NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 102. Verhandlungstag, 03.04.2014

Ilona Mundlos, die Mutter von Uwe Mundlos, berichtet über das familiäre Umfeld ihres Sohnes und seinen Werdegang, seine Freunde, seine Beziehung zu Zschäpe, Böhnhardt und André K., sowie sein Verschwinden.

Von: Thies Marsen, Eckhart Querner und Paul-Elmar Jöris

Stand: 03.04.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Zeugin:
Ilona Mundlos (Mutter von Uwe Mundlos)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Thies Marsen u. Eckhart Querner, BR)
9.48 Uhr - Beginn.
Nebenklägerin Semiya Simsek ist da.
Zeugin Ilona Mundlos, 63 Jahre, Rentnerin aus Jena, schwarze Kapuzenjacke mit Puscheln, halblange blonde Haare, feste, laute Stimme mit leichtem Zittern, spricht schnell.

Richter Manfred Götzl: Bitte Sie einfach mal zu erzählen über die Entwicklung Ihres Sohnes.
Ilona Mundlos: Ich habe kein richtiges Zeitgefühl, ich weiß noch, wie es war, aber die Jahre müssen nicht unbedingt stimmen. Uwe ist in den Kindergarten, bis zur zehnten Klasse in die Schule, EDV-Kaufmann gelernt, dann bei der Armee, dann hat er eigene Wohnung gehabt. Wir waren 4 Personen, er hatte einen zwei Jahre älteren Bruder, ich bin seit 44 Jahren verheiratet, wir waren eine glückliche Familie, Uwe hat mir nie Schwierigkeiten gemacht, immer hilfsbereit, auch zu seinem Bruder (der behindert ist), immer offen, ich müsste schwindeln, um zu sagen, er war ein böses Kind. Eine ganz normale Familie ohne große Schwierigkeiten, zusammen in Urlaub gefahren, ab 1988 in Jena-Winzerla gewohnt, dann noch in eine Rollstuhlwohnung umgezogen, da hatte Uwe ein eigenes Zimmer, dann ist Rollstuhlfahrer ausgezogen, Uwe blieb da. Sie sind zusammen eingeschlafen als Kinder, händchenhaltend, Robert hat gesagt, was Uwe machen soll, und Uwe hat das ausgeführt - das hat sich ziemlich gut ergänzt.
Ich hab mich mehr um den Robert gekümmert und mein Mann mehr um Uwe, weil Robert kann ja nicht laufen und dann bin ich zu Hause geblieben und mein Mann ist mit Uwe gewandert. Ich habe 30 Jahre in Rewe-Kaufhalle gearbeitet und nur Spätschicht gemacht - von 14 bis 20 bzw. 22 Uhr - ich habe ziemlich wenig Zeit gehabt, deshalb bin ich jetzt auch in Vorruhestand gegangen, weil es einfach nicht mehr ging. Ich war vielleicht immer ein bisschen die härtere in der Erziehung, sein Vater war der weichere, der hat dann immer gesagt: Komm wir setzen uns nochmal hin und lernen das, wenn ich schon gesagt hatte, jetzt ist Schluss, ich kann nicht mehr.
G: Schule?
M: Er war so mittelmäßig gut, hat seine Lehre auch gut bestanden, dann ist er nach Ilmenau um sein Abitur zu machen, da war er drei Jahre fast, bis er weggegangen ist. Im Sommer 1998 sollte er Abitur machen, er stand schon in den Prüfungen drin.
G: Probleme in der Entwicklung?
M: Ich habe eigentlich keine wesentlichen großen Schwierigkeiten gesehen und dadurch, dass ich ihn wenig gesehen habe, weil er anderswo gewohnt hat, habe ich ihn aus den Augen verloren. Zum Kaffeetrinken kam er mal, aber ich habe mit ihm keine Freizeit verbracht, wenn ich ehrlich bin. Direkt Schwierigkeiten, so dass ich einen roten Kopf gekriegt habe oder zu einer Behörde musste, gab es nicht. Hat nie Schule geschwänzt, ob er immer die Hausaufgaben gemacht hat, weiß ich nicht.
G: Welchen Abschluss hatte er da?
M: Das gab es da nicht so wie heute, war halt zehnte Klasse und dann Schluss. Direkt nach der Lehre, so im September, ist er dann zur Armee gekommen. Ich habe keine Auffälligkeiten bemerkt, mein Mann hat sich da schon mal mit ihm hingehockt und dann ging das auch.
G: War mal Gesprächsthema, wie es nach dem Ilmenau-Kolleg weiter gehen sollte?
M: Ich habe mich nicht so intensiv damit beschäftigt. Ich hätte gedacht, dass er dann studiert. Und auch angenommen wird.
G: In welchem Bereich?
M: Vielleicht in EDV oder Physik? Das waren meine Überlegungen, kann mich nicht erinnern, mit meinem Sohn darüber gesprochen zu haben.
G: Kannten Sie die Freunde, haben Sie die mal gesehen?
M: Ja, ich wusste, wie sie aussehen. Die waren halt in Winzerla, der Uwe ist von der Wohnung rausgegangen für ein paar Stunden, aber über was sie sich unterhalten haben, weiß ich nicht. Wo ich mich noch gut dran erinnern kann, als der Uwe aus der Lehre kam, dass er zur Armee gegangen ist, da ist er mit Beate gegangen, da hat er Beate kennengelernt, da hat er dann auch bei ihr gewohnt, die sind auch mal zum Abend- oder Mittagessen gekommen, aber das waren nicht so lange Begegnungen. Circa ab 1992/93 war er mit ihr zusammen, im Sommer 1995 muss sie Schluss gemacht haben mit ihm. Ich habe Uwe gefragt, warum, und da hat er gesagt, dass sie einen anderen hat - den Uwe Böhnhardt.
G: Kannten Sie Uwe Böhnhardt?
M: Vom Sehen. "Guten Tag", "hallo" gesagt. Ich habe mich nie mit ihm unterhalten.
G: Warum war das so?
M: Der Uwe hat uns besucht, dann hat es geklingelt, dann stand der Uwe Böhnhardt in der Tür: Ist der Uwe da? Mein Uwe ist aufgestanden und gegangen. Warum soll ich ein Gespräch anfangen mit einem, den ich nicht kenne.
G: Gab es weitere Personen, die Umgang mit Ihrem Sohn hatten?
M: Ich kannte noch den André K., aber mit dem habe ich mich nie unterhalten, das war das gleiche wie mit dem Uwe Böhnhardt, ich wusste halt, dass er es ist.
G: Mit Sohn über Freunde unterhalten?
M: Eigentlich nicht. Ich will meinen behinderten Sohn nicht vorschieben, aber der braucht mich voll, ich bin da voll eingespannt, ich bin die Pflegeperson.
G: Wie war Beate?
M: Beate war liebes nettes Mädchen, hat zugehört, hat mir mal was besorgt, auch mal auf ein Kind aufgepasst, war sehr hilfsbereit. Und mit dem Uwe hat sie sich auch gut verstanden, das einzige, was ich beobachtet habe, der Uwe hat gerne Springerstiefel angehabt, das hatte sie nicht gern, da hat sie gesagt: Wir wollen in die Disko gehen, zieh was anderes an.
Was er angehabt hatte, war diese Fliegerjacke, die erste habe ich ihm gekauft, eine beige, die hatte viele Taschen, ich fand die praktisch und ziemlich schick. Später gab es eine schwarze, die - ich schäme mich ja schon fast - die habe ich auch meinem behinderten Sohn gekauft, weil die waren praktisch, sind nicht so schnell dreckig geworden. Ich wusste nicht, was die bedeuten.

G: Nachdem Schluss war mit Beate?
M: Uwe hat wenig darüber gesprochen, ich habe ihn auch nicht weinen gesehen, ich weiß, dass sie noch Kontakt hatten, aber ich habe die Beate, nachdem sie Schluss gemacht haben, nie wieder gesehen, ich sehe sie heute zum ersten Mal wieder.
G: Können Sie uns Frau Zschäpe beschreiben, wie sie damals gekleidet war?
M: Ganz normal. Miniröckchen. Jeans. Wir sind mal zusammen einkaufen gegangen. Sie war nicht auffällig gekleidet.
G: Hatte er Verbindungen in andere Bundesländer, z. B. nach Sachsen?
M: Er hat sich mit einem Mann geschrieben, der im Gefängnis saß. Kümmerte sich um ihn. Heute denke ich, das könnte der Thomas S. gewesen sein.
G: Hat Ihr Sohn Demonstrationen besucht oder veranstaltet?
M: Ich habe viel vergessen. Ich würde schwindeln, wenn ich sagen würde, ich weiß es. Ich wusste, dass er am Wochenende mal weg ist, aber ich wusste nicht was. Ab und zu hat er mal was erzählt, dass er mal in Buchenwald gewesen ist oder so, aber eher meinem Mann. Ich musste kochen, einkaufen, arbeiten - ich bin mehr die Mutter vom Robbi, mein Mann der Vater vom Uwe. Mann hat auch nichts berichtet. Ich kann mich an eines noch erinnern, da hat der Uwe von Charlie Chaplin eine Schablone gemacht und in sein Portemonnaie rein, mein Mann hat gesagt, das kannst du nicht machen, das sieht aus wie Hitler - und das hat Uwe gefallen, das sah aus wie Hitler, war aber nicht Hitler, da sind sie in eine Kontrolle reingekommen, da war irgendwas.
G: Sagt ihnen der Name Tino Brandt etwas?
M: Die sind mal tanzen gewesen. Uwe hat sich gewundert, dass immer um zwölf die Polizei kam. Uwe sagte zu mir: Da muss jemand was verraten haben.
G: Ralf Wohlleben?
M: Den habe ich gesehen, aber mich nie mit ihm unterhalten. Ach doch: Ich kann mich erinnern, an dem Tag, wo der Uwe weggegangen ist. Wir haben Sonntag abends Uwe fertig gemacht für Ilmenau, haben seine Skier gepackt usw., Montag kam er in Kaufhalle: "Mutti, es ist was schlimmes passiert, ich muss weg, ich brauche Geld". Ich habe aber nur eine EC-Karte, die habe ich ihm gegeben. Am Dienstag kam eine Juliane und hat sie wieder gebracht. Ich habe sie gefragt: Hast du was vom Uwe gehört? Nein. Hast du was von einer Hausdurchsuchung gehört? Nein, gab es nicht. Aber am Donnerstag kamen Leute in die Kaufhalle und haben mir gesagt, was war denn bei ihrem Uwe los, das ganze Haus voll Polizei. Dann bin ich zum Ralf Wohlleben und da war auch Juliane und da habe ich gefragt, warum hast du mich angelogen? Antwort: Weil ich Sie schonen wollte. Es ging um Garage, die entdeckt worden war. "Mutti, mit den Waffen hab ich nichts zu tun. Ich hab' nur Schreibkram drinnen. Das dauert etwa zehn Jahre (mit der Verjährung), dann kann ich wiederkommen." - Das waren seine letzten Worte.

G: Konnten Sie Garage einordnen?
M: Ja. Ich habe gedacht: Es ist unsinnig, dass er geht. Meiner Meinung nach kann man ja klären, wenn was stimmt. Uwe war sehr aufgeregt, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich war im Kittel, arbeitete noch in der Kaufhalle. Bin nur kurz raus. Habe ihn gebeten, den Vati anzurufen. Das war ein Sekundengespräch.
G: War die Rede davon, was er machen wird, wohin er geht? Hat er nur von sich gesprochen?
M: Ich müsste jetzt schwindeln, aber ich glaube, er hat gesagt, Beate und der andere Uwe würden mitgehen. Am Samstag waren die Fotos der drei in der Zeitung, da wusste ich Bescheid.
G: Hat André K. irgendwas gesagt?
M: Nein, der stand nur dabei, kein Wort.
G:Hat er eine Erreichbarkeit hinterlassen?
M: Gar nix, er hat mir nur gesagt, zehn Jahre muss er wegbleiben, nach zehn Jahren wäre es verjährt.
G: Nochmal zu Gespräch bei Herrn Wohlleben?
M: Das muss abends gewesen sein. Das hat mir keine Ruhe gelassen, dass die Juliane mich beschwindelt. Die war da gewesen beim Ralf und da hat sie gesagt, sie wollte mich nicht aufregen. Da stand das Auto meines Sohnes, das haben wir dann mitgenommen, Ralf hat gesagt, er muss mit dem Auto zur Arbeit fahren. Ich kannte Juliane nicht, nie vorher gesehen. Da sie meine EC-Karte in der Hand hatte, war ich mir sicher, dass sie Uwe kennt.
G: Mitbekommen, ob Sohn Sachen mitgenommen hat?
M: Nach zwei drei Wochen kam Herr W., Zielfahnder, in die Kaufhalle, haben uns hinten reingesetzt, da hat er mich gefragt, ob ich ein Paket mit Kleidern packen könnte, da hab ich gesagt, das ist Quatsch, weil ich hab ihm ja für Ilmenau schon frische Wäsche eingepackt. ich hab meinen Mann angerufen und der war bei der Hälfte des Gesprächs auch dabei. Er wollte auch, dass wir für Uwe eine Kreditkarte besorgen. W.: "Wenn die Baumblüte ist, haben wir sie sowieso." Ich müsste Angst haben, wenn die Polizei ihn findet, dass die schießen, weil die als bewaffnet gelten, das ist mir noch in Erinnerung, weil es so ein Schock war.
G: Gab es weitere Kontakte zur Polizei?
M: Wir haben zweimal eine Vermisstenanzeige gestellt. Wir haben über Jahre nichts gehört, kein Brief, kein Anruf. Wir wohnten ja immer in der gleichen Wohnung, ich arbeitete 30 Jahre in der Kaufhalle.
G: Haben Sie nochmal Kontakt zu Wohlleben, André K., Juliane W. aufgenommen?
M: Zu Wohlleben einmal: er wusste nicht wo der Uwe ist. Die Böhnhardts wussten angeblich auch nichts, auch nicht die Mutter von Frau Zschäpe.
G: Wann haben Sie Kontakte zu anderen Eltern aufgenommen?
M: Direkt danach. Wir waren sehr unruhig, sind abends rumgefahren, haben Auto von Uwe Böhnhardt gesehen, rund herum Polizei. Danach sind wir zu den Eltern Böhnhardt gefahren. Ob sie etwas wüssten.
G: Nähere Umstände der Flucht?
M: Bin nicht sicher, aber ich meine, er sagte, er gehe mit Zschäpe und Böhnhardt. Nähere Umstände hat er nicht gesagt. Er hat nur gesagt: Mutti, zehn Jahre. (wegen der in der Garage sicher gestellten Flugblätter). Ich stand leicht unter Druck, es war kurz vor Schließung der Kaufhalle, ich musste noch das Fleisch zudecken. Wenn ich Feierabend gehabt hätte, dann wäre das Gespräch vielleicht intensiver gewesen.
G: Haben Sie nicht nachgefragt, als er von den Waffen sprach?
M: Nein, das ist so stehen geblieben.
G: Warum sind Zschäpe und Böhnhardt geflohen?
M: Ich dachte, die hätten etwas in der Garage drin gehabt. Mit Waffen oder Wurfsternen hab ich mich nie beschäftigt. Wir wussten, dass der Uwe Böhnhardt eine Woche später ins Gefängnis hätte gehen müssen, und mein Uwe hat uns mal gesagt, dass der Uwe mal gesagt hat, dass er nie wieder ins Gefängnis wollte, weil er da so schlimme Sachen erlebt hat.
In der Zeit hat Uwe einen Jugendclub mit aufgebaut, und der Uwe war zu dieser Zeit kein Rechter, und er war auch ordentlich gekleidet und hatte ordentliche Haare und hat sich wirklich über den Jugendclub gefreut. Die schwarz-rot-goldenen Hosenträger habe ich ihm gekauft, ich habe mir da gar nichts bei gedacht.
G: Haben Sie mal Uniformen bei ihrem Sohn gesehen?
M: Einmal hab ich so eine Hose und ein Hemd gesehen, die hatte er gefärbt in braun, da hab ich ihm gesagt Uwe, das will ich nie wieder sehen, und das war dann gut.
G: Als er verschwunden ist, wie haben Sie das eingeordnet?
M. Ich hab nicht geglaubt, dass es das letzte Mal ist, auch wenn er es gesagt hat. Er hat gesagt, in zehn Jahren komm' ich wieder, da hab' ich geschluckt. Ich hab' das einfach so genommen, wie er sagte. Bei mir kamen einfach nur die Tränen, dann auf Wiedersehen und er ist gegangen.

11.25 Uhr, Pause bis 11.45 Uhr.

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 11.52 Uhr.
G: Welche Informationen hatte Wohlleben über Aufenthaltsort von ihrem Sohn?
M: Keine.
G: Wann sind Sie das erste Mal nach Uwes Verschwinden in seine Wohnung gegangen?
M: Eine Woche danach.
G: Juliane hatte Schlüssel. Hat sie den jemals zurückgegeben?
M: Ich kann mich nicht daran erinnern.
G: Haben Sie bei Wohnungsauflösung einen PC Ihres Sohnes gefunden?
M: Nein. Ich kenn' mich damit nicht aus. Das ist für mich ein toter Gegenstand.
G: Ist Ihr Sohn Links- oder Rechtshänder?
M: Rechtshänder.
G: Musik?
M: Udo Lindenberg und AC/DC.

Zu Überbringung Todesnachricht 2011:
M: Die Beate hat angerufen: "Hier ist die Beate. - Welche Beate? - Die Beate vom Uwe". - Und dann hat sie erzählt, dass der Uwe tot ist: Das mit Eisenach. "Machen Sie mal den Fernseher an. Das kommt in den Nachrichten." - Das war am 5.11.2011, früh um acht.
G: Hat sie gesagt, wie er gestorben ist?
M: Nein. Doch, halt, sie hat gesagt, die zwei hätten sich in die Luft gesprengt. Dann hab' ich sie noch gefragt, ob sie mich noch mal anrufen kann. Sie hat geantwortet: nein, sie will nicht noch mal anrufen. Sie kommt nie wieder zurück. Ihre Stimme war ganz normal, weder tief noch hoch.
G: Wie hat Ihr Mann auf den Anruf reagiert?
M: Er hat sofort gesagt, Ilona, wir müssen zur Polizei.

12.36 Uhr, Mittagspause.

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
Fortsetzung 13.41 Uhr.
RA Gül Pinar (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Süleyman Tasköprü): Wie Polizei auf Vermisstenanzeige reagiert?
M: Nichts, auch nichts gehört. Beim zweiten Mal Anzeige nur halbherzig aufgenommen. Er war volljährig und hat alleine gelebt. Er muss mir nicht sagen, wohin er geht. Uwe hatte gesagt, dass er zehn Jahre weg sein müsse, dann wäre es verjährt. Polizei hatte gesagt, er werde gesucht wegen einer Aussage.

Sachverständiger Henning Saß: Die jungen Leute beobachtet, Streit?
M: Ich habe sie nie streiten gesehen.
S: Über politische Fragen diskutiert?
M Nein, nicht in meinem Beisein.

14.19 Uhr, Ende Befragung.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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