NSU-Prozess


6

227. Verhandlungstag, 15.09.2015 Langsam scheint die Geduld am Ende

Nach 227 Verhandlungstagen wirken viele Prozessbeteiligte etwas erschöpft und in Streitlaune – die vermeintlich letzte Phase im NSU-Prozess verspricht sehr anstrengend zu werden.

Von: Julian von Löwis

Stand: 15.09.2015 | Archiv

BR-Reporter Julian von Löwis | Bild: Bayerischer Rundfunk

15 September

Dienstag, 15. September 2015

Rechnet man alles zusammen, dann haben Senat, Verteidigung, Bundesanwaltschaft und Nebenklage heute fast zwei Stunden damit verbracht, über die Zulässigkeit bestimmter Fragen an den Zeugen zu streiten. Es gab Unterbrechungen für Gerichtsbeschlüsse und lange Diskussionen. Vor allem Verteidiger Wolfgang Stahl hielt immer wieder Grundsatzvorträge darüber, was Gegenstand der Beweisaufnahme des Verfahrens sei und was nicht und beanstandete einige Fragen von Nebenklage-Vertretern. Auch Richter Götzl zürnte zwischenzeitig spürbar  genervt darauf los und lieferte sich das ein oder andere Wortgefecht mit Vertretern der Nebenklage.

Immer knapp neben der Anklagebank: Die Ermittler

Der heutige Zeuge: ein ehemaliger Betreuer eines V-Mannes des Thüringer Verfassungsschutzes. Der Einsatz von Mitgliedern der rechten Szene als Spitzel für den Verfassungsschutz, mit teilweise beträchtlichen finanziellen Entlohnungen, ist im NSU-Prozess ein besonders heikles Thema, gar ein Nährboden für einen immer wieder geführten Grundsatzstreit: Die Nebenkläger wollen die Rolle des Verfassungsschutzes zum Thema der Verhandlung machen und darüber hinaus weitere Erkenntnisse über den möglichen Unterstützerkreis des NSU-Trios gewinnen. Juristisch ist das aber nicht ganz korrekt. Richter Götzl erklärte heute drei Fragen, die in diese Richtung deuteten, als unzulässig.

  • Bundesanwalt Herbert Diemer fasste es so zusammen: Es gehe hier um die Frage der Mittäterschaft beziehungsweise der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und um die Schuld der fünf Angeklagten - man betreibe aber kein Ermittlungsverfahren.
  • Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin argumentiert dagegen: Man wolle Erkenntnisse  gewinnen, damit mögliche weitere Zeugen geladen werden könnten, um die in der Anklage vorgeworfen Taten aufzuklären.

Aufklärung versus Prozessdisziplin

Es ist ein schmaler Grat. Auf der einen Seite signalisiert der Senat durch die Zulassung bestimmter Zeugen, dass die damaligen Ermittlungen eine wichtige Rolle im Prozess spielen. Das ist das Gericht den Angehörigen der Opfer in gewisser Weise schuldig, denn in ihren Augen haben die Behörden bei der Aufklärung des rechten Terrors auf ganzer Linie versagt. Doch auf der anderen Seite muss das Verfahren auch mal zu einem Ende - sprich: zu einem Urteil - kommen. Und dafür gibt es nun einmal juristische Spielregeln.

Ein Grundsatzstreit, der diesen Prozess, wie lange auch immer er noch gehen mag, wohl überdauern wird.


6