NSU-Prozess


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249. Verhandlungstag, 9.12.2015 Eine sehr eigene Sicht der Dinge

Der rote Faden der Zschäpe-Erklärung - er war früh erkennbar: Schuld sind die Anderen! Diese Überschrift hätte auf dem Titelblatt der 54 Seiten stehen können, die Beate Zschäpe von ihrem Anwalt verlesen ließ - in ihrem Namen.

Von: Tim Aßmann

Stand: 09.12.2015 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

09 Dezember

Mittwoch, 09. Dezember 2015

Die Mutter, die sie vernachlässigte; der Cousin, der sie in die rechte Szene brachte; Uwe Mundlos, an den sie sich hängte; Uwe Böhnhardt, dem sie in Liebe verfallen war; Verfassungsschutz-Spitzel und Neonazi-Rädelsführer Tino Brandt, ohne den es die Radikalisierung nicht gegeben hätte. Sie alle tragen also Schuld an einer Entwicklung, die Beate Zschäpe schließlich auf die Anklagebank in München brachte, eine Entwicklung in deren Verlauf zehn Menschen starben und zahlreiche verletzt wurden. Um sie ging es auch in der Zschäpe-Erklärung. Irgendwie. Am Rande.

Eine schwache Frau?

Im Mittelpunkt aber eine Frau, die von den Taten der beiden Männer, mit denen sie zusammenlebte erst nachträglich erfuhr, die die Morde, Bombenanschläge und Überfälle ablehnte, aber zu schwach war - zu schwach, um ihre Uwes vom Morden abzuhalten und zu schwach, um sich von ihnen zu trennen. Doch dieses Bild von der fremdbestimmten Frau, es will so überhaupt nicht passen zu dem Profil von Beate Zschäpe, das sich im Verlauf der 248. Verhandlungstage vor der Erklärung herauskristallisierte.

Selbstbewusst oder Mitläuferin?

Fasst man die Zeugenaussagen über Zschäpe zusammen und nimmt noch ihr selbstbewusstes, herrisches und durchsetzungsstarkes Auftreten im Streit mit ihren drei ungeliebten Pflichtverteidigern dazu, so bleibt eben nicht der Eindruck einer Mitläuferin, sondern der einer durchaus selbstbestimmten Person. Das Gericht wird sich entscheiden müssen - zwischen dem Bild, das Zschäpe von sich selbst zeichnet und dem, das zuvor in der Beweisaufnahme entstand. Für die Entscheidungsfindung wird wichtig, wie die Hauptangeklagte mit den anstehenden Fragen umgeht. Dass sie sie nur sehr eingeschränkt beantworten will, wird ihre Glaubwürdigkeit nicht erhöhen. Für Aufklärung gesorgt hat Beate Zschäpe in ihrer Erklärung nur begrenzt.

Für die Opferangehörigen enttäuschend

Vor allem die Bundesanwaltschaft dürfte sich bestätigt sehen: Hat Zschäpe doch verlesen lassen, dass Mundlos und Böhnhardt tatsächlich, wie von den Ermittlern angenommen, die Morde, Anschläge und Überfälle begingen. Für die Nebenkläger verlief die Erklärung enttäuschend. Zschäpe machte keine Angaben dazu, wie der NSU seine Opfer auswählte, ob es weitere Unterstützer gab. Überhaupt: Bis auf den Verfassungsschutz-Informanten Tino Brandt und den teilgeständigen Mitangeklagten Holger G. schonte Zschäpe die Ex-Kameraden. Bei den Opfern und den Opferangehörigen entschuldigte sich Zschäpe für die von den Uwes begangenen Taten - eine deutliche Distanzierung also. Wie gesagt: Schuld sind immer die anderen.


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