NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 254. Verhandlungstag, 13.1.2016

Heute beginnt das Gericht mit der inhaltlichen Befragung des Angeklagten Ralf Wohlleben, der Ende letzten Jahres ausgesagt hatte.

Von: Mira Barthelmann, Eva Frisch, Eckhart Querner, Holger Schmidt, Tim Aßmann

Stand: 13.01.2016 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Zunächst werden Fragen zu Wohllebens Zeit in der rechten Szene gestellt, in welchen politischen Organisationen er tätig war, wie er das Trio sowie Holger G., Tino Brandt und André K. kennenlernte. Er habe in der Szene keine große Rolle gespielt, er sei "einfach nur dabei gewesen", um dazuzugehören, sagte Wohlleben. Für das Trio habe er nach deren Untertauchen nur alltägliche Sachen besorgt, aber keine Waffe - die habe der Angeklagte Carsten S. organisiert. S. habe Wohlleben die Waffe einmal gezeigt, mehr habe er damit nicht zu tun gehabt. Auch von den Taten des Trios will er nichts mitbekommen haben.

Zeugen:

  • keine

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
9.43 Uhr.
Beate Zschäpe und Wohlleben werden hereingeführt. Zschäpe erscheint im dunklen Hosenanzug, Haare zu einem geflochtenen Zopf gebunden, rosa Schal. Zschäpe unterhält sich angeregt mit Rechtsanwalt Mathias Grasel. Wirkt wie ein Flirt von ihrer Seite.

(Tim Aßmann, BR)
Vor Beginn: Rechtsanwalt Hermann Borchert ist nicht da, sein Platz neben Zschäpe bleibt leer. Die Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm rücken nicht auf.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
9.46 Uhr.
Gericht kommt rein. Feststellung der Präsenz.

9.50 Uhr.
Beginn mit den Fragen an Ralf Wohlleben.
Richter Manfred Götzl: Politischer Werdegang. Da wollte ich das eine oder andere noch nachfragen. Sie hatten angegeben, dass Sie sich an Montags-Demos in Jena beteiligt hätten. Situation nach der Wiedervereinigung? Es hätte keine gefestigte Meinung dahintergestanden?
Wohlleben: Ich habe den Eindruck gehabt, dass sich die Jugendlichen in zwei Lager aufteilen. Leute, die sich eher zu ihrer Nationalität bekannt haben, und welche, die das nicht wollten. Die hatten keinen gestrigen Hintergrund gehabt. Die haben sich zwar als rechts bezeichnet - ohne, dass was dahintersteht.
G: Und Ihre Person?
W: Ich hatte Freunde zu DDR-Zeit, die haben sich dann der Linken angeschlossen. Die meinten, jeder, der eine Deutschlandflagge zeigt, sei ein Nazi.
Habe Replay-Sachen und Chevignon getragen. So Bomber-Jacken habe ich überhaupt nicht angehabt.
G: Wahlkampfveranstaltung einer nationalen Partei teilgenommen?

(Tim Aßmann, BR)
Wohlleben: Man erfährt halt zufällig von Wahlkampfveranstaltung, steht dann halt dort, kommt tarnfarbener VW-Bus vorgefahren, Leute bauen Stand auf, war für mich beeindruckend, war wichtig für mich, mich dieser Gruppe zugehörig zu fühlen. Habe ganze Zeit ein Plakat gehalten, weiß nicht mehr, was drauf stand, war halt eine neue Erkenntnis, die ich damals gewonnen habe, mich hat das halt begeistert, wie das alles ablief, ziemlich diszipliniert, mit Fahnen, mir hat das gefallen, ich fand das gut.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ich habe das halt als imposant empfunden. Interessant. Es war halt schon … Es hat mich halt begeistert. Das war sehr diszipliniert. Das hat mich halt an die DDR-Zeit erinnert. Diese Disziplin.
G: Mitglied in der "Kameradschaft Jena". Was bedeutet das?
W: Zahlen des Mitgliedsbeitrages. Und dann hat man Kameradschaftsabende durchgeführt. Ich habe aber keine Erinnerung daran, dass das politisch ..., dem rechten Spektrum zugehörig gefühlt. Da wurden da auch so sinnlose Diskussionen geführt, ob man während der Kameradschafts-Sitzung trinkt und raucht.

(Tim Aßmann, BR)
W: Ich denke, war so, wir dachten, in anderen Städten gibt es auch Kameradschaften, dann muss es hier auch eine geben, waren der Meinung, dass man in Kameradschaftssitzungen nicht trinkt, weil Alkohol Zunge lockert und dann keine vernünftige Diskussion entsteht.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Einzelheiten zur Freundschaft zu André K.? "Kameradschaft Jena"? Welche Rolle hat er gespielt?
W: K. habe ich vor oder zum Zeitpunkt der Wende kennengelernt. Ich kam aus Lobeda-Ost und hatte bis zu meinem Schuleintritt in Lobeda-West keinen Kontakt zu West gehabt. 1994. Ich hatte da meinen Führerschein gemacht und mir einen Trabant gekauft. K. hatte auch einen Trabant und dann sind wir sinnlos mit den beiden Autos rumgefahren.

(Holger Schmidt, SWR)
W: Man hätte auch mit einem Auto fahren können, aber Führerschein neu und es ging darum, möglichst viele Kilometer zu machen.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: War halt diese Jugendzeit. Ich habe den André schon als jemanden wahrgenommen, der ein gewisses Talent dazu hatte, die Leute hin und her zu schicken, aber ich würde nicht von einer Führerrolle sprechen. Der K. hatte halt Kontakte gehabt. Wir sind zu einem Konzert gefahren. Zu dem Zeitpunkt haben wir schon den Tino Brandt gekannt und der hat uns dann den Platz auf der Empore verschafft.

G: Kameradschaft Jena?
W: Ich war einfaches Mitglied. Ich war kein Super-Organisationstalent, sondern ich war einfach dabei gewesen. Dass wir uns als autoritärer Kreis sahen, das würde ich nicht sagen. Wir wollten Qualität statt Quantität. Wir wollten keinen Haufen, den man nicht mehr unter Kontrolle hat.

(Tim Aßmann, BR)
W: Dass wir uns als autoritärer Kreis verstanden hätten, war nicht so. Wollten einfach mehr Disziplin als die Rudolstädter.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Carsten S. war in Jena Erster Vorsitzender. NPD. Sie sollten das Amt übernehmen. Von wem ging die Initiative aus?
W: Das weiß ich nicht mehr. Nach der Kreisvorstandsgründung. Da wurden Probleme angezeigt, weil Carsten so jung war und keinerlei politische Erfahrung [hatte]. Wer das gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Es könnte André K. gewesen sein.
G: Enttarnung von Brandt? Stellen Sie mir doch bitte dar: Kenntnisstand und wie haben Sie davon erfahren?
W: Da wurde ja immer spekuliert. Da kann man ganz schnell darunterfallen.

(Holger Schmidt, SWR)
W: V-Mann Gerüchte waren keine Seltenheit. Kann im nationalen Lager schon mal passieren, habe ich auch erlebt. Ich bin mir nicht sicher, wie ich es erfahren habe. Kann sein, dass es Frank Schwerdt war, der mir das gesagt hat. Kann sein, dass wir da schnell eine Landesvorstandssitzung gemacht haben, kann auch sein, dass wir das am Telefon gemacht haben.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ich weiß, dass der Brandt auf mich zukam, und mich gefragt hat, ob ich seinen Posten als Pressesprecher [der NPD] übernehmen würde. Ich fand, ich war nicht geeignet. Aber das war ja immer so, dass nicht die geeignetsten Leute die Posten besetzt haben.
Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen, was er als V-Mann gemacht hat. Das war für mich inakzeptabel, aber ich hatte kein Interesse daran. Ich habe den Verrat gesehen. April oder Mail 2001 Enttarnung. Das ist aber nur Aktenwissen.

(Tim Aßmann, BR)
Zu V-Mann Brandt:
W: Der Verrat war für mich unakzeptabel, hatte danach überhaupt keinen Kontakt mehr zu Brandt.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: 2010 sind Sie aus persönlichen Gründen aus der Partei ausgetreten?
W: Die möchte ich nicht nennen. Das waren persönliche Gründe, die für mich eine Mitgliedschaft in der Partei nicht mehr möglich gemacht haben.
G: Sie sind auf Holger G. eingegangen. Sie hatten hier vom Glücksspiel gesprochen, was Ihre und G.s Person anbelangt. Was ist letztendlich gemeint? Automaten?

(Tim Aßmann, BR)
W: Habe noch zuhause gewohnt, habe nicht viel Geld gebraucht, habe Arbeitslosengeld oder Lehrlingsgehalt zum Monatsanfang abgeholt und bin dann halt in die Spielothek, oft mit Holger G., und dann kann's halt gewesen sein, dass alles weg war, hatte pathologische Züge. Ich weiß, dass Holger damit auch Probleme hatte.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ich weiß, dass er auch einen Dispokredit hatte und dann haben wir mit Geld von Bank gespielt. Krankhafter Zwang zum Monatsanfang zu zocken.

(Tim Aßmann, BR)
G: Pathologische Züge?
W: Krankhafte Veranlagung, sein Geld in kürzester Zeit an irgendwelchen Automaten zu verballern.
G: Wie muss ich mir das vorstellen? Von welchem Zeitraum sprechen wir?
W: Habe 1997 meine Wohnung bekommen und damit wurde es schlagartig weniger, was nicht heißen soll, dass es aufhörte, war nicht mehr so exzessiv. Begonnen habe ich, da war ich noch keine 18 Jahre alt, gab bei uns Gaststätte "Balkan" mit Spielautomaten, da hing ich davor.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Da habe ich mir ein Wasser oder eine Cola bestellt und mit 5 oder 10 Mark gespielt.

G: Und was war das mit der Wohnung?
W: Ich musste ja dann meine Wohnung finanzieren. Und dann hat mir meine damalige Freundin [Juliane W.] den Spielautomaten geschenkt und dann habe ich zu Hause gespielt. Unterer fünfstelliger Bereich. Für das, was mir zur Verfügung stand, war es viel Geld. Wenn ich mit Holger G. gespielt habe, dann haben wir das Geld immer geteilt. Aber im Endeffekt war es egal, weil wir haben es dann immer wieder zusammen verspielt. 100 Mark, 300 Mark.

(Holger Schmidt, SWR)
(Holger G. schaut an die Decke, lächelt, nickt, wippt dabei mit dem ganzen Körper. Es macht den Eindruck, als könne er sich sehr gut an das Zocken erinnern.)

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Holger G.?
W: Ich weiß, dass er diese Vorliebe von mir geteilt hat. Er ist relativ tief in den Dispo reingeblättert. Ein gängiger Sparkassen-Dispo: 1.000 Mark.
G: G.? Zeiträume?
W: 1994, 1995, 1996. Dann hat er seine Lehre, seine Umschulung begonnen. 1994 bis 1996.
G: Pathologische Züge? Krankhafte Veranlagung?
W: Das ist wie ein Zwang. Ich habe mir dann auch mal vorgenommen: Du holst jetzt 100 Mark, verspielst aber nur 50 Mark. Und dann habe ich, nachdem die 50 Mark weg waren, weitergespielt, weil ich dachte: Irgendwann muss der Automat ja auch mal Geld ausspucken. Ich finde, das ist schon krankhaft. Holger ist dann nach Hannover gezogen, hatte ein Auto und war dann öfter bei mir. Er hat dann von einer Therapie erzählt. Er hat mich dann schon noch ein paarmal gefragt, ob wir spielen gehen.
G: Vom Zeitlichen passt das jetzt nicht ganz zusammen.
W: 2001, 2002. Das ist nur eine Vermutung. Da war er ungefähr bei mir und hat dann gefragt.

G: Sie hatten geäußert, dass Holger G. auch Drogen genommen hat. Haben Sie das selber mal beobachtet?
W: Nein. Gar nicht. Das ist schwierig das zeitlich einzuordnen. Ich hatte einen Golf II. Da hatte ich meine zwei Kinder. Und dann hat der Holger gesagt, dass er jetzt ab und zu mal Drogen nimmt. Ich hatte keine Lust, mich mit Leuten auseinanderzusetzen, die sich solchen Dingen hingeben. Weiß nicht, welche Drogen.
Er war immer ein Zappelphillipp. Der konnte sein Bein nicht stillhalten Er hat halt relativ viel geraucht. Das ist aber das einzige.
G: Seine Tollpatschigkeit, wie Sie es formulierten. Nähere Beschreibung?
W: Holger war halt jemand, der ist in jedes Fettnäpfchen reingetreten. Arschbombe und rein!

G: Uwe Böhnhardt. Sie hatten gesagt: Interesse für Waffen und Militaria?
W: Böhnhardt, als ich ihn kennengelernt habe, da ist er schon mit Militärhosen rumgerannt. Nissan Patrol war sein Auto, also ein Jeep. Waffensachen. Ich war dafür völlig der falsche Ansprechpartner, weil mich solche Sachen überhaupt nicht interessiert haben.
G: Für welche Waffen?
W: Von der Axt bis zur Zwille. Geschichte mit dem Wurfanker, den er sich gekauft hat. Dann habe ich gefragt: Was willst du denn mit dem? Da hat er gesagt: Der hat mir gefallen, deshalb habe ich ihn halt gekauft. Messer. Was genau für ein Messer, weiß ich nicht. Wurfstern. Und so eine CO2-Pistole. Das hatte er.
G: Hatte Böhnhardt zu der Zeit eine scharfe Waffe?
W: Nein. Das war nie ein Gesprächsthema. Auch mit der Bewaffnung, das war jedem selbst überlassen.

(Eva Frisch, BR)
W: Überfälle von Linken habe ich ja schon angesprochen. Zum Zwecke der Selbstverteidigung. Wenn ich eine Frage zu Schreckschusspistole gehabt hätte, dann hätte ich Böhnhardt fragen können. Habe ich aber nicht. Die Leute haben irgendwann angefangen, sich Paintballwaffen zu kaufen.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Hatten Sie selbst eine Waffe?
W: Nein. Außer Sie rechnen das Luftgewehr von meinem Opa dazu.

(Tim Aßmann, BR)
G: Zu Frau Zschäpe: Sie hatten sie als schlagfertig bezeichnet. Beispiel?
W: Wenn jemand dumm gekommen ist, wusste sie schon, wie man damit umgehen muss. Sie hätte auf jeden Fall eine Antwort darauf gehabt.
(Zschäpe äußerlich gefasst, regungslos, schaut geradeaus, hört zu.)
W: Sie hat's den Leuten ins Gesicht gesagt, offene und ehrliche Art, wenn sie mich nicht gemocht hätte, hätte sie mir das ins Gesicht gesagt.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Zschäpe und Mundlos und Böhnhardt. Wie sind sie miteinander umgegangen?
W: Schon freundschaftlich. André K., Holger G., die beiden Uwes und Beate: Wir haben schon einen schwarzen Humor gepflegt. Für Außenstehende war das grenzwertig. Da wurde gesagt: Mit mir könne man nirgendwo hingehen, weil ich überall meine Hautfetzen verlieren würde, wegen meiner Neurodermitis.

(Tim Aßmann, BR)
G: Umgang mit Böhnhardt und Mundlos?
W: Habe nichts wahrgenommen bei den Dreien jetzt, was ich als Außergewöhnlich bezeichnen würde. Wusste, dass sie mal mit Mundlos und dann später mit Böhnhardt zusammen war, die sich dann auch mal trennten ... Sie hatte dann mal keinen Kontakt mit den Zweien … Kann das aber zeitlich nicht mehr einordnen ... War schon nach der Beziehung mit Böhnhardt …

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ich hab Beate kennengelernt, als sie mit Böhnhardt befreundet war. Ich hatte ja zunächst keinen Kontakt gehabt. Zeitlich kann ich das ganz schlecht einschätzen. Ich weiß, dass ich mich mit Beate mal Abende lang unterhalten habe. Ich habe da viel Zeit mit Beate verbracht, dass wir da viel gesprochen haben.

G: Zurück zur Kameradschaft Jena.
W: Wir waren schon politisch. Aber ich habe keine Erinnerung daran, was wir für Flugblätter verteilt haben. Aber was genau … Ich bin fest davon überzeugt, und da würde ich K. widersprechen, dass wir die Flugblätter zusammen verfasst hätten. Ich erinnere mich halt an den Wurf von diesem Riesenrad. Ich habe noch nie gesehen, dass Menschen so einem Zettel hinterhergerannt sind. Da stand aber nur drauf, dass wir den Leuten in Jena ein schönes Weihnachtsfest wünschen.

(Tim Aßmann, BR)
G: Wann hatten Sie Tino Brandt kennen gelernt?
W: Muss ich bei Konzert in Rudolstadt kennen gelernt haben … War für mich der ausschlaggebende Punkt, warum wir immer nach Rudolstadt zu den Stammtischen gefahren sind … Aber meine Beziehung zu Brandt … Er hat erstmal den Kontakt zu K. gesucht, das ist erstmal Fakt. Wir haben uns dann mal unterhalten, aber keine Ahnung wie ich das beschreiben soll.

(Eckhart Querner, BR)
W: Wir haben uns auch unterhalten, aber nicht so intensiv.
G: Wie intensiv war das?
W: Bei Versammlungen konnte man ihn nicht ansprechen, weil er die ganze Zeit durch den Raum gefegt ist.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Wie häufig hatten Sie Kontakt?
W: Dadurch, dass ich zu K. Kontakt hatte, habe ich den Brandt gesehen.
G: V-Mann-Tätigkeit? Welche Gerüchte? Reaktionen?
W: Es gab damals immer wieder Gerüchte, dass gesagt wurde, der ist V-Mann. Ich habe jetzt auch bei Brandt keine genauen Erinnerungen. Ich habe die schon wahrgenommen, aber nicht ernst genommen. Ich konnte mir das bei Brandt am wenigsten vorstellen.
G: Nicht für ernst genommen? Durchgängig?
W: Ich habe das bis zum Schluss nicht geglaubt, dass der Brandt V- Mann war. Weil Brandt war ja schon jemand, der sehr bemüht war, dass sich was bewegt in der Szene in Thüringen. Warum sollte ein V-Mann das fördern, außer als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
G: Brandt. Die Rolle, die er im "Nationalen Widerstand Jena" gespielt hat.
W: "Bei all unseren Betrachtungen steht das Volk im Vordergrund. (…) Wir versuchen Bräuche und Sitten aufleben zu lassen. (…) Wir bekennen uns zu jedem Teil unserer Geschichte."
Ich wende mich nicht von irgendeinem Geschichtsteil ab und sage, der muss verteufelt werden. Die Geschichte wird auf 12 Jahre reduziert. Und es gibt aber noch viele hundert Jahre davor.
G: Jetzt haben Sie diese 12 Jahre angesprochen?
W: Ich bin jetzt niemand der sagt: Ich reduziere die Geschichte auf die 12 Jahre. Ich verherrliche diese 12 Jahre nicht. Aber ich beschäftige mich damit. Ich bin halt der Meinung, dass die Aufarbeitung diesbezüglich relativ einseitig verläuft.
G: Was meinen Sie damit?
W: Dass man immer nur guckt, was die Schuld der Deutschen ist. Und nicht guckt, was die Schuld der Amerikaner, der Engländer ist. Zum Beispiel beim Angriff auf Dresden, wo die Opferzahlen viel geringer hätten sein können.

(Eckhart Querner, BR)
G: "Nationaler Widerstand Jena": Warum schwierig über Mitgliederstruktur zu sprechen?
W: "Nationaler Widerstand" war kein Verein, sondern lockerer Verband von Leuten, die aus JN (Junge Nationale - Nachwuchsverband der NPD) und "Thüringer Heimatschutz" bestanden.
W: Für mich war durch Brandt Name "Nationaler Widerstand Jena" gegeben.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ein Zusammenschluss. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen, dass man sich nicht in irgendwelchen Strukturen verfängt, die dann vom Staat wieder verboten werden.
G: THS ("Thüringer Heimatschutz"). Stichwort Sonntagstreffen.
W: Ich habe das als Koordinierungstreffen empfunden. Ich habe keine Erinnerung, dass Zschäpe, Böhnhardt oder Mundlos dabei gewesen wären.
G: Mario B. 2005. Reaktivierung des THS. Welche Rolle hatten Sie, André K. und Mario B.?
W: Mein Eindruck war, dass B. die Koordinierungstreffen reaktivieren wollte. Er ist aber nicht an uns, sondern an andere Leute herangetreten. B. war vielen Leuten namentlich bekannt.
10.49 Uhr.
Pause.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.21 Uhr.
Wohlleben: Habe mir in der Pause überlegt, doch was zum Austritt aus der NPD zu sagen. Als unsere Örtlichkeit in Jena vom Ordnungsamt geschlossen wurde, hat uns die Partei nicht geholfen. Deswegen bin ich ausgetreten, weil ich die Solidarität vermisst habe.

(Eckhart Querner, BR)
G: Sie sagten, dass Sie gemeinsam in Urlaub gewesen sind, in Tschechien, mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Holger G. und Kai St.
W: Das war wohl 1996. Davor waren wir ein paar Mal in der Tschechischen Republik, in kleinem Garni-Hotel in Königsdorf. Dort auch Diskothek, wo wir abends hingegangen sind. Jemand aus Rostock war auch dabei. Ich erinnere mich, weil Heizung im Trabant kaputt war. Die (aus Rostock) wollten mit Kerzen nachhelfen. Völlig sinnlos.

G: Puppentorso, eine Reaktion auf Journalisten, die nicht mehr über Flugblattaktionen berichten wollten?
W: Meiner Meinung nach war das falsch, nicht mehr über Aktionen zu berichten. Für mich war es Trotzreaktion: Dann machen wir eben was, worüber ihr in jedem Fall berichten müsst.
G: Wie kam es zu Herstellung und Aufhängen des Puppentorsos?
W: Da kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Wollte nicht mitmachen, wurde angesprochen, ob ich nicht Schmiere stehen könne.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Ich stand mit dem Funkgerät da und habe zugesehen, dass kein Auto kam. Ich stand nur neben dem Pkw. Bin nicht auf der Brücke gewesen.

(Eckhart Querner, BR)
G: Wer hat Sie angesprochen?
W: Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos, nicht Kai St.
G: Wann war das?
W: Als schon alles durchgeplant war. Sollte für Alibi gerade stehen. Ich glaube, schon im Vorfeld wurde über Alibi gesprochen. Man musste damit rechnen, dass man (vermutlich Polizei) auf bekannte Personen zurückgreifen würde.

(Tim Aßmann, BR)
W: Sind an dem Abend mit Auto von Böhnhardts Eltern zu Geburtstagfeier, dann später zu Zschäpe zum Essen, dann mit Auto von Mundlos zur Brücke gefahren, wo die Puppe aufgehängt wurde.
Zschäpe war laut Wohlleben bei Puppentorso-Aktion auf Brücke nicht dabei. Kai St. sei auch, genau wie Wohlleben, nur als Alibi-Zeuge mitgekommen.
G: Was wissen Sie über diese Garage? Anmietung?
W: Meiner Erinnerung nach war die Idee von Böhnhardt, dass man sich Garage besorgt, damit bei Hausdurchsuchungen nichts beschlagnahmt werden kann. Er hat mich auch gefragt, ob ich eine Garage wüsste, später hieß es, es gebe nun Garage, ob ich was hätte, was dahin sollte. Hatte nix. War für mich eine völlig normale Garage, hätte auch Auto rein gepasst, war nicht vollgestellt - wie es später auf Fotos zu sehen war.

(Eckhart Querner, BR)
Wo: Einmal war ich in Garage, um mit Uwe Böhnhardt an seinem Hyundai zu schrauben.

(Tim Aßmann, BR)
G: Wer war dort, als Sie da waren?
W: Glaube, war nur mit Böhnhardt da.
G: Sagten Sie wüssten nicht, wer gemietet hatte.
W: Erst nach 1998 hab ich gehört, dass Beate sie gemietet hatte. Wurde ja dann gesagt, dass die Garage von Frau Zschäpe gemietet wurde.

(Eckhart Querner, BR)
(Beate Zschäpe sitzt in der Reihe vor Wohlleben, hat währenddessen den Kopf auf beide Hände gestützt und schaut auf den Tisch vor ihr.)
G: 26. Januar 1998, Tag des Untertauchens. Mich würde interessieren, was Sie noch zur Abholung Ihres Autos sagen können.
W: Gar nichts. Habe nur noch in Erinnerung, dass ich abends zu H.s gefahren bin. Ich weiß, dass ich nach der Berufsschule Erfurt nach Jena gefahren bin.
G: Was war das für ein Fahrzeug?
W: Ein Fott Escott (Ford Escort).

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Wie ging es denn dann weiter?
W: Da gab es dieses Telefonzellensystem. Die Telefonzellen wurden durchnummeriert und da wurden dann so Veranstaltungssachen besprochen. Dann und dann in der Telefonzelle 4. 19.00h. Das ist so, wie es früher gehandhabt wurde. Telefonzellen vor dem Max-Hotel und Arbeitsamt. Es waren aber definitiv noch mehr.
G: Welche Personen waren da beteiligt?
W: Ich gehe davon aus, dass Mundlos und Böhnhardt darin eingeweiht waren. André K. auf jeden Fall. An Zschäpe und Holger G. habe ich keine Erinnerung. Bei ihm wäre es Quatsch gewesen, weil das Telefonzellensystem erst 1997 kam und da war er nicht mehr da.
G: Konkreter Ablauf (nach Untertauchen des Trios): Übernachtung bei Jürgen H. Wie ging es dann weiter?

(Eckhart Querner, BR)
Wo: Bin am nächsten Morgen wieder zur Berufsschule nach Erfurt gefahren.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Der H. stellte sein Handy zur Verfügung. Der war polizeilich nicht bekannt. Der hat sein Telefon zur Verfügung gestellt. Das ist aber nur Spekulation, eine direkte Erinnerung habe ich nicht. Ich wusste nicht mal, dass der H. nach Chemnitz gefahren ist. Deswegen ist es auch relativ schwierig zu sagen, was er übergeben hat.

(Eckhart Querner, BR)
W: Direkte Erinnerung habe ich nicht. Nur, dass ich irgendwann nach Chemnitz gefahren bin. War bei Frau Mundlos und habe ihr erklärt, dass Uwe Mundlos jetzt erstmal nicht wiederkommt. Ebenso bei Frau Böhnhardt. Erinnere mich nicht, dass jemand bei Beates Oma war.

(Tim Aßmann, BR)
W: Ich weiß, dass ich Anfang nicht nur mit Mundlos und Böhnhardt telefoniert habe, sondern es noch jemanden gab, der anrief und sagte, die brauchen das und das, unbekannte Person.
W: Wenn jemand auf einer Telefonzelle anruft, kann das ja nur jemand sein, der eingeweiht war. Person wird halt gesagt haben, ich rufe im Auftrag der Drei an, die haben mich gebeten das und das zu besorgen ...

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Worum ging es denn bei "ein paar Sachen erledigen"?
W: Was man halt so braucht, wenn man weg ist.
Ich weiß gar nicht, ob da schon am Anfang Auslandspläne geschmiedet wurden.
Ich rufe im Auftrag der beiden Uwes und der drei halt an. Und dann haben die gesagt, die brauchen dies und das. Es war immer ein fester Zeitpunkt ausgemacht. Dann hat man gesagt: Montag, 19.00 Uhr. Und dann wurde halt angerufen. Manchmal habe ich auch zurückgerufen. Das wurde dann einfacher, als ich auf dem Handy angerufen habe. Die haben mir dann über das Handy die Nummer von der Telefonzelle gegeben. Damit es halt günstiger wird.
G: Welche Rolle spielte Jürgen H.?
W: Es ist schwer zu sagen. Eine Telefonzelle befand sich vor dem Wohnhaus. Ich glaube, dass er über die telefoniert hat. Und irgendwann war der H. auch raus. Bei H. ist es tatsächlich auch so: Wenn irgendwelche Hilfe erforderlich ist, dann kannst Du mich auch fragen. Er hat sich ja Böhnhardt und Mundlos freundschaftlich verbunden gefühlt.

(Tim Aßmann, BR)
G: Fahrt nach Chemnitz. Was war da vereinbart?
W: Habe ich wenige Erinnerungen, weiß nur, dass wir an Tankstelle waren, habe dort gewartet, dann kam dieser Typ da rein, hat mich angesprochen mit Vornamen, bin zu ihm ins Auto, war VW-Polo, sind dann nach Chemnitz in diese Altbauwohnung gefahren.
G: Was war der Grund?
W: Vermute, dass ich irgendwelche Sachen mitgenommen habe, vielleicht ging es auch darum, dass man irgendwelche Sachen bespricht, aber da kann ich nur spekulieren dazu.
G: In welcher Verfassung waren die Personen beim Treffen?
W: Keine Erinnerung. Ich war etwas angespannt. Bin durch größeres Zimmer gelaufen, im Schlafzimmer standen drei bis vier Liegen, muss wohl das Quartier gewesen sein.
G: Wo war die Wohnung gewesen?
W: Kenne mich in Chemnitz überhaupt nicht aus. Habe mir in Akten Lagepläne der bekannten Wohnungen angeschaut und nichts erkannt, aber es waren nicht überall Lagepläne dabei, kann also sein, dass es eine der bekannten Wohnungen ist.
G: Sie sind mit Ihrem reparierten Fahrzeug zum Treffpunkt gefahren?
W: Genau.
G: Ist Ihnen die Person nochmal begegnet?
W: Nein, auch nicht hier als Zeuge, er hatte halt eine Glatze, aber das ist in Chemnitz wahrscheinlich auch nichts Außergewöhnliches.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Wie langen haben Sie sich in Chemnitz aufgehalten?
W: Hatte Angst, jemanden (Observanten) mitgebracht zu haben. Ich habe auf jeden Fall nicht dort geschlafen. Ich habe keine Gespräche in Erinnerung. Ich kann dazu nichts sagen.

(Tim Aßmann, BR)
G: Wie ging's denn nun weiter mit dem Kontakt?
W: Irgendwann muss das dann gewechselt haben mit dem Telefonkontakt, dass den dann Carsten S. übernommen hat, aber … keine Erinnerungen mehr, kann dazu überhaupt gar nichts sagen.
G: Wie viele persönliche Treffen zwischen Ihnen, Mundlos und Böhnhardt?
W: Drei, nach dem Untertauchen.
G: War mal die Rede davon, dass H. Waffe zu den Dreien transportiert?
W: Nie … ist Unsinn … Wo soll die Waffe her sein?
... von den Böhnhardts? ... Der H. hat meistens Sachen von den Eltern transportiert.
W: Wunsch von Böhnhardt nach Waffe wurde erst geäußert, als der H. gar nicht mehr dabei war.
G: Erstes Treffen (mit den Dreien). Wann?
W: Muss irgendwann zwischen März und Mai 1998 gewesen sein. Weiß ich, weil ich diesen Glatzkopf auf Erster-Mai-Demo in Leipzig wieder gesehen hatte, stand halt bei einer Gruppe, war kein Anlass da hinzurennen.
Pause bis 13.10 Uhr.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
13.18 Uhr, Fortsetzung.
G: Zweites Treffen 1999?
W: Es ging um Vollmachten für anwaltliche Vertretungen. Ich gehe davon aus, dass sich die Frau Zschäpe von Rechtsanwalt E. vertreten lassen wollte. Und der Böhnhardt von Rechtsanwalt T. Ich weiß nur, dass ich beim Dr. E. war und dass es um die drei ging und um eine Straftat von mir.
G: Bei den dreien. Worum ging es?
W: Ob er bereit ist, die anwaltliche Vertretung zu übernehmen. Wie wir das: Handhaben wollen mit dem Kontakt zu den dreien.
G: Wie lief denn das Treffen ab? Zeitpunkt und Örtlichkeit?
W: Ich habe jetzt noch mal in der Wartezelle überlegt. Es gab drei verschiedene Treffpunkte. Das eine war eine Tankstelle. Ich gehe davon aus, dass mir der Treffpunkt gesagt wurde. Es war ein Einkaufszentrum. Kein großes. Ein Park. In diesem Park gab es verschiedene Spielgeräte und dann habe ich noch einen Tunnel in Erinnerung.
G: Wie lief das Treffen ab?
W: Es gab Gespräche. Keine Erinnerung. Recht ungewöhnlicher Wunsch von Herrn Böhnhardt (nach einer Waffe).
G: Sie hatten angegeben, dass er ein deutsches Fabrikat wollte.
W: Ich habe ihm sofort mitgeteilt, dass ich davon keine Ahnung habe. Und dann hat er gesagt: Mach Dir keine Gedanken. Es sollte ein deutsches Fabrikat sein. Und eine Pistole. Kein Revolver. Warum auch immer. Ich hatte ja dann Bedenken angemeldet. Und dann hat er gesagt: Zur Not können wir das Ding ja auch weiterverkaufen. Ich weiß nicht mehr, ob er in Wir-Form gesprochen hat.

(Zschäpe hat sich in ihren Laptop vertieft. Hand aufgestützt.)

W: Es war ein separat geführtes Gespräch. Ich weiß nur, dass ich mit Böhnhardt alleine da stand. Es war jetzt auch nichts Außergewöhnliches. Wir sind halt spazieren gegangen. Ich habe mich auch mit der Beate unterhalten, kann mich aber an Inhalt nicht erinnern.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.18 Uhr.
W: Böhnhardt demnach: "Wenn das Ding gar nichts taugt" ... "zur Not weiter verkaufen".
W: Zur Finanzierung des Waffenkaufs hat Böhnhardt gesagt: "Frag halt mal bei Brandt nach!" Vermute, dass es finanziell eingegrenzt wurde - aber inwieweit, weiß ich nicht.
G: Hinterfragt.
W: Wusste nicht, dass Brandt über Geld verfügt, klang für mich logisch.

(Eckhart Querner, BR)
G: Zu Nachfrage, warum er scharfe Waffe benötige. Uwe Böhnhardt habe gesagt, er gehe nicht mehr in Haft, er würde sich lieber erschießen.
W: Bestätigt das.
G: Wurde zwischen Ihnen und Uwe Böhnhardt und anderen besprochen, welche Haftstrafen in Betracht kämen?
W: Ich hab's in Akten gelesen. Es ist gut möglich, dass darüber gesprochen wurde.
G: Auch am Telefon?
W: Ich kann's nicht ausschließen. Kann sein, dass ich Dr. E. (RA, den Beate Zschäpe kontaktierte) gefragt habe.
G: War von Zeitrahmen die Rede, in dem Waffe besorgt werden sollte?
W: Nein, nur von Waffe.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Haben Sie dann was unternommen hinsichtlich des Besorgens einer Waffe?
W: Nee. Ich hätte mit Tino Brandt sprechen müssen. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Auf der Heimfahrt ist mir dann eingefallen, dass er mindestens dreieinhalb Jahre Haft hat und dann war das für mich schon plausibel.

(Tim Aßmann, BR)
G: Mit Brandt drüber gesprochen?
W: Nein. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Ich wusste, dass der Wunsch nach der Waffe da ist, aber wusste auch, dass ich keine beschaffen will.

(Eckhart Querner, BR)
G: Wie war Situation damals: Telefonkontakt übernahm irgendwann Carsten S.?
W: Hat damals schon Telefonkontakt gehalten, weil er mit RA E. in Kontakt war.

(Tim Aßmann, BR)
G: Von Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe nochmal auf Waffen angesprochen worden?
W: Telefonisch. Ja. Ob sich da was getan hätte. Vermutlich von Böhnhardt, Standardantwort war "nein".
W: Einer der Uwes sagte halt, der soll's dann mal beim Andreas Sch. im "Madley" probieren. Ich bin definitiv nicht mit zum Sch. gegangen, kann sein dass ich gesagt habe, der soll sagen, er kommt von mir, falls da eine Nachfrage kommt.

(Eckhart Querner, BR)
G: Ist Art und Weise, wie Sie Waffe besorgen sollten, besprochen worden?
W: Nein.
G: Haben Sie diesen Punkt angesprochen?
W: Nein. Ich habe dann irgendwann gesagt, ich hätte jetzt jemanden, der sich kümmert. Irgendeinen Kakao halt.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Man kann ja nicht immer sagen: Ich habe nichts gemacht. Die fragen da schon nach.

(Zschäpe hat beide Arme auf den Tisch gestützt und hält ihre Hände so als ob sie sich die Ohren zuhält. Sehr blass. Wirkt nach der Mittagspause sehr erschöpft.)

(Eckhart Querner, BR)
G: Wie ging es weiter mit der Waffenbesorgung?
W: Carsten S. sagte mir, er habe auch den Auftrag, eine Waffe zu besorgen. Ich habe keine Erinnerung. Vielleicht habe ich gesagt: Geh zum Sch.! (rechter Szeneladen "Madley")
G: Haben Sie mit Carsten S. darüber gesprochen, dass Sie schon Kontakt wegen der Waffe hatten?
W: Ich nehme an, dass Carsten S. wusste, dass ich eine Waffe besorgen sollte.
G: Zeitliche Einordnung?
W: Kein zeitlicher Anker. Ich habe da in jedem Fall schon in Winzerla gewohnt.
G: Haben Sie Kenntnisse, wie die Waffe finanziert wurde?
W: Nein, ich hätte nur die Vermutung, wie das ablief. Uwe Böhnhardts Bitte, ich solle mich an Tino Brandt wenden. Es ging um juristischen Beistand, den Tino Brandt brauchte.

(Tim Aßmann, BR)
G: Mit Carsten S. über Finanzierung gesprochen?
W: Nein, da ist mir nix erinnerlich, weiß auch gar nicht, woher ich das Geld hätte bekommen sollen, auf dem Konto hatte ich es definitiv nicht.
G: Erkenntnisse, wie Waffe finanziert wurde?
W: Nein, könnte da nur vermuten. Und die Vermutung hab ich schon geäußert (Brandt).
G: Woher kommt die?
W: Weil Böhnhardt gesagt hat, zu Brandt gehen und weil ich hörte dass RA J. dem Brandt als Zeugenbeistand, als "Zeugenwächter", beigeordnet werden sollte.

(Eckhart Querner, BR)
G: Wieviel Zeit verging, bis Carsten S. mit der Waffe zu Ihnen kam?
W: Ganz schwer zu sagen. Ich habe da keinen Ankerpunkt.

(Tim Aßmann, BR)
G: Was haben sie über Vorgehensweise in Erinnerung von S.?
W: Kann nicht mehr sagen, hat vielleicht mal gesagt, dass er jetzt so oder soweit ist, aber ich kann das nicht mehr genau sagen, weiß, dass wir nie in meiner Wohnung darüber gesprochen haben.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
W: Nur eine Vermutung. Ich habe da kein festes Erinnern dran. Ich weiß, dass wir auf jeden Fall nie in meiner Wohnung über sowas gesprochen haben. Aufgrund der Erfahrung in der DDR, wo Leute mit einem Zweitschlüssel in die Wohnungen gegangen sind, habe ich gedacht, sowas ist auch in der BRD möglich. Und dann sind wir halt auf einer Wiese spazieren gegangen oder irgend sowas.

(Eckhart Querner, BR)
G: Gespräche mit Carsten S. - wo stattgefunden?
W: Immer außerhalb der Wohnung, auf Wiese spazierengegangen, ohne Funktelefone.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Nachfrage zu Andreas Sch.
W: Mundlos und Böhnhardt wussten nicht, dass es da eine Waffe gibt. Ich habe da keine Erinnerung dran. Ich hatte mit dem "Madley" nicht so viel zu tun. Ich habe da vielleicht ein-, zweimal was gekauft. Aufgrund dieses Telefonats: Dann soll er es beim Sch. probieren. So ein Versuch. So ein Rettungsanker. Probier's halt dort!

(Tim Aßmann, BR)
G: Wie war Situation, als er bei Ihnen eingetroffen ist (mit der Waffe)?
W: Ich weiß nicht mehr, wer das Ding ausgepackt hat, weiß nur, dass es nicht mein Arbeitszimmer war, er hat das auch völlig falsch beschrieben, dann wurde halt diese Waffe ausgepackt, war überrascht, dass da dieser Schalldämpfer dabei war, vermutlich aus der Verwunderung heraus, habe ich das dann halt mal drauf geschraubt, habe mir jetzt die Waffe auch nicht näher angeguckt, weil ich jetzt damit eh nichts hätte anfangen können.
G: Keine Handschuhe an?
W: Nee, die hätt ich dann ja erst holen müssen.
G: War das nicht wegen Fingerabdrücken?
W: Nein, ich habe die Waffe als in einem Tuch verpackt in Erinnerung und dann hätten sich die Fingerabdrücke so oder so erledigt.
G: Waffe angefasst?
W: Ich habe die Waffe angefasst, ja. Ich habe den Schalldämpfer raufgeschraubt.
G: Vorher zwischen ihnen drei (mit Böhnhardt) mal die Rede vom Schalldämpfer?
W: Nein, habe mich gewundert, dass das Ding dabei war.
G: Mit S. darüber bei der Gelegenheit gesprochen?
W: Nein. Wir haben ja in der Wohnung nicht gesprochen, habe da auch keine Erinnerung, auch im Nachgang nicht … Gab telefonisch mal die Beschwerde, dass die Waffe Schrott wäre … Kann sein, dass ich darüber mal mit Carsten gesprochen habe, aber ansonsten habe ich da keine Erinnerung.
G: Was mit "Schrott" gemeint?
W: Nein. Wahrscheinlich war gemeint, dass sie nicht funktioniert hat … Hieß dann irgendwann mal, dass das Ding nichts taugt.
G: Mal gehört, was dann aus der Waffe wurde?
W: Nein, ging davon aus, dass das Ding nach Chemnitz gebracht wurde, war für mich die logische Abfolge.
G: Irgendwann mal von Carsten S. Info, wie die Waffe bezahlt wurde?
W: Nee, ich habe da keine Erinnerung dran.
G: Nach der Situation in der Wohnung irgendwann mal mit S. darüber gesprochen, warum Schalldämpfer?
W: Nee … war jetzt nix … wie gesagt, das Ding war halt dabei.
G: Hat er mal gesagt, was er damit gemacht hat?
W: Weiß, dass er irgendwann mal erzählt hat, dass er in Chemnitz war. Werde ich schon gewusst haben, dass er da hingefahren ist.

(Eckhart Querner, BR)
G: Uwe Böhnhardt wollte die Waffe für sich, haben Sie gesagt. Gab's da auch andere Äußerungen als die in Ihrem Gespräch?
W: Keine Erinnerung.
G: Auch nicht bei letztem Gespräch?
W: Nein, da ging es nur um Tino Brandt.
G: Es geht mir nochmal um Person Holger G. Inwiefern war das Besorgen von Waffen mit Holger G. ein Thema?
W: Ich weiß nicht, woher ich das weiß. Aber nicht nur ich hatte den Auftrag, Waffe zu besorgen, sondern auch Holger G. Aber da fehlt mir wieder der Anker, um das irgendwie festzumachen.

(Tim Aßmann, BR)
G: Wann haben Sie davon erfahren?
W: Kann ich zeitlich nicht mehr festmachen, weiß ja nicht mal, von wem ich das erfahren habe. Weiß nur, dass ich über die beschaffte Waffe mit Holger gesprochen habe und darüber, dass die übers "Madley" kam.
G: Infos bei der gleichen Gelegenheit bekommen?
W: Weiß ich nicht mehr.
G: Mit G. selber über diesen Umstand gesprochen, dass er Waffe besorgen sollte?
W: Ob darüber, weiß ich nicht, aber darüber mit dem "Madley" werde ich mit Holger gesprochen haben.

(Eckhart Querner, BR)
G: Haben Sie Informationen, ob Holger G. eine Waffe besorgt hat?
W: Nein. Das Thema Waffenbesorgen war eher ein unangenehmes Thema.

(Tim Aßmann, BR)
W: Herr Vorsitzender, könnten wir dann erstmal eine kurze Pause machen?
G: Ja, das können wir machen. Pause bis halb.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
14.36 Uhr, Fortsetzung.
Erklärung RA Olaf Klemke (Verteidiger Wohlleben): Wir bitten, die Vernehmung morgen fortzusetzen, unser Mandat leidet seit der Mittagspause unter Rücken- und zunehmend unter Kopfschmerzen. Er kann sich nicht mehr so gut konzentrieren.
G: Na gut. Wenn dann für heute keine Erklärungen mehr sind, dann wird für heute unterbrochen. Morgen weiter um 9.30 Uhr.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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