NSU-Prozess


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195. Verhandlungstag, 25.03.2015 Die Raubzüge des Terrortrios

Der NSU hat nicht nur gemordet und Sprengstoffattentate verübt: Um an Geld zu kommen, soll das Terrortrio 15 Raubüberfälle begannen haben - und dabei äußerst brutal vorgegangen sein. Für die Anklage steht fest: Zschäpe wollte die Taten.

Von: Tim Assmann

Stand: 19.03.2015 | Archiv

Die Angeklagte Beate Zschäpe im Oberlandesgericht in München (Bayern). | Bild: picture-alliance/dpa

7. September 2011. Viertel vor neun morgens. Gundula F. hat ihren Dienst in der Sparkassenfiliale im thüringischen Arnstadt gerade begonnen, als zwei maskierte Männer herein stürmen und die Beschäftigten mit Pistolen und Revolvern bedrohen.

"Überfall! Alle hinlegen", wird gebrüllt. Hinten in der Filiale drückt jemand in diesem Moment den Alarmknopf. Gundula F. liegt am Boden als einer der Täter völlig unvermittelt mit einem Telefon auf sie einprügelt – weil eine Kollegin die Tür zur Kasse nicht gleich öffnet.

Psychische Narben sind geblieben

Am Ende fliehen die Räuber mit dem Kasseninhalt von rund 15.000 Euro, an das Geld im Tresorraum kommen sie nicht, das verhindert ein Zeitschloss. Gundula F. erleidet eine Kopfplatzwunde, muss zwei Tage ins Krankenhaus. Geblieben sind ihr bis heute aber psychische Narben.

Eine Geschäftsstelle konnte die Sparkassenangestellte lange nicht mehr betreten. Durch die Aussage im Prozess komme nun alles wieder hoch, sagt Gundula F. im Zeugenstand. Die beiden Männer, die die Sparkasse in Arnstadt damals überfielen waren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Da ist sich Bundesanwalt Herbert Diemer sicher.

Reine "Logistik-Straftaten"

"Wir gehen in der Anklage davon aus, dass die terroristische Vereinigung insgesamt 15 Banküberfälle begangen hat. Das waren Taten, die sie zur Lebensunterhaltung benötigten. Keine ideologischen Taten, sondern reine Logistik-Straftaten."

Herbert Diemer, Bundesanwalt

Die Serie begann nach Ansicht der Ermittler 1998 in Chemnitz mit dem Überfall auf einen Supermarkt und endete im November 2011 in Eisenach, wo Mundlos und Böhnhardt kurz nach einem Überfall von der Polizei gestellt wurden und sich nach Ansicht der Ermittler das Leben nahmen.

Täter gingen äußerst brutal vor

Dazwischen raubten beide Männer immer wieder vor allem Sparkassen und Postfilialen im Osten der Republik aus – hauptsächlich in Chemnitz und Zwickau also den zwei Städten in denen das Trio aus Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach seinem Abtauchen Anfang 1998 lebte.

Die Täter gingen teils äußerst brutal vor, schlugen bei den Raubzügen Kunden und Angestellte mit Waffen, Telefonen oder Ventilatoren und eröffneten das Feuer auf einen Jugendlichen, der sie nach einem der Überfälle verfolgte. Bei einem Raubzug den Böhnhardt alleine begangen haben soll, wurde einem Sparkassenangestellten in den Bauch geschossen.

600.000 Euro Beute

Im ausgebrannten Wohnmobil von Mundlos und Böhnhardt in Eisenach fanden die Ermittler ebenso Beweise für die Beteiligung an den Raubüberfällen wie auch in der letzten Wohnung des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße. Die Beute von insgesamt rund 600.000 Euro diente dazu, das Leben im Untergrund zu finanzieren, sagt Bundesanwalt Diemer. Er ist überzeugt: Beate Zschäpe wollte die Taten.

"Wir haben keine Erkenntnisse, dass Frau Zschäpe vor Ort mit dabei war, aber wir wissen, sie war auf das Geld genauso angewiesen wie Böhnhardt und Mundlos. Sie hat das Geld mit verbraucht und vor Allem: Sie hat die Finanzen verwaltet und hat auch die gemeinsamen Ausgaben davon bestritten."

Herbert Diemer, Bundesanwalt

Lassen sich die Raubüberfälle der Hauptangeklagten also zweifelsfrei zuordnen? Nein sagt Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer. Er kann die Argumentation der Bundesanwaltschaft nicht nachvollziehen.

"Wir sind da gänzlich anderer Auffassung und sind nochmals bestärkt worden in unserer Auffassung, dass eine Zuordnung nicht möglich ist und auch keine Verwaltung einer Tatbeute vorliegt."

Wolfgang Heer, Verteidiger

Welche Rolle spielte André E.?

In den nächsten Wochen will das Gericht nun Zeugen zu weiteren Raubüberfällen hören, die dem NSU zugeordnet werden. Thema wird dann auch eine mögliche Tatbeteiligung des Angeklagten André E. sein. Für zwei der Überfälle wurden Wohnmobile genutzt, die auf seinen Namen angemietet worden waren.

Mit den Raubüberfällen hat im NSU-Prozess nun die Beweisaufnahme zum letzten großen Tatkomplex begonnen. Nach fast zwei Jahren Verhandlung biegt der Prozess damit in die Zielgerade ein, die aber wohl sehr lang sein wird.

Gericht streicht Prozesstermine wegen Zschäpes Gesundheitsproblemen

Es gibt noch viele lose Enden in der Beweisaufnahme. So werden beispielsweise wohl auch noch weitere Zeugen zum Mord in Kassel vernommen, bei dem ein Verfassungsschützer am Tatort war und sich nicht bei der Polizei meldete.

Wie lange der NSU-Prozess noch dauert, hängt auch vom Gesundheitszustand der Hauptangeklagten ab. Aus Rücksicht auf die Verfassung von Zschäpe wird aktuell nur an zwei statt an drei Tagen pro Woche verhandelt. Diesen Modus wird das Gericht möglicherweise auch noch nach der Osterpause Mitte April bei behalten.


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