NSU-Prozess


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228. Verhandlungstag, 16.09.2015 Die Mühlen mahlen langsam aber gründlich

Von: Oliver Bendixen

Stand: 16.09.2015 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

16 September

Mittwoch, 16. September 2015

"Wir sehen uns dann am 7. Oktober wieder." – Mit dieser Ankündigung, die der Zeuge eher als Drohung auffassen dürfte, verabschiedete der Senatsvorsitzende am Nachmittag den 38-jährigen Betonbauer. Der war heute der bereits fünften Vorladung zum NSU-Prozess endlich gefolgt und versuchte sich mit Erinnerungslücken und Floskeln – etwa: "wie schon gesagt" – durch die fünf Stunden dauernde Vernehmung zu winden. Konkret ging es um die Anfänge der Kameradschaft Jena, aus der sich dann der Thüringer Heimatschutz entwickelte - die Keimzelle der terroristischen Vereinigung NSU. Mit dabei Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und der in München mit auf der Anklagebank sitzende Ralf Wohlleben. Allesamt Jugendfreunde des Zeugen.

Extrem - egal in welche Richtung

Der einstige Sänger der Neonaziband "Vergeltung" mochte seine politischen Motive dem Gericht nicht so recht verraten. Mundlos schilderte er als den Nachdenklicheren der beiden Uwes, Böhnhardt als den Radikalen. Wörtlich sagte er: “ Wären wir links gewesen, dann wäre der ein Linksterrorist geworden!“ Dem habe er - so der Zeuge weiter - auch die Morde zugetraut, als er nach der Aufdeckung des NSU von den Taten der Rechtsterroristen erfuhr. Wenn es Probleme gab, sei Böhnhardt immer "wie eine Rakete" losgegangen. Uwe Mundlos sei dagegen ein eher rationaler Nationalist gewesen. Und die Frau zwischen den beiden Uwes - Beate Zschäpe?

Die kannte der Zeuge schon seit Kindertagen in Jena und rutschte wie sie nach und nach ins rechte Milieu Thüringens. Eine willenlose Begleiterin der beiden Uwes war sie nach seiner Einschätzung nicht:

"Die hat sich schon gemeldet, wenn ihr was nicht gepasst hat."

Bekannter des NSU-Trios und Zeuge im Prozess

Für den Senat sind solche Beabachtungen wichtig. Schließlich geht es im NSU-Verfahren darum , in welchem Unfang Beate Zschäpe die Gewaltaktionen der Gruppe gekannt oder unter Umständen auch mitgesteuert hat. Über diese Zeit vermag der Zeuge aber nicht Auskunft zu geben. Da war der Betonbauer mit der Vorliebe für weiche Formulierungen schon draußen aus der organisierten rechte Szene. Schon dem Thüringer Heimatschutz wollte er nicht beitreten: "Das war mir alles zu ordentlich - mit dem Alkoholverbot bei Versammlungen und mit der Pünktlichkeit." Der lässige Umgang mit den ersten vier Vorladungen zum Prozess lässt darauf schließen, dass der Zeuge hier die Wahrheit - und nichts als die Wahrheit - gesagt hat.


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