NSU-Prozess


0

NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 106. Verhandlungstag, 15.04.2014

Nach der wenig ertragreichen Anhörung eines Spezialisten für Bombenentschärfung wird zum wiederholten Mal der ehemalige V-Mann Andreas T. verhört - auch direkt befragt von Ismail Yozgat, dem Vater des ermordeten Halit Yozgat.

Von: Mira Barthelmann und Oliver Bendixen

Stand: 15.04.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Doch auch durch seine Befragung gibt es keine neuen Erkenntnisse. Yozgat wirft T. mehrfach vor, nicht die Wahrheit zu sagen und zweifelt T.s Aussage sehr stark an.

Zeugen:
Hans Helmut E. (Kriminalhauptmeister, LKA Thüringen)
Andreas T. (ehemaliger V-Mann des Verfassungsschutzes Thüringen)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Oliver Bendixen, BR)
9.45 Uhr.
Familie Yozgat anwesend.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
9.30 Uhr.
Zeuge Hans Helmut E., Kriminalhauptmeister (KHM), 51, Polizeibeamter seit 1991, Landeskriminalamt (LKA) Thüringen, Entschärfer für unkonventionelle Brandvorrichtungen (Auswertungsbericht "Garagenkomplex" 1998).
Richter Manfred Götzl: Welche Tätigkeit?
E: Unkonventionelle Brandvorrichtungen, veränderte, kriminelle. Entschärfung, Beweissicherung, um Strafverfolgung zu ermöglichen. Wir ermitteln nicht selber. Wir unterstützen nur. Beratende Funktion. Sicherheit herstellen für die Beamten.
Entschärfer-Ausbildung, abgeschlossen 1993. Seitdem entsprechende Qualifikation. Ständig in Fortbildungen weiterentwickelt.

(Oliver Bendixen, BR)
9.50 Uhr.
E: Röntgenbilder aller Gegenstände, aufschrauben einer Rohrbombe geht nicht, aber geht mit einer fachgerechten Sprengung, gelang aber nur teilweise. Rohrbomben hatten Glühbirnen drin, elektrischer Zünder, Batterien fehlten, bei ein oder zwei Bomben Gemisch aus Holzkohle und Kochsalz gefunden, in einer war auch Schwarzpulver drin, aber wenig Schwarzpulver und eine gewisse Menge TNT aus militärischer Herstellung, Rohrbomben hätten so maximal eine kleinere Explosion bewirkt. Fundstücke in Gera: diverse Metall- und Kunststoffrohre.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
E: Sprengtechnisches Öffnen: Spezielle Sprengladungen, 6 g auf einen Meter, erzeugen so eine Art Metallschneide. Wir haben sie alle geöffnet, teilweise ist es zum Ausbrennen der Inhaltsstoffe gekommen. Bei einigen ist es perfekt gelungen. Bei anderen weniger. So erhalte ich viele Hinweise. Wenn der Sprengstoff langsam nach innen ausbrennt, dann haben wir das ganze nach innen aufgebogen. Bei einer sanften Sprengung, Aufbiegung nach außen. Bei TNT-Ladung finde ich kaum noch Splitter.
E: Rohrbomben: Diese Glühbirne war typisch für Fahrradlampen. Jetzt wird es schwierig, jetzt muss ich hier quasi angeben, wie man eine Rohrbombe baut. Aber ich denke, das ist zu Zeiten von Internet kein Problem.

Götzl reagiert nicht.
Zschäpe schreibt auf ihrem Computer.
Beschreibung des Baus einer Rohrbombe.

Götzl: Einzelne Spuren? Jeweilige Gegenstände? Metallrohr, Blechdose, Tüte mit Klebeband? Einzelheiten? Maße? Anordnung?
E: Ich hab den Bericht nicht vorliegen. Ich hab den noch mal einsehen dürfen.
G: 1 Metallrohr mit zwei Drähten. Können Sie sich erinnern?
E: Im Prinzip ja. Das war dann aber ein Kunststoffrohr. Da hatten wir diese Glühbirne. Gegenstand ist uns komplett ausgebrannt.
G: Röntgenbild?
E: Relativ einheitliches Verfahren. Polaroidfilm, ähnlich wie früher beim Arzt.

Götzl hält dem Zeugen seinen Bericht vor, weil er nicht in der Lage ist, besonders viel aus seiner Erinnerung wiederzugeben. Rügt den Beamten wegen schlechter Vorbereitung. Nur Nicken aufgrund des Vortragens.

G: Inwiefern haben Sie sich da noch mal auseinandergesetzt?
E: Ja, das ist viel. Die Erinnerung ist insofern gekommen, dass dieser Aufbau mit dem Glaskolben so war, das ist schon gekommen.
G (sehr gereizt): Hat sich da was geändert beim Verfassen der Berichte?
E: Ja, da mache ich mir erst mal ein paar handschriftliche Notizen und dann wurde der Bericht so verfasst. Es fehlte diese ganze Vorschaltung, wo ich Strom anlege. Ich gehe davon aus, dass sie [nicht in der Lage waren], eine funktionsfähige Bombe zu bauen. Entweder konnten sie es nicht, oder sie hatten nicht das richtige Material. Aber sie hatten TNT und Schwarzpulver. Auf alle Fälle haben sie Fleiß investiert. Damit bezwecke ich ja irgendwas. Das mache ich ja nicht aus Jux.

"Selbstlaborat": Schwarzpulver. Das war wahrscheinlich nicht industriell hergestelltes Pulver.
"Attrappe": Hintergrund der Zeit. Eine längere Serie von Bombenattrappen. Sehr öffentlichkeitswirksam an viel frequentierten Orten abgelegt. In Jena am Theaterplatz. In einem roten Koffer. Eine auffällige Ähnlichkeit mit der hier vorliegenden Rohrbombe. Die hatte aber keine Zündvorrichtung. Wollte der nur angeben, nach dem Motto: "Wir haben TNT, wir können was!" Mit den Attrappen wurde über einen längeren Zeitraum Aufmerksamkeit erzielt. Das kostet Zeit. Diese Vermutung ist vorhanden, dass da ein Zusammenhang bestehen könnte.

RA Olaf Klemke (Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben): Dose? Hinweise nicht verschlossen?
E: Die ging nicht auf. Deshalb haben wir die sprengtechnisch geöffnet.
K: Konnten Sie bzgl. dieser Dose feststellen, ob der Glaskolben vorhanden gewesen ist?
E: Nein. In keinem Fall. Ob geschlossen oder offen, können wir in keinem Fall nachweisen.
K: Blechdose Nummer 11: Sind Sie sich sicher, dass da wirklich Schwarzpulver drin war?
E: Nein. Kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
K: Woher nehmen Sie dann die Voraussetzung, dass die Vorrichtung eine geringe Wirkung hatte?
E: Ich habe geschrieben, dass keine oder geringe Wirkung. Das ist rein hypothetisch.
K: Bewertungsbericht von 1998.
E: Die Auswertung erfolgt nicht am Tag der Sprengung. Das Datum ist das, an dem ich das geschrieben habe.
K: Existieren diese Fotografien und Röntgenbilder?
E: Ja. Im LKA.
K: Wie haben Sie Notizen gefertigt?
E: Handschriftlich auf einem Block.

Götzl: 24.9.1998. Schriftliches Gutachten. Im August die Untersuchung. Lagen da schon die Angaben des Chemikers vor?
E: Das weiß ich nicht mehr.
G: Haben Sie noch mal zur Vorbereitung die Röntgenbilder gesehen?
E: Ja.

RA Yavuz Narin (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Theodoros Boulgarides): Rohrbombenfund im Juni 1997?
E: Rohrbombe in einer Luftpumpe.
N: Henning H., ehemaliger NVA-Soldat?
E: Nein, der Name des Täters ist eigentlich das unwichtigste.
Götzl: Herr Narin, dass sollten Sie berücksichtigen. Das ist ja gerade nicht im Ermittlungsbereich des Zeugen!
N: Baugleiche Komponenten?
E: Stadtrohda? Blaue Luftpumpe. Schraube ja. Aber kein TNT. Ich kann den Zusammenhang nicht völlig ausschließen, aber er liegt für mich nicht auf der Hand.
Es ist teilweise richtig. Gepresstes TNT kann ich mit einer Sprengkapsel zünden. Gegossenes TNT, da brauche ich eine Verstärkerladung. Ich gehe davon aus, dass gegossenes TNT verwendet wurde, weil homogene Struktur.

RA Anja Sturm (Verteidigung Zschäpe): Attrappe mit TNT würde viel mehr Zeit beanspruchen? Wie groß ist der Unterschied?
E: Die Attrappen waren durch ihren Aufbau schwer zu öffnen. Mit Drähten und Batterien ausgestattet und dadurch haben wir viel Zeit gebraucht, um die zu öffnen.

(Oliver Bendixen, BR)
11.04 Uhr.
Ende mit Zeuge E. Zschäpe trinkt Wasser, sieht blass und gestresst aus.
Verteidiger von Zschäpe und Wohlleben behalten sich Erklärungen vor.

(Oliver Bendixen, BR)
11.40 Uhr.
RA Thomas Bliwier (Nebenklage-Anwalt der Eltern von Halit Yozgat) kündigt an das Verhältnis zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen und Polizei weiter nachforschen zu lassen.
Wir sind der Meinung, dass T. weiteres Wissen zur Tat hat und dass er in seiner Haltung durch die Unterstützung des hessischen LfV bestärkt wird.

(Oliver Bendixen, BR)
Pause bis 13 Uhr.

(Oliver Bendixen, BR)
13.00 Uhr.
Weiter mit Zeuge Andreas T. Zum 6. Mal geladen.

(Oliver Bendixen, BR)
13.28 Uhr.
RA Narin fragt T. nach einer rechten Szenekneipe, in der er gewesen sein soll.
N: Waren Sie dort?
T: Nein.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
Narin: Schriftstücke, die zu Hause bei Ihnen gefunden worden sind. Ein Buch über Serienmorde. Haben Sie das aus dienstlichen Gründen gehabt?
T: Ich habe viele Bücher zu Hause. Unter anderem auch dieses Buch. Aufmerksam geworden bin ich über die Gewerkschaft der Polizei. Ich habe das Buch bis heute noch nicht gelesen.

N: "Judas Schuldbuch", "Eine deutsche Abrechnung", "Wille und Weg des Nationalsozialismus"?
T: Das sind Abschriften. Das war als Jugendlicher in der Gemeindebücherei. Und warum auch immer, habe ich damit angefangen, diese abzutippen. Auch aus der Schulbücherei. Bei diesen Titeln handelte es sich um diese Abschriften mit dementsprechendem Alter. Als Teenager.
N: "Kriegsrechtsverletzungen durch die Polen" - so etwas haben Sie abgetippt?
T: Ja.
N: Waren Sie in Ihrer Jugend Skinhead, Nationalsozialist?
T: Nein.
N: Sie wurden als "Klein-Adolf" bezeichnet.
T: Ich habe im Zuge von "Panorama" gehört, dass mich Leute so genannt haben. Ich weiß das nicht. Ich gehörte solchen Gruppierungen nicht an. Ich habe nie in Hofgeißen gelebt. Ich hatte damals in Besitz ein kleines Dolchmesser. Ich hatte einen Baseballschläger. Ein Schulkollege von mir hat solche gemacht, er hatte entsprechende Werkzeuge. Ich hatte einen kleineren Holzschlagstock.
N: Am 5.7.2012 in der "SZ" werden Sie zitiert: "Ich war das angreifbarste Opfer". Von wem waren Sie das Opfer?
T: Das bezog sich wohl auf die Berichterstattung von 2011. Offensichtlich, wenn man sich die Berichterstattung vom November 2011 ansieht, dann das Opfer der Medien. Wir mussten quasi fliehen. Und uns hätte zu diesem Zeitpunkt niemand geholfen.
N: Benjamin G.: Hat er Ihnen über "Blood and Honour" berichtet?
T: Ob er mir konkret über "Blood and Honour" berichtet hat, kann ich das nicht abschließend beantworten. Er war bezüglich seines Bruders sehr zurückhaltend.
N: Zu "Sturm 18": Michele F.?
T: Der eigentliche Aufgabenbereich lag woanders. 2006 am Rande Erkenntnisse. Kann ich nicht sagen.
N: Randerkenntnisse "Sturm 18" und "Heimatfront"?
T: Es gilt das gleiche, was ich vorher gesagt habe.
N: Kennen Sie einen Herrn T. aus Kassel mit Verbindungen nach Thüringen?
T: Ja. Als Ermittler. Habe jährlich etwa 200 Ermittlungsaufträge bearbeitet. Eine Unzahl von Namen. Ich kann unmöglich zu allen Namen etwas sagen, wenn ich da keine besondere Erinnerung habe.
N: Herrn Benjamin G. hatten Sie gebeten, ihn in Herrn Yozgats Internetcafé zu treffen. Sie sagten, dass das nicht stimmt.
N: Haben Sie auf Halit Yozgat geschossen, Herr T.?
T: Nein, natürlich nicht.

RA Stephan Kuhn (Nebenklage-Anwalt der Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße): Haben Sie in Ihrer Wohnung einen Internetanschluss?
Vorhalt: "Ich weiß nur, dass er unsere Bankgeschäft über das Internet gemacht hat. Er hat mir auch erzählt, dass er in Internetcafés geht. Er hat mir aber gesagt, das ist nur dienstlich."
T: Soweit ich mich erinnere, hatten wir zu diesem Zeitpunkt keinen Internetanschluss. Über einen offenen W-LAN-Anschluss im Internet gewesen. Damals hatte ich mein Konto noch bei der Postbank. Ich hatte dort auch die Möglichkeit, Online-Banking zu machen. Ich hatte in Prelleburg in meiner alten Wohnung Internet. Aber inwieweit ich dann später Internet hatte, das kann ich im Moment nicht so genau sagen.
K: Sie hatten Ihrer Frau nicht gesagt, dass Sie im Internetcafé waren?
T: Es ist ja ein Unterschied, um dort zu chatten. Oder, ob ich ihr sage, dass ich dort dienstlich war. Ich weiß nicht, ob ich das hätte sagen müssen. Das war ja auch ein bisschen eine Bauchentscheidung. Wenn ich das heute einer Wertung unterziehe, dann würde ich das meiner Frau sicherlich anders erzählen.
K: "love.de-Seite": Haben Sie noch Erinnerungen, ob Sie nach dem 6.4. dort gechattet haben?
T: Nein. Ich will nicht ausschließen, ob ich danach noch auf der Seite war.
K: Haben Sie Ihr Profil dort gelöscht?
T: Das weiß ich nicht.
K: Was war denn der Grund, dass Sie aufgehört haben zu chatten?
T: Sicherlich war, ich meine, in dem Café, in dem ich oft war, ist jemand umgebracht worden. Dann ist es nicht unbedingt so, dass man sagt, ich suche mir einfach ein neues Café, und chatte dann einfach weiter. Konkret kann ich Ihnen nichts nennen.
K: Vor der Tat haben Sie mehrmals gechattet. Das war wie eine Sucht. Dass Sie dann keine Erinnerung haben, wann und wie Sie aufgehört haben, das finde ich schwierig.
T: Das weiß ich nicht. Das Café von Herrn Yozgat war auf dem Nachhauseweg.
K: Zitiert aus dem Telefonat mit Ehefrau.
T: Dieses Telefonat war unter Extrembedingungen. Ich war festgenommen worden. Ich wusste nicht, was zu Hause lief. Meine Frau - hochschwanger - war plötzlich damit konfrontiert, dass ich festgenommen wurde und unter mehrfachem Mordverdacht stehe.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
13.50 Uhr.
Ismail Yozgat will T. Fragen stellen. Antrag auf Vernehmungsgegenüberstellung. Nach §58/2 StPO. Begründung: Wahrheitsfindung: Zeuge wird anderen Zeugen gegenübergestellt.
Götzl: Gibt es, Herr Yozgat, gibt es etwas zu Ihrer eigenen Vernehmung, das unrichtig ist oder ergänzt werden müsste?
Y: "Ja. T. kennt mich, meine Ehefrau und meinen Sohn sehr gut. T. kennt sich im Internetcafé sehr gut aus. T. ist ein Mann, der sehr gut darüber Bescheid weiß, wie das Internet eingeschaltet wird. Wie bezahlt wird. Und so weiter. Im Film sieht man, dass T. von der Nr. 2 aufsteht und sich auf die Suche nach Halit begibt, um den Betrag zu bezahlen. Wenn er hinschaut. Abstand von einem Meter. Er muss Halit gesehen haben. Aber T. geht raus. Geht auf die Straße, schaut nach rechts und links und geht zurück. Und wenn er zurückgeht, müsste er feststellen, dass Halit nicht da ist. Aber T. schaut nach vorne, dann geht er wieder ins Internet-Zimmer. Er nimmt den 50 Cent-Betrag."
G: Herr Yozgat. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie wieder Platz nehmen würden.
Y: 73 Zentimeter ist der Tisch, wenn er also den 50-Cent-Betrag auf den Tisch legt, dann muss er die Bluttropfen auf dem Tisch sehen.
G: Herr Yozgat: Sie können ihm Fragen stellen. Ich konnte jetzt nicht erkennen, dass Sie eigene Erklärungen und Ergänzungen machen können.
G: Es ist nicht Ihre Sache, wie ich hier verfahre. Und jetzt machen wir hier erstmal weiter.
Bundesanwaltschaft: Gegenüberstellung ist nicht geboten. Der Zeuge Yozgat war zu dem Zeitpunkt nicht am Tatort. Der Antrag wird mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen begründet, aber nicht mit unterschiedlichen Aussagen. Deshalb nicht geboten.
G: Herr Yozgat, es ist Ihnen unbenommen, Sie können den Herrn T. zu Punkten befragen, die Sie beschäftigen und ihm auch Vorhalte machen.
RA Bilsat Top (Nebenklage-Anwalt der Eltern von Halit Yozgat): Herr Yozgat hat Herrn T. früher Kaffee ausgegeben. Dass die unmittelbaren Örtlichkeiten so waren. Eine Vernehmungsgegenüberstellung würde mehr Erfolg versprechen als ein reine Zeugenvernehmung.

14.06 Uhr.
Beginn der Befragung durch Ismail Yozgat.
Y: Herr T., als Du kamst, hast Du den Halit, wenn der nicht da war, mich, wenn auch ich nicht da war, meine Frau gesehen? Nicht wahr?
T: Normalerweise ja.
Y: Sie kannten uns drei sehr gut?
T: Ich habe Sie als sehr nette Menschen empfunden und deshalb bin ich immer wieder gekommen.
Y: Du bist einer, der den Internetladen sehr gut kannte. Wie kann man das Internet einschalten? Wie bezahlt man die Gebühr?

Götzl: Ich nehme an, dass das eine Frage war! Dann müssen Sie ihm auch Gelegenheit geben zu antworten.
T: Ich wusste, wie ich mich einlogge. Und ich wusste auch, was ich üblicherweise bezahlen musste.
Y: So wie es im Film zu sehen war, stehst Du auf, um die Gebühren zu bezahlen und suchst nach dem Halit.
T: Ja, ich habe ihn nicht gesehen. Und dann bin ich rausgegangen, um mich nach ihm umzusehen.
Y: Als Du aus dem Raum raus bist, hättest Du eigentlich nach links schauen müssen, weil Halit da ja gesessen haben müsste.
T: Ich weiß nicht, wo ich hingeschaut habe.

Y: Haben Sie nicht nach Halit gesucht oder haben Sie etwa nach mir gesucht?
T: Ich habe in erster Linie nach Ihrem Sohn gesucht. Ich konnte natürlich nicht ahnen, dass so etwas entsetzliches passiert war, dass ich unter dem Tisch gesucht hätte.
Y: Zwischen dem Tisch und der Wand gibt es einen Abstand von einem Meter. Wenn Du zum Tisch geschaut hast, hättest Du ihn sehen müssen. Warum gibst Du so ausweichende Antworten?
T: Ich habe ihn nicht gesehen.
Y: Du bist auf die Straße gegangen und hast nach rechts und links geschaut. Und als Du reingegangen bist, hättest Du nach rechts schauen müssen.
T: Ich weiß, dass ich ihn nicht gesehen habe.
Y: T.! Man sieht auch im Film, dass Du nicht hinschaust. Wenn Du hingeschaut hättest, dann hättest Du ihn gesehen.
T: Der Film ist ja zu einem anderen Zeitpunkt aufgenommen worden.
Y: Um die 50 Cent zu zahlen, hättest Du auf die rechte Seite sehen müssen. Hast Du die Bluttropfen auf dem weißähnlich-grauen Tisch gesehen?
T: Nein, das ist mir nicht aufgefallen. Ich habe nur gesehen, dass noch mehr Kleingeld auf dem Tisch lag. Und ich habe meine 50 Cent so hingelegt, dass das sichtbar war.

Y: Herr T., Sie sind 1,87 Meter groß und der Tisch 70 Zentimeter hoch. Halit war 1,70 Meter groß. Nur seine Beine waren unter dem Tisch. Haben Sie seinen Oberkörper nicht gesehen?
T: Ich habe ihn nicht gesehen.

Y: Es tut mir leid, T., aber ich glaube Ihnen überhaupt nicht. Sie haben bei einer anderen Vernehmung gesagt, Sie seien immer nur 20 Minuten da gewesen. Aber Sie waren immer 2 Stunden da. Zweimal die Woche. Auch meine Frau hat Sie gesehen.
T: Ich war unterschiedlich lange da.
Y: T.! Haben Sie das auch vergessen, dass Sie immer 2 Stunden da geblieben sind und ich Ihnen immer zweimal Kaffee angeboten habe? Ohne Geld.
T: Kann mich daran erinnern, dass Sie mir Tee oder Kaffee angeboten haben.
Y: Ein einziges Mal bist Du mit einer Frau gekommen. Da warst Du eine Stunde da. Und zuletzt, als der Halit getötet war, da warst Du 10 Minuten eingeloggt. Ich sage es noch mal, ich glaube Dir überhaupt nicht, T.!
G: Was sagen Sie dazu?
T: Auf keinen Fall regelmäßig zwei Stunden. Mit einer Frau da gewesen. Da kann ich mich nicht erinnern.

(Oliver Bendixen, BR)
14.23 Uhr.
Schluss für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


0