Drogenabhängige, die auf gepanschte Ware von ausländischen Dealern umgestiegen seien. "Die Ausländer haben das Zeug mit Rattengift gestreckt."

"Der Markt war überschwemmt"

Auch der Umgang mit Waffen war für Jens L. offenbar alltäglich. In seiner Wohnung habe grundsätzlich eine Pistole herumgelegen. Und in der Wendezeit konnte man von Russen Kalaschnikows kaufen so viele man wollte, "der Markt war überschwemmt" - für rund 300 Mark. "Wir habe den bewaffneten Kampf angestrebt" - "Wir haben uns im Krieg befunden", solche Sätze fallen im Gerichtssaal 101 an diesem Verhandlungstag im Minutentakt. L.s Drogenbande habe auch überlegt, die rechte Szene in Jena zu bewaffnen. An Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kann er sich allerdings nicht mehr richtig erinnern. Beate Zschäpe kenne er gar nicht. Unter den Mitangeklagten kommen ihm allenfalls die Gesichter von Ralf Wohlleben und Andrè E. bekannt vor, woher weiß er nicht mehr.

Jens L. hat angeblich Angst

Als der Vorsitzende Richter auf Erhardt R. und Wolf G. zu sprechen kommt, wird der 49-Jährige auf einmal ganz schmallippig. Er sei alleinerziehender Vater einer vierjährigen Tochter und müsse um sein eigenes und das Leben des Kindes fürchten, wenn er zu ihnen Aussagen mache. Darüber hinaus würde er sich selbst belasten. Der Zeuge wurde kurz nach der Mittagspause entlassen. Er wird aber wieder kommen. Mit einem Zeugenbeistand.


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