NSU-Prozess


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174. Verhandlungstag, 13.01.2015 Mehr Untersuchungsausschuss als Prozess

Es hätte spannend werden können: Immerhin hat das Gericht heute einen ehemaligen V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes befragt. Doch die Aussage von Carsten Sz. alias "Piatto" war kaum brauchbar - mal wieder.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 13.01.2015 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

13 Januar

Dienstag, 13. Januar 2015

Theoretisch hätte es ein spannender Tag werden können. Schließlich soll der heute als Zeuge geladene Ex-V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes 1998 Hinweise auf Kontaktleute des damals gerade untergetauchten Trios Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gegeben haben. Doch wie schon bei seiner ersten Vernehmung Anfang Dezember machte Carsten Sz. alias "Piatto" kaum brauchbare Angaben.

Mit Perücke und Brille im Zeugenstand

Dies hielt viele Nebenklageanwälte nicht davon ab, den 44-Jährigen stundenlang zu befragen. Piatto, der bis zu seiner Enttarnung im Jahr 2000 V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes war und bis heute unter Polizeischutz steht, verbarg erneut sein wahres Aussehen mit Perücke und Brille.

An das meiste, was die Opfervertreter zu anderen damaligen Rechtsextremisten von ihm wissen wollten, konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Was mir über weite Strecken durchaus als nicht vorgeschoben erschien. Denn was soll man am 13. Januar 2015 zu einer Frage sagen, die da lautet: "Erinnern Sie sich an die SMS vom 30. August 1998 um 13:21 Uhr 'Sehen wir uns heute abend?'" 

Allgemeine Thesen ohne Bezug zu den Angeklagten

Einige Opfervertreter stellten dennoch immer neue Fragen dieser Qualität. Ohne jedes konkrete Ergebnis für die Verhandlung, die heute wieder mehr Untersuchungsausschuss denn Strafprozess war. Am Ende trug denn auch Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann im Rahmen einer §257-Erklärung sehr allgemeine Thesen zur Organisation und Gewaltbereitschaft der damaligen rechten Szene in Deutschland vor - ohne Bezug zu den Angeklagten.

Ob dies wirklich in diesen Prozess hineingehört, wage ich zu bezweifeln. Zumal es für die Urteilsfindung keine Bedeutung haben dürfte. Der Münchner Staatsschutzsenat hatte wohl noch mit mehr Fragebedarf an "Piatto" gerechnet und auch den morgigen Verhandlungstag für diesen Zeugen reserviert. 

Doch am mittleren Nachmittag haben wohl auch so manche Nebenklageanwälte erkannt, dass die weitere Befragung von Piatto zu nichts führen wird. Und so wurde der Ex-V-Mann unerwartet früh vom Zeugenstuhl entlassen, der morgige Prozesstag fällt deshalb aus.

Opfer des Nagelbombenanschlags im Zeugenstand

Weiter geht es im NSU-Prozess deshalb erst nächsten Dienstag mit den Opfern des Nagelbombenanschlages in der Kölner Keupstraße im Juni 2004. Dann wird die Verhandlung wieder spannend. Denn schon am Rande des gestrigen Prozesstages war deutlich geworden, dass das Versagen der Ermittlungsbehörden bei keinem anderen der dem NSU zugerechneten Verbrechen so groß war wie in der Folge dieses Bombenanschlages.

Obwohl eine Überwachungskamera Bilder von den mutmaßlichen Tätern geliefert hatte und Bewohner frühzeitig Ausländerfeindlichkeit als mögliches Motiv ansprachen, vermutete die Polizei jahrelang die Täter unter den Opfern.


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