NSU-Prozess


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101. Verhandlungstag, 2.4.2014 "Techtelmechtel mit Zschäpe"

Thomas S. hatte nicht nur eine kurze Affäre mit Beate Zschäpe, er soll auch ein ganz wichtiger Unterstützer des NSU gewesen sein. Heute war er als Zeuge geladen.

Von: Eckhart Querner

Stand: 02.04.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

02 April

Mittwoch, 02. April 2014

Thomas S. - Geliebter von Beate Zschäpe - war auch eine wichtige Figur in der sächsischen Neo-Nazi-Szene, hoher Repräsentant des rechtsextremen Netzwerks Blood & Honour sowie Sprengstofflieferant des NSU. Der Zeuge Thomas  S. also hat heute erwartungsgemäß die Aussage verweigert. Das darf er, weil gegen ihn ein eigenes Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" läuft. Schon nach zwei Minuten verließ S. wieder das Gericht. Aber der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte – auch erwartungsgemäß - vorgebaut. Denn statt S. wurde ein Beamter des Bundeskriminalamts befragt. Er hatte den Zeugen im Winter 2012 vernommen.

Schweigende Zeugen

Aber: Warum ist die Vernehmung eines Vernehmungsbeamten nötig? Und warum haben Beobachter nach gut 100 Verhandlungstagen immer noch den Eindruck, dass der NSU-Prozess nur schleppend voran geht? Das liegt natürlich zum einen daran, dass die Hauptangeklagte weiterhin beharrlich schweigt. Dann liegt es an einer Flut von Anträgen vor allem von Seiten der Verteidigung. Aber es liegt eben auch an der Tatsache, dass bei vielen Zeugen aus dem Umfeld des NSU, die die Aussage verweigert haben, die polizeiliche Vernehmung in den Prozess eingeführt werden muss.

Konkret heißt das für den 101. Verhandlungstag: Für den Fall, dass S. nicht aussagt, wurde vorsorglich den Vernehmungsbeamten des Bundeskriminalamts geladen. Der 40jährige Kriminalhauptkommissar berichtete zunächst aus seiner Erinnerung, er war bestens für diesen Tag vorbereitet und hatte zahlreiche Details aus der Vernehmung des NSU-Unterstützers Thomas S. präsent.

"Scheiß Gesaufe, wir müssen die Partei unterstützen"

So erzählte S. dem Polizisten, er habe ab Ende 1996 ein mehrmonatiges „Techtelmechtel“ mit Zschäpe gehabt. Die beiden Uwes seien nicht eifersüchtig gewesen, aber es sei ihm „auf den Zeiger gegangen“, dass sie immer dabei gewesen seien. Über Chemnitzer Neonazis sagte S., sie hätten eher feiern wollen. Die drei Mitglieder des NSU-Trios dagegen, die S. meist nur „die Jenaer“ nannte, seien eher politisch gewesen. Angeblich hätten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gesagt: „Scheiß Gesaufe, wir müssen die Partei unterstützen.“ Gemeint war laut Starke die NPD, für die man mit Flugblattaktionen arbeiten müsse.

Und dann sei S. von Mundlos und Böhnhardt noch mit einer Waffe bedroht worden. Nach einer Zeugenaussage, mit er in einem früheren Prozess rechte Kameraden belastet habe, hätten ihm die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen einen Besuch abgestattet. Wie der BKA-Beamte aus der Vernehmung berichtete, hätten die Uwes dem S. die Waffe an den Kopf gehalten. Er solle aufpassen, wem er was erzähle.

Satz für Satz

Nach ausführlichen Einlassungen des Polizeibeamten hielt der Vorsitzende Richter dem Neonazi Satz für Satz aus der Vernehmung vor. Götzl macht das, um die Zeugenaussage in den Prozess einzuführen und überhaupt verwertbar zu machen. Das zieht den Prozess in die Länge, ist aber im Interesse der Anklageseite. Damit werden gegebenenfalls auch die Aussagen von Zeugen verwertbar, die gegenüber der Polizei zwar ausgepackt haben, die sich aber vor Gericht nicht mehr erinnern oder nicht erinnern wollen.

Gegen 16 Uhr musste die Sitzung unterbrochen werden, weil sich die Hauptangeklagte Zschäpe unwohl fühlte und über Kopfschmerzen klagte. Ein Arzt des Landgerichts bescheinigte ihr vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit.

Morgen wird der Prozess fortgesetzt.


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