NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 194. Verhandlungstag, 19.3.2015

Heute werden zunächst zwei Zeuginnen aus der Polenzstraße in Zwickau angehört, beide einstige Nachbarinnen von Beate Zschäpe, die in dieser Wohnung mit Mundlos und Böhnhardt lebte. Zuletzt sagt der Szenezeuge Enrico P. über das NSU-Trio aus.

Von: Oliver Bendixen, Eckhart Querner

Stand: 19.03.2015 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Die erste Zeugin schildert, dass Zschäpe freundlich auftrat, eine normale Hausfrau war und sehr an ihren Katzen hing. Auch über das Beziehungsgeflecht des Trios kann sie berichten, zum Beispiel dass Mundlos das Sagen hatte. Er verbot Fremden den Zutritt in die Wohnung sowie türkisches Essen. Zschäpe habe ihr auch berichtet, dass sie unfreiwillig Geschlechtsverkehr mit den beiden Männern gehabt habe, schildert die Zeugin. Die zweite Nachbarin kannte Zschäpe nicht so eng, war aber einmal in deren Wohnung. Enrico P. sagt, er habe das Trio bei Rechtsrock-Konzerten kennengelernt. Er berichtet unter anderem, dass Mundlos und Böhnhardt in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald wegen rechter Kleidung einen Platzverweis bekommen haben.

Zeugen:

  • Sindy H. (Hausbewohnerin Polenzstraße)
  • Isabell S. (Hausbewohnerin Polenzstraße)
  • Enrico P. (Erkenntnisse zum Angeklagten Ralf Wohlleben)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Oliver Bendixen, BR)
9.45 Uhr.
Jetzt alle da, Zschäpe fröhlich, lächelt, heute in beige.

(Eckhart Querner, BR)
Zeugin Sindy H., 31Jahre alt, selbständig, tätig im Reinigungsbereich.
Richter Manfred Götzl: Zu Kontakten zu Mitbewohnern Polenzstraße Zwickau:
H: 2008 in Polenzstraße, hatte gerade entbunden. Viele Kontakte zu Bewohnern im Haus, in Garten eingeladen. Mit zwei Familien engere Kontakte.

Götzl: Kontakt zu Zschäpe?
H: Hat ab und zu aus Fenster geguckt, hat man ab und zu geredet. War nicht in Wohnung, kein Austausch von Telefonnummern. Nur Gespräche. Pro Woche zwei, drei, vier Mal. Wohnung Dienelt (Wohnung des Trios) war ganz unten rechts (von Hofeingang aus gesehen). Links war Lohnsteuerhilfebüro drin.
H: Meistens alleine drin gewohnt. Ihr Freund kam von Montage zurück, hat sich aufs Essen gefreut. Sie hatte zwei Katzen.
G: Wer hatte zu Frau Dienelt (Zschäpe) noch Kontakte? Welche Beobachtungen?
H: Ihr Freund kam ab und an. Und dessen Bruder. Er hat sich bei mir als sein Bruder vorgestellt.
G: Ab und an, ab und zu - in Hinblick auf Freund und Bruder. Wie oft gesehen?
H: Weiß nicht, wie lange seine Montagearbeiten angedauert haben - kann ich schlecht beurteilen. Waren schon Wochen dazwischen.
G: Auf wen bezieht sich das mit den Montagearbeiten?
H: Auf den Freund. Er hat es mir selber bestätigt, Liesel (Zschäpe) hat es mir auch erzählt.
G: Was war mit Montagearbeiten gemeint?
H: Ich glaube, das war auf dem Bau.
G: Ist das eine Vermutung von Ihnen oder hat Ihnen das jemand gesagt?
H: Nein.
G: Erster Kontakt?
H: Freundlich, aufgeschlossen. Hat öfter mal Ratschläge gegeben, Frauenthemen. War immer ordentlich angezogen. Hat ihre Hausarbeit erledigt. Angenehme Nachbarin. Was will man da erzählen?
G: Wie vorgestellt?
H: Mit Lisa Dienelt. Hat sich mit Vornamen vorgestellt.
G: Haben Sie mit Frau Dienelt darüber gesprochen, welchen Beruf sie hat?
H: Irgendwann hat sie erzählt, dadurch, dass ihr Freund so viel verdient, kann sie zu Hause bleiben. Bezog Arbeitslosenhilfe.
G: Hat sie das erzählt?
H: Ja.
G: Haben Sie denn weitere Personen mit Bezug zu dieser Wohnung festgestellt - Besuch?
H: Nein.
G: Haben Sie sich mit Frau Dienelt über weitere Personen unterhalten?
H: Nur die im Haus betreffend.

G: Was können Sie uns über den Freund sagen?
H: Groß, kurze Haare, gut gebaut, man konnte sich vorstellen, dass er auf dem Bau gearbeitet hat. Hatte einen Pkw-Kombi, einmal kam er auch mit einem Caravan. War freundlich mir gegenüber, half, Einkäufe hochtragen, das ging schlecht mit der Baby-Schale. Ist dann aber schnell wieder runter.
G: Hat denn dieser Freund dort gewohnt?
H: Ich denke mal schon. Eine andere Wohnung wird er nicht angemeldet haben.
G: Zu Bruder: Wessen Bruder war das?
H: Habe ihn auf Fotos nicht wiedererkannt. Bruder vom Freund.
G: Können Sie ihn uns beschreiben, was wissen Sie über ihn?
H: War bisschen kleiner, Bomberjacke, Jeans, Hänfling, hat nicht reingepasst in die Hose, ist dann gleich verschwunden [in Wohnung]. Was hätte er auch mit mir reden sollen? Stellt sich ja nicht immer gleich vor.
G: Haben Sie mit Frau Dienelt selbst über Bruder gesprochen?
H: Nein. Einmal gings schon um ihn.
G: Inwiefern?
H: Es ging darum, dass ich allein sei, dass es unfreiwillig mit beiden Männern zu Geschlechtsverkehr kam, dass beide wollten.
G: Wie meinen Sie das: "Sie hat erwähnt"?
H: Sie war beschämt und hat nicht mehr drüber gesprochen.
G: Was meinen Sie mit "beschämt"?
H: Sie wurde leiser und hat nach unten geschaut. Hat es schon bereut, als sie es gesagt hatte.
G: Können Sie sich an BKA-Vernehmung erinnern? Darin erzählen Sie: "Sie bestätigte das mit Blicken". Sie sprechen heute von Äußerungen, dass sie das Bereuen ausgesprochen hätte. Haben Sie mit ihr darüber gesprochen?
H: Das waren keine Interpretationen. Es war ersichtlich, dass es so ist.
G: Was heißt das?
H: Dass sie mir zu verstehen gegeben hat, dass es so sei. Sie hat nicht definitiv gesagt, dass sie mit beiden (spricht es nicht aus). Wurde leiser.
G: Was meinen Sie damit?
H: Es ist mir unangenehm das Thema. Irgendwann hat sie es gesagt, dann sich geschämt, nach unten geschaut, dann schnell das Thema gewechselt.
G: Haben Sie sich denn mit Frau Zschäpe, Frau Dienelt, unterhalten, welche Beziehung sie zu ihrem Freund hatte?
H: Nein. Kennen sich halt schon lange.
G: War die Rede davon, woher sie sich kennen?
H: Nein.

G: Wie lange wohnte Frau Dienelt dort? Mal darüber gesprochen, wie lange sie dort schon wohnte?
H: Nein, wohnte schon dort, als ich kam. Zog vor mir aus.
H: Haben während meiner Schwangerschaft mal über schlimme Mädchennamen geredet. Sie hat "Beate" genannt als schlimmen Namen. Ich habe gesagt, Du heißt ja Lisa, das ist ein schöner Name.
G: Hat sich der Freund mit Namen vorgestellt?
H: Ne.
G: Und Bruder?
H: Nein.
G: Waren Sie mal bei ihr in der Wohnung gewesen?
H: Nein.
G: Wann hatten Sie denn jetzt zu Frau Dienelt den letzten Kontakt?
H: Das war 2008. Das war als mein Sohn schon da war. In der Stadt getroffen. Wir haben ein bisschen geschwätzt. Sie hat nur erzählt, dass sie jetzt da in der Nähe von dem Platz der Völkerfreundschaft wohnt.
G: Hatten Sie Adresse, Telefonnummer?
H: Nein. Ich hatte ihr nur ein paarmal meine Nummer gegeben, sie könne bei mir anrufen. Aber sie hat nicht angerufen.
G: Zeitliche Einordnung des Auszugs?
H: Nein (nicht möglich).
G: Stimmen die Daten Ihrer Ummeldung?
H: Ja. Ich bin 14 Mal umgezogen, ich kann mir das nicht so merken.

G: Wie sah Frau Dienelt früher aus?
H: Sie sah gesünder aus als heute. Immer ordentlich angezogen, auf ihr Äußeres geachtet.
G: Sonst irgendwas aufgefallen? Trug sie eine Brille?
H: Bin mir nicht so ganz sicher.
G: Zu Erzählungen über einen Banküberfall?
H: Ich war mit dem Kleinen im Hof, sie kam dazu und hat gefragt: "Hey, hast Du gehört? Da war ein Banküberfall."
G: Und weiter?
H: Nichts weiter. Das Gespräch ging dann in einer anderen Richtung weiter. Ich hätte nie den Mut, eine Bank auszurauben. Aber es ging um Nachbarn mit gehbehinderter Tochter. Spezialstuhl sehr preisintensiv. In dem Zusammenhang habe ich zu Zschäpe gesagt: Bei finanziellem Engpass wäre das nachvollziehbar, auch wenn ich es nicht in Ordnung finde. Ich habe erst bei Vernehmung auf dem Revier in Gera erfahren, dass die zwei eine Bank ausgeraubt haben.
G: Haben Sie Berichterstattung verfolgt (über NSU-Trio)?
H: Am Anfang sehr intensiv, über "Bild"-Zeitung. Später nicht mehr.
G: Können Sie mir schildern, als Sie erste Veröffentlichungen wahrgenommen haben, welche Überlegungen Sie angestellt haben?
H: Erstmal war ich baff, dass ich sie mit einem solchen Thema in der Zeitung sehe. Ich war zunächst sprachlos.
G: Was haben Sie in den Medien wahrgenommen?
H: Ich habe den Ausschnitt nicht mehr, aber in der "Bild" war sie auf der Titelseite, irgendwas mit Terrorzelle.
G: Haben Sie Bilder gesehen, die Sie zuordnen konnten?
H: Habe zu meiner Bäckerin gesagt: "Guck, das ist meine Nachbarin, das gibt's doch nicht."

Pause bis 11.15 Uhr.

Fortsetzung 11.24 Uhr.
G: Ist über Urlaub nur einmal gesprochen worden?
H: Ich dachte, sie wären mit dem Caravan zu dritt unterwegs gewesen. Ist bequemer als Hotelzimmer.
G: Vorhalt aus polizeilicher Vernehmung der Zeugin: "Caravan wollten sie für gemeinsamen Urlaub nutzen." Gespräche über Kombi?
H: Der war schon ziemlich alt. Farbe rot oder weinrot.
G: Vorhalt: "Der Freund kam manchmal mit einem Kombi. Farbe dunkel."
H: Sie hatte ja kein Auto. Also muss er ja damit unterwegs gewesen sein. Wenn sie zu dritt waren, hatten sie Caravan. Ich habe angenommen, dass der Kombi für die Montage, für ihn, war.
G: zum Freund. Vorhalt: "Der Freund war immer wortkarg. Lisa machte Späße: Wenn sie alleine waren, würde er viel reden." Ist der Satz zutreffend?
H: Ja.
G: Haben Sie etwas über frühere Aufenthaltsorte von Frau Dienelt (Zschäpe) erfahren?
H: Hat wohl in Jena und Chemnitz gewohnt, dann nach Zwickau gezogen.
G: Wo da gewohnt, was gemacht?
H: Nichts erzählt. Unsicher, ob das Chemnitz war.
G: Sonstige Aufenthalte?
H: Nein.
G: In Vernehmung ging es auch um Untertauchen?
H: Das habe ich so gesagt. Sie hat das danach bereut.
G: Hält vor: "Sie hatte Angst vor ihrem Freund. Er hat sie in eine bestimmte Richtung gedrängt."
H: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sie damit nichts zu tun hatte. Dass er der Drahtzieher war. Sie durfte ja noch nicht mal zum Döner-Holen gehen. Das wollte, durfte sie aber nicht. Er wollte das nicht. Sie hat das trotzdem gemacht. Einmal kam sie mit Döner zurück und hat gesagt: "Ich hatte jetzt so einen Kohldampf, ich hab mir einen geholt." Ihr Freund wollte auch nicht, dass sie ihre Telefon-Nummer herausgab. Habe das nicht verstanden, wir waren doch Nachbarn. Auch sollte niemand in ihre Wohnung gelassen werden. Lisa hatte Bedarf, mal jeden einzuladen. Aber wegen ihrem Freund durfte sie das nicht. Sie sagte: "Bevor ich jetzt wieder Stress kriege (von ihrem Freund), lasse ich das." Man hat schon gemerkt, dass das nicht von ihr kam (die Verbote).
G: Woran hat man das gemerkt?
H: Wie sie sich so gegeben hat. Im Gespräch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei ihr nicht aufgeräumt gewesen wäre, also war das nur ein Vorwand (jemanden nicht in ihre Wohnung zu lassen, einzuladen).
G: Hält vor: "Sie kam mir wie ein naives Kind vor, sie hätte am liebsten bei ihrem Freund nachgefragt."
H: Das wirkte nur manchmal so. Sonst wirkte sie wie eine taffe Frau.
G: Ist mal angesprochen worden, dass Sie keine Telefonnummer von ihr hatten?
H: Ja. Wenn Familien mit Kindern Hilfe brauchten, hatten wir (gegenseitig, in der Nachbarschaft) die Nummern. Bei Zschäpe habe ich mal nachgefragt, ob sie mir ihre Nummer gibt, aber ihr Freund wollte das nicht.
G: Gab es eine Begründung dafür?
H: Nee. Ihr Privatleben blieb verschlossen. Hat (nur) über Haushalt und über Katzen erzählt.
G: Haben Sie bei Vernehmung Lichtbilder vorgelegt bekommen?
H: Ja. Ich habe Lisa erkannt, und ihren Freund.
G: Kommen Sie bitte mal nach vorne! (Zeigt besagte Lichtbilder.) Kennen Sie diese Lichtbilder?
H: Es waren viele Lichtbilder an dem Tag (der Vernehmung). Nur zweites Foto sagt mir was (Mundlos).
G: Mittagspause bis 13 Uhr.

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 13.05 Uhr.
Zeugin H. identifiziert nun auf weiteren Lichtbildern Beate Zschäpe.

RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe): Stichwort: "Zu Frau Dienelt in die Wohnung kommen." Gab's da mal was mit Katzen?
H: Haben mal am Fenster gesessen.
S: Hatte Frau Dienelt Sorgen, dass die Katzen weglaufen?
H: Weiß ich nicht.
S: Klingelschild: Name und Vorname? Erinnerung?
H: Schon oft gefragt worden. Keine Erinnerung. Kann sein, dass auch L. Dienelt draufstand.
S: Danke.

RA Antonia von der Behrens (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Mehmet Kubasik): Kennen Sie Schank- und Speisewirtschaft "Schmitz" in der Polenzstraße?
H: Sagt mir nichts.

13.12 Uhr: Ende der Befragung der Zeugin H.

Erklärung von der Behrens zu vorausgegangener Befragung: Zeugin hat Anklage bestätigt, dass sie (Zschäpe) für Legendierung zuständig war. War extrem unauffällig. Was neu ist heute, dass die Zeugin angegeben hat, dass in Situationen, die sozial adäquat gewesen wären, jemanden in die Wohnung zu lassen, dass Zschäpe sich dann abhängig von Männern gegeben hat. Nur so konnte sie (Zschäpe) aus der Situation herauskommen und glaubwürdig bleiben.

13.15 Uhr.
Zeugin Isabell S., 28 Jahre alt, z. Zt. arbeitslos, Kinderpflegerin aus Zwickau.
Götzl: Es geht uns um die Polenzstraße. Sie haben dort gewohnt. Hatten Sie Kontakt mit Personen aus der Polenzstraße 2, und wenn ja, mit wem?
S: Befreundet mit Frau F. (Katrin F.).  Auch mit Frau K. (Heike K.) hatte ich in der Polenzstraße Kontakt. Mit den anderen gar nicht.
G: Vielleicht erzählen Sie uns, wo Sie selbst gewohnt haben.
S: In der Polenzstraße 8, von 2005 bis 2007.
G: Was können Sie zur Polenzstraße sagen?
S: Da war Frau Zschäpe. Die war immer sehr nett, da kann man nichts dagegen sagen. Man hat sich in der Stadt getroffen, oder im Hof, beim Wäscheaufhängen.
G: Haben Sie sie damals unter dem Namen Zschäpe kennengelernt?
S: Nein. Ich kannte sie unter dem Namen Lisa. Man hat sich nur gegrüßt. Mein Mann war der Hausmeister. Es gab kaum Kontakt. Sie hat uns gelobt, z. B. weil mein Mann den Winterdienst machte.
G: Hatte Frau Zschäpe alleine gewohnt?
S: Es waren zwei Männer dort, aber ob die dort gewohnt haben oder sich da nur aufgehalten haben, weiß ich nicht. Waren selten da, haben nur gegrüßt. Waren sehr gepflegt, wie Frau Zschäpe auch.
G: Statur, Haare, Größe?
S: Haare hatten sie sehr kurz, manchmal Glatze.
G: Wie groß?
S: Keine Ahnung.
G: Sonstige Erinnerungen an die Männer?
S: Vielleicht, dass sie sehr viel weg waren.
G: Bei welchen Gelegenheiten haben Sie sie gesehen?
S: Wenn sie ihr Wohnmobil aufbereitet, geputzt haben.
G: Was lässt sich dazu sagen, zum Wohnmobil?
S: Stand halt ab und zu in der Polenzstraße.
G: Was heißt das?
S: Wenn sie halt mal da waren (kichert). Manchmal stand er da zwei, drei Wochen, dann war er wieder weg (das Wohnmobil).
G: Sind Ihnen Namen der Männer bekannt geworden?
S: Nein.
G: Haben Sie sich mit Lisa mal über die Männer unterhalten?
S: Nein.
G: Waren Sie mal in Lisas Wohnung?
S: Einmal. Lisa war lange verreist. Danach kam ich wegen einem Wasserschaden, den sie mir gezeigt hat. War im Bad und in der Küche. Das waren nicht mehr als 5 Minuten.
G: Sonst noch jemand zugegen?
S: Nein.
G: Wurde darüber gesprochen, wo sie im Urlaub war?
S: Nein.
G: Haben Sie sonstige Gespräche mit Lisa in Erinnerung? Wurde da etwas gesprochen, haben Sie noch Informationen?
S: Man hat sich nur kurz gesprochen: "Was machen die Kinder?" Mehr war da nicht.
G: Dieser Wasserschaden, von dem Sie gesprochen haben?
S: Das ganze Bad war verschimmelt, weil sie so lange weg gewesen war.
G: Wurde Schaden behoben?
S: Ja.
G: Können Sie zu Lisas Kontakten etwas sagen?
S: Ist mir nichts aufgefallen.

G: Wie lange blieb Lisa in der Wohnung?
S: Lisa ist eher ausgezogen als wir. Das müsste 2006 gewesen sein.
G: Wissen Sie, wohin sie gezogen ist?
S: Sie sagte, sie zog nach Belwitz (?), aber das war ja dann nicht so.
G: Hatten Sie Telefonnummer?
S: Nein.
G: Ist Lisa der einzige Name, der da gefallen ist?
S: Lisa war der einzige Name.
G: Sagt Ihnen Sindy etwas?
S: Ja. Die hat mal im Haus gewohnt. Ganz oben.
G: Zu beiden Männern?
S: Es sollen Brüder gewesen sein. Weiß ich von Frau Zschäpe … Lisa. Bruder ist viel unterwegs. Lisa hat gesagt, die Männer sind viel auf Montage. Sie war eine ganz normale Hausfrau, hat gewaschen, gebacken, gekocht.
G: Ist mal über Finanzen geredet worden?
S: Männer haben halt gut verdient, da musste sie nicht arbeiten.
G: Können Sie sich an Namen an Briefkasten erinnern?
S: Nein.
G: Können Sie sich an BKA-Vernehmung erinnern?
S: Das war 2011. (Kichert wieder.)
G: 22. Dezember 2011. Da ging es um zeitliche Einordnung. "Wir sind circa 2006 in die Polenzstraße 8 eingezogen und 2008 ausgezogen."
S: Haben 2008 definitiv schon im Heckenweg gewohnt.
G: Vorhalt: zu EG-Wohnung: "Ich habe den Mann nie gesehen. Der Bruder war viel zu Besuch. Ich habe ihn zwei- bis dreimal gesehen. Die Frau hieß Sindy."
S: Ne, Lisa!
G: Sagt Ihnen der Name Susann was?
S: Nein.
G: Wie sah Zschäpe aus?
S: Schwarze gelockte Haare, mal offen, mal zu.
G: Hatte sie eine Brille?
S: Keine Erinnerung.
G: "Ihr Freund war circa 1,80 Meter groß, schlank."
S: Mein Freund?
G: Nein, ihr Freund.
S: Keine Erinnerung.
G: Wie war denn das Verhältnis jetzt von der Lisa zu den anderen Mitbewohnern?
S: Als wir noch da wohnten, war es so: "Hallo, guten Tag." Als wir ausgezogen waren, kam es mir vor, als wäre das Verhältnis enger.
G: Haben Sie Erinnerung an Kellerräume?
S: Mein Mann war dort mal im Heizungskeller.
G: Vorhalt: "Wussten Sie, welcher Tätigkeit die Personen nachgingen? Antwort: Die Frau sagte, ihr Freund verdiene genug, dass sie nicht auf den Staat angewiesen sei."
S: Ja.
G: Vorhalt: "Ihr Freund ist sonntags mal weg, hatte eine Reisetasche in der Hand."
S: Sagt mir nichts.
G: Vorhalt: "Haben Sie regelmäßig Freunde bemerkt? Antwort: Ja, da kamen mal welche, z. B. eine Frau mit Kind."
S: Da war mal was mit Frau mit Kind. Ich weiß aber nicht, ob die da hingingen.
G: Können Sie was zu Katzen sagen?
S: Die waren wie ihre Kinder. Die hing halt sehr an ihren Katzen. Einmal war eine weggelaufen, da hat sie einen großen Finderlohn ausgesetzt.
G: Mal über Kinder gesprochen?
S: Als ich frisch entbunden hatte, sagte sie mal, sie hätte auch gerne Kinder, aber es ginge nicht. Deshalb habe sie die Katzen.

RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe): In Vernehmung steht: "Die waren viel unterwegs."
S: Die zwei Männer waren sehr oft unterwegs.
Stahl: Zusammen?
S: Wenn das Wohnmobil nicht da stand, waren die Männer auch nicht da.
Stahl: Sie sagten, den Mann, der nicht ihr Freund war, hätten Sie nur zweimal gesehen. Wie bringen Sie das in Einklang?
S: Kann mich nicht mehr so genau daran erinnern.
Stahl: Im Verhältnis zum Freund von Lisa: Wie häufig haben Sie Lisa gesehen?
S: Die Lisa habe ich schon häufig gesehen. Oft!
Stahl: Was heißt das?
S: Jeden zweiten Tag.
Stahl: Und ihren Freund?
S: Selten. Nicht so oft wie Lisa. vier, fünf Mal.
Stahl: In welchem Zeitraum?
S: Kann ich nicht sagen.
Stahl: Und seinen Bruder? Zweimal?
S: Ja.
Stahl: Frage aus Vernehmung: "Wann sind die Personen [Lisa und Männer] ausgezogen und aus welchem Grund?"
S: Aus welchem Grund weiß ich nicht. 2007.

RA Seda Basay (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Enver Simsek): Erinnern Sie sich, dass Sie wegen eines Diebstahls in der Polenzstraße von der Polizei vernommen worden sind?
S: Nein.
B: Vorhalt: Zeugenvernehmung Isabell S. am 26.2.2007. Aktenvermerk. Haben Sie noch eine Erinnerung?
S: Nein.

RA Yavuz Narin (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Theodoros Boulgarides): Sie haben angegeben, sie wollten nach Böllwitz/Bellwitz (?) ziehen.
S: Wir saßen da im Hof, und da hat die Lisa gesagt, dass sie umziehen.
N: Haben Sie sich mit Ihrem Lebensgefährten unterhalten, ob er weitere Beobachtungen gemacht hat?
S: Er war nie in der Wohnung.
N: Kennen Sie eine Nadine R. aus der Nachbarschaft?
S: Kennen ist zu viel gesagt. Weiß nicht, ob sie ein Verhältnis zu Frau Zschäpe hatte.
N: Einen Torsten P.?
S: Nein.

Zeugin kurz darauf entlassen, Pause, Unterbrechung bis 14.45 Uhr.

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 14.47 Uhr.
Zeuge Enrico P., 39, Rentner, Chemnitz.
Götzl: Kenntnisse über Böhnhardt und Mundlos und Zschäpe?
P: Böhnhardt und Mundlos habe ich 1996 kennengelernt.
Götzl bittet Zeugen, von sich aus zu berichten.
P: Ich war mit meinen damaligen Freunden auf Konzerten. Da waren auch Leute aus Jena. Auch Böhnhardt und Mundlos. Da hat man die halt getroffen. Gedenkstätte Buchenwald ... (Zeuge sächselt stark, spricht extrem leise, schwer verständlich.)
G: Frau Zschäpe?
P: Kennischnisch.
G: Was hat es mit Gedenkstätte Buchenwald zu tun?
P: Wir sind mit Böhnhardt und Mundlos über Weimar nach Buchenwald gefahren. Da gab es einen Platzverweis und ein lebenslanges Verbot.
G: Grund?
P: Unangemessene Kleidung von Herrn Böhnhardt und Mundlos.
G: Was war das?
P: Sie meinten, sie hätten braune Freizeithemden an. Hatten auch Bundeswehrhosen an und Stiefel. Das war ihre Art, sich zu kleiden.
G: Abgesehen von Kleidung, andere Erinnerungen, Verhalten?
P: So weit ich mich erinnere, trat Herr Mundlos hervor, sehr energisch, unangebracht meiner Meinung nach.
G: Welches Verhalten?
P: Schwer zu erklären. Wir waren bei Führung dabei. Lager 2. Er hat gesagt, es habe eine Geschichte gehabt, auch nach 1945. Ich fand das völlig unangebracht. Er hat da energisch darauf gepocht. Wir waren halt dort, es war sehr unangebracht, über anderes Lager zu sprechen, es war nicht in unserem Interesse.
G: Welche Personen waren da noch zugegen?
P: Herr St. aus Chemnitz. An andere kann ich mich nicht erinnern.
G: Wissen Sie, ob Herr K. zugegen war, André K.?
P: Kenne ich nicht.
G: War das ein lebenslanges Hausverbot?
P: Ja.
G: Gab es sonstige Treffen mit Mundlos und Böhnhardt?
P: 1996/97 waren wir halt hier und da zugegen. Genaueres kann ich nicht mehr sagen.
G: Können Sie die beiden denn mal beschreiben, wie die sich verhalten haben?
P: Herr Mundlos war der Wortführer. Herr Böhnhardt war mehr im Hintergrund. Mundlos war sehr energisch. Aus heutiger Sicht sehr unüberlegt. Er hat erst gesprochen und dann gedacht.
G: Beispiel?
P: Das ist so insgesamt meine Erinnerung an die beiden.
G: Können Sie etwas zu politischen Auffassungen von Mundlos und Böhnhardt sagen?
P: Das war sehr deutlich. Sehr rechtsorientiert. War ich auch. Mundlos hat sehr rausgepoltert, nicht überlegt. War einfach nicht gut.
G: Wann war Buchenwald?
P: 1996.

G: Uns liegt Hausverbot vor. Da heißt es: "5.11.96 Herrn Enrico P., Hausverbot". Was können Sie zu St. (Thomas St.) sagen? Welche Rolle hat er in der Szene gehabt?
P: Ein Fall für sich. Er hat viel gemacht in Chemnitz, Verkauf von Musik. Kontakte geknüpft, vieles in die Wege gebracht. Wir wissen aber inzwischen, dass St. auch anderweitig tätig war.
G: Was meinen Sie damit?
P: Schon in DDR-Zeiten: Staatssicherheit, da wurde er angeworben. Später wurde er halt auch angerufen, aus Berlin, ich glaube LKA, das weiß keiner ganz genau, das wirft einen ganz schlechten Schatten auf ihn.
G: Wann hatten Sie mit ihm zu tun?
P: 1994 bis 1998.
G: Sagt Ihnen "Blood & Honour" etwas?
P: Das war verboten. Ich hatte nichts damit zu tun.
G: Hatte St. damit zu tun?
P: Er hat überall mitgemischt. Er war überall präsent.
G: Kennen Sie Jan W.?
P: Sagt mir nix.
G: Was können Sie uns denn zu Mandy S. berichten?
P: Mit ihr war ich mal ein halbes Jahr zusammen. Meine ehemalige Lebensgefährtin.
G: Von welcher Zeit sprechen Sie da?
P: Wann war das? 1997.
G: Wo haben Sie damals gewohnt?
P: (leise) mal überlegen, 1997, wo hab ich da gewohnt? (Laut) In jedem Fall in Chemnitz, in der Johann-Richter-Straße. Und dann mit der Frau S. zusammen, circa ein Vierteljahr auf der Uhlandstraße.

G: Haben Sie in Hinblick auf Mundlos und Böhnhardt gewusst, dass nach denen gefahndet wird?
P: Ich war von 1998 bis 2000 selber in Haft.
G: Wann war das 1998?
P: September.
G: Und vorher, war da mal die Rede davon, dass ja jemand eine Wohnung sucht?
P: Ist mir nichts bekannt.
G: Sagen Ihnen denn die "88er" etwas?
P: Das war so eine Vereinigung, die es in Chemnitz mal gab. Aber das ist schon sehr, sehr lange her.
G: Wann?
P: 1995/1996.
G: Was können Sie denn Näheres dazu sagen?
P: Das ist mehr so eine Spaßgeschichte gewesen. Politisch motiviert. Spaß. Ich habe das nicht mitbekommen, dass das irgendetwas Ernsthaftes war.
G: Welche Personen gehörten dazu?
P: Kann ich nicht sagen.
G: Gehörten Sie den "88ern" an?
P: Nee!
G: Können Sie etwas dazu sagen, wenn wir bei den 1990er-Jahren bleiben, welche Rolle Waffen in der Szene spielten?
P: Keine Rolle, aus meiner Sicht.
G: Sprengstoff?
P: Nee.
G: Hatte denn Thomas St. etwas mit den "88ern" zu tun?
P: Das ist möglich, aber ich weiß es nicht.
G: Antje P., sagt Ihnen Antje P. was?
P: Ist mir bekannt. Von Herrn P. die Frau. Haben zusammen zwei Kinder. Deshalb ist er auch bekannt.
G: Wissen Sie etwas von Kontakten von Herrn und Frau P. zu Mundlos?
P: Weiß ich nicht, meiner Meinung nach sind die zwei auch geschieden.
G: Wir haben hier noch weitere Angeklagte, Herrn E.?
P: Wenn er noch einen Bruder hat, habe ich ihn mal kennengelernt über die Mandy S.
G: Wo haben Sie sie kennengelernt?
P: In ihrer Heimat. In einem Jugendclub hat sie die beiden mir vorgestellt.
G: Sagt Ihnen die "Weiße Bruderschaft Erzgebirge" etwas?
P: Nee, sagt mir nix.
G: Dieses Treffen, wo Sie sagen, sie seien mit Mandy S. bei den E.s gewesen, wie lange liegt das zurück?
P: 1997, wo ich mit der Frau S. zusammen war.

G: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Mundlos und Böhnhardt?
P: Das war 1996 oder 1997, später auf keinen Fall.
G: Bei welcher Gelegenheit?
P: Wir waren da - wie gesagt - wegen Konzerten unterwegs. Mundlos und Böhnhardt haben sich da meiner Meinung nach auch mal sehen lassen.
G: Zu diesem Besuch Buchenwald: Wie kam es denn dazu, dass Sie mit Böhnhardt und Mundlos dort waren?
P: Ich war - wie gesagt - mit Herrn St. zusammen. Sind nach Jena rüber, sind mit zwei Pkw nach Buchenwald gefahren.
G: Können Sie denn Uwe Böhnhardt mal beschreiben?
P: Er war ein schlanker, junger Kerl, abstehende Ohren, aus meiner Sicht zurückhaltend.
G: Waren denn jetzt bei Böhnhardt, auch bei Mundlos, Waffen ein Thema?
P: Ich habe keine gesehen. Wir haben da ein Bierchen getrunken, aber nicht über Waffen gesprochen.
G: Weshalb waren Sie in Haft gewesen?
P: Körperverletzung, Verwendung von Abzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen.
G: Hatten Sie auch in andere Bundesländer Bezug?
P: Wir waren zu Konzerten unterwegs. Es war so, dass wir auch in gastronomischen Einrichtungen unterwegs waren, haben auch ein, zwei, drei Bierchen zu viel getrunken, waren mit Musikern unterwegs. Das war alles, was ich mit Böhnhardt zu tun hatte.
G: Hatten Sie Kontakte nach Baden-Württemberg?
P: Ludwigsburg.
G: Mit welchen Personen waren Sie da unterwegs?
P: Aus Chemnitz. Namen spielten keine große Rolle bei Konzerten, wenn es ums Saufen ging.

G: Hatten Sie mal einen Unfall?
P: Einen Arbeitsunfall, 2004. Ist mir ein Stahlträger auf den Kopf gefallen.
G: Wie sahen die Verletzungen aus?
P: Hirnblutungen u. a., halbseitige Lähmung, ich habe ein Attest, dass ich heute nicht allein anreisen kann.
G: Was waren die Folgen?
P: Es hat sich vieles geändert. Meine damalige Freundin hat mich ein Jahr später verlassen. Dann Rehabilitation. Rehabilitation. Rehabilitation. Dann habe ich eine andere Frau kennengelernt, wir haben ein Kind gezeugt. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Das ist mein Leben jetzt.
G: zu Vernehmungsprotokoll. Da ist die Rede von "Skinheads, Hooligans, Faschos."
P: Die stehen für sich, die Namen. Ich weiß nicht, was ich da erklären soll. Ich ordne mich in die Kategorie Skinheads ein, wenn das die Frage ist.

Pause für 15 Minuten, bis 16.00 Uhr.

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 16.02 Uhr.
G: Wissen Sie, ob Mandy S. zu Böhnhardt und Mundlos Kontakt hatte?
P: Mir nicht bekannt.

Bonmot des Tages:
Götzl zu RA Basay: Schreien Sie mich nicht an. Sonst schreie ich zurück.

16.38 Uhr: Ende Befragung Enrico P., Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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