NSU-Prozess


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132. Verhandlungstag, 30.7.2014 Prügelangriff durch Zschäpe?

Im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht hat eine Zeugin aus Jena ausgesagt, dass sie von Beate Zschäpe im Jahr 1996 attackiert und zu Boden geworfen worden sei.

Von: Eckhart Querner

Stand: 30.07.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

30 Juli

Mittwoch, 30. Juli 2014

Die 33 Jahre alte Frau erklärte vor Gericht, sie habe aber erst nach der Festnahme von Zschäpe im November 2013 erfahren, dass es sich bei der Prügeltäterin um die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe gehandelt habe.

An einem Abend im Herbst 1996 fuhr Zeugin Maria H. nach einem Volksfestbesuch in der Jenaer Altstadt gemeinsam mit einer Freundin in der Straßenbahn nach Hause. Ihnen gegenüber setzte sich eine Frau, die in Begleitung einer weiteren Person war, und habe sie "angestarrt". Als H. und ihre Freundin (die heutige Zeugin S.) ausstiegen, sei ihnen die Täterin hinterhergelaufen und habe H. angesprochen: diese habe sie zuvor beleidigt. Dann, so berichtete heute die Frau, die H. damals begleitete, sei H. "mit zwei, drei geübten Handgriffen zu Boden gestreckt" worden. Die Frau habe sich rittlings auf H. gesetzt und von ihr verlangt, dass sie den Satz sage: "Ich bin eine Potte."

Bei Attacke Fuß gebrochen

H. brach sich bei der Attacke einen Fuß, musste ärztlich behandelt werden und erstattete später Anzeige gegen Unbekannt. Erst 15 Jahre später, nach der Festnahme von Zschäpe sowie dem Selbstmord von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, hat H. offensichtlich die Fotos von Zschäpe im Internet gesehen und in ihr die Täterin von 1996 erkannt.

Eine weitere Zeugin, Steffi S. aus Jena, berichtete vor Gericht, Zschäpe sei sehr selbstbewusst in ihrem Auftreten gewesen. Wörtlich sagte sie: "Die Wahrnehmung war, dass Leute Angst vor ihr haben."

Was sollen nun diese beiden Zeugenaussage beweisen? Dass Zschäpe gewaltbereit war? Ja, sicherlich, das klingt durchaus plausibel. Aber was hat das mit den viel schwerer wiegenden Vorwürfen in der Anklage zu tun? Die Bundesanwaltschaft geht darin von Zschäpe als einem gleichberechtigten Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds aus. Der NSU wird unter anderem für zehn Morde, für Banküberfälle und Sprengstoffanschläge verantwortlich gemacht.

Zeugin: Zschäpe war auch Männern gegenüber aggressiv

Beate Zschäpe folgte den beiden Zeugenbefragungen am 132. Verhandlungstag mit routiniertem Desinteresse. Besonders an Tagen wie heute stellt sich aber vielen Prozessbeobachtern die Frage: War Zschäpe doch ganz anders als sie wirken möchte? Hatte sie auch bei den Planungen der zehn NSU-Morde ihre klaren Vorstellungen und ein Mitspracherecht – war sie eben doch nicht das Hausmütterchen, das den beiden Uwes nur das Mittagessen kochte und die Hemden bügelte? Dazu passt eine Aussage, die Zeugin S. bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei gemacht hatte. Dort sagte sie: "Frau Zschäpe hatte den Ruf, dass sie mit einem Messer in der Tasche rumläuft und auch Männern gegenüber eindeutig aggressiv ist."

Die heutigen Zeugenaussagen beweisen nicht viel, schon gar nicht die Mittäterschaft Zschäpes im NSU. Aber sie charakterisieren eine Frau, die in inzwischen 132 Verhandlungstagen noch kein Wort gesprochen hat.

Dass Zeugin H. Opfer der Jenaer Prügelattacke wurde, könnte übrigens an einer Verwechslung liegen. Vielleicht war eine Freundin H.s gemeint, die ähnlich aussah und von der sich Zschäpe auf dem Volksfest beleidigt gefühlt hatte.

Was eine Potte ist, das konnte heute im Gericht nicht geklärt werden.


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