NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 91. Verhandlungstag, 11.03.2014

Im Zentrum dieses Prozesstages steht die Aussage der Beamtin des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, die V-Mann-Führer Andreas T. beauftragte, Informationen über den Mord an Halit Yozgat in Kassel zu beschaffen.

Von: Heike Borufka und Holger Schmidt

Stand: 11.03.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

T. war zur Tatzeit am Tatort, dem Internetcafe von Yozgat, will aber nichts von einem Mord mitbekommen haben. Seiner Kollegin gegenüber, sprach er schon sehr früh von einer Serientat. Woher wusste er das? Zuvor sagt ein Sachverständiger der Polizei zur Videoauswertung aus - T. war von einer Videokamera im Internatcafe gefilmt worden. Im Anschluss erläutert ein weiterer Sachverständiger das Gutachten zu Martin Arnold, dem Polizisten, der in Heilbronn angeschossen worden war.

Zeugen:

  • Werner I., Kripo Kassel (Videoauswertung Kassel, Mordfall Yozgat)
  • Thomas H. (Gutachten Martin Arnold)
  • Jutta E., Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz (Mordfall Yozgat)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Heike Borufka, HR)
Barbara John (Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und die Angehörigen) ist im Zuschauerraum.
9.55 Uhr Beate Zschäpe kommt: schwarzer Pullover, olivgrüne Hose, schwarz-weißes Tuch, Haare zum Zopf mit Glitzerspange zusammen gebunden
10.00 Uhr Hauptverhandlung beginnt

(Holger Schmidt, SWR)
10.08 Uhr
Zwei Hinweise aus der eben beginnenden Verhandlung:
1. Es sind acht (!) Nebenkläger persönlich anwesend. Darunter Elif Kubasik, Gamze Kubasik, Mehmet Turgut, Ismail Yozgat, Ayse Yozgat.
2. Es wird heute im Komplex Verfassungsschützer nur die Vorgesetzte von Andreas T. gehört werden. Der Kollege ist erkrankt.
Nun Pause bis 10:30 Uhr : Verteidiger wollen Tatortvideo vorab sehen

(Heike Borufka, HR)
10.35 Uhr Fortsetzung
Zeuge Werner I. wird aufgerufen, 56 Jahre alt, Kripobeamter aus Kassel.
Götzl: Geht um Rekonstruktion vom 20.6.2005. Wie war die Situation? Worum ging es? Und dann Video erläutern
I.: Kommissariat 11 hat uns ersucht, ins Internetcafe zu kommen, um den Weg zu rekonstruieren einer männlichen Person. Von einem der Internetplätze begab sich ein Mann in die vorderen Räumlichkeiten und verließ dann das Internetcafe. Es ging vor allem um Zeitspanne.
G: Welche Ermittlungsergebnisse?
I: Weiß ich nicht, Video wurde K11 übergeben. Wir haben das lediglich dokumentiert.

(Video wird gezeigt)
Zu sehen: Person setzt sich auf Platz, durch Kopfnicken wurde signalisiert, jetzt Start, Andreas T. geht durch den Raum, öffnet Tür, schaut raus, nach links und rechts, geht zurück, schaut hinten im Internetcafe nach, geht vor, holt 50 Cent-Münze aus der Geldbörse in der hinteren Hosentasche raus und legt sie auf den Tresen, verlässt Cafe und steigt in einen schwarzen Mercedes.

(Video wird 2. Mal gezeigt)

Rechtsanwalt Bliwier (Nebenklage Yozgat): Was waren denn Ihre Vorgaben worum es da überhaupt ging?
I: War primär das Zeitfenster, soweit ich das noch in Erinnerung habe.
B: Sehen Person, mit der es rekonstruiert wurde, ist Hr. T. Wussten Sie, wer das war?
I: Wusste, dass er im Internetcafe war.
B: Was war Ihr Hintergrund, auf dem Sie die Kamera geführt haben? Hatten Sie die Angaben des Hr. T. vorliegen? Vorher lesen können?
I: Nein
B: Wussten Sie, in welcher Eigenschaft T. teilgenommen hat? Zeuge? Beschuldigter?
I: Kann ich nicht mehr sagen
B: Gab es, bevor es losgegangen ist, noch eine Besprechung?
I: Davon gehe ich aus, dass wir uns mit Kollegen vom K11 unterhalten haben. Für mich war das dieses Zeitfenster
B: Habe ich verstanden, frage nur nach Ihrem Hintergrund. Gab es ein Vorgespräch? Darüber unterhalten, wie das ablaufen soll?
I: Wie er sich verhalten soll, davon gehe ich nicht aus. Haben uns sicherlich darüber unterhalten, was aufgezeichnet werden soll. Kann mich aber nach 8 Jahren nicht mehr genau erinnern. Aber anders würde es keinen Sinn machen
B: Können Sie Zeitfenster noch konkretisieren?
I: Nein
B: Sind Sie gemeinsam mit den Kollegen und T. dort angekommen? Oder haben Sie vorher die Räume anschauen können? Wie ausgeleuchtet?
I: Nein
B: Wer war dabei?
I: Kann mich an Kollegen B. und Kollegen T. erinnern. die anderen nicht mehr, waren mehrere Kollegen
B: Vorher Probelauf? Wurde Andreas T. gebeten, dass er mal zeigen soll, wo er gelaufen ist?
I: Glaube, dass er gesagt hat, welchen Weg er geht. Denn wenn man videografiert, muss man wissen, welchen Weg man geht. Ist Vermutung, keine konkrete Erinnerung
B: Probelauf?
I: Wird sicherlich so gewesen sein, kann mich nicht mehr genau erinnern
B:Gibt es weiteres Videomaterial?
I: War einziges, das ich gemacht habe.
B: Wussten Sie damals, dass das eine Rolle spielen könnte, welche Blickmöglichkeiten Hr. T. haben konnte?
I: War zu diesem Zeitpunkt nicht Gegenstand der Aufnahme
B: Ging es auch um die Frage, was man sehen kann, wenn man vor dem Tresen steht und Geld hinlegt?
I: Meines Erachtens war das zu diesem Zeitpunkt nicht Gegenstand der Aufnahmen.
B: Was sind die Begrenzungsdaten dieser Zeitfenster?
I: Mit Beginn der Videoaufnahme, wo T. sich erhebt, bis er nach draußen geht und sein Auto besteigt
B: Wussten Sie, dass sich dort Zeugen aufgehalten haben?
I: Nein
B: Wie lange waren Sie dort?
I: 10 Minuten, plus minus
B: Haben T. da gehen sehen, man kann langsam oder schneller gehen und Einfluss nehmen auf Zeitfenster. Gab es Vorgaben?
I: Nein, die gab es nicht
B: Ist T. separat gekommen oder mit den anderen Kollegen?
I: Soweit wie ich es noch in Erinnerung habe, war T. wohl in Begleitung der Kollegen von K11.
Zeuge wird um 11 Uhr unvereidigt entlassen

(Heike Borufka, HR)
11.15 Uhr
Ismail Yozgat ergreift das Wort: "Sehr geehrter hoher Senat, sehr geehrte Bundesanwälte, sehr geehrte Angehörige der Märtyrer, sehr geehrte Gäste"
Götzl unterbricht, möchte erfahren, wozu er eine Erklärung abgeben will.
Bliwier: Hr Vorsitzender, es geht darum, dass Hr. Yozgat darum bittet, zu seinen Gefühlen, zu dem Gang des Verfahrens eine kurze Stellungnahme abzugeben. Hr. Yozgat hat beschwerliche Reise auf sich genommen. Ich bitte in aller Form darum, dass Hr. Yozgat die zeitlich begrenzte Erklärung abgeben darf. Familie ist nicht häufig da. Soviel Zeit und Aufwand muss einfach sein.
G: Dafür sind Sie ja da. Sie können Ihre Mandanten beraten, wann der richtige Zeitpunkt da ist. Nicht Hr. Yozgat, dafür sind Sie anwesend, um ihm zu erklären, wann die richtige Situation da ist. Ich will hier nicht kleinlich verfahren. Sind viele Verfahrensbeteiligte. Bei allem Verständnis für Hr. Yozgat. Sehe natürlich das Problem. Wenn es eine sehr kurze Erklärung ist….
B: Wir werden nicht unsere Mandanten entmündigen
G (sauer): Darum geht es auch nicht

(Holger Schmidt, SWR)
Bliwier: Jetzt lassen Sie ihn doch, wir wären schon lange fertig!
Götzl: Jetzt kommen Sie mir nicht so. Das ist ungehörig.
Sie wissen genau, dass es darum nicht geht und ich hier berechtigt die Verfahrensleitung wahrnehme.

(Heike Borufka, HR)
B: Fam. hat eigenes Erklärungsrecht, darum bitte ich darum. Möchte nicht streiten, bitte nur darum, Verständnis zu haben. Muss auch Raum sein.
G: Und worum geht es dann?
B: Es geht um Gefühle von Fam. Yozgat, wie das wahrgenommen wird, um den Schmerz und auch um die Entwicklung der Aufklärung, die Frage der Straße in Kassel, Bemerkungen von Bundeskanzlerin Merkel.
Bundesanwalt Diemer: Als Bundesanwalt bin ich ans Gesetz gebunden, auch wenn ich Verständnis für Hr. Yozgat habe.

G. will wissen, worum es in der Erklärung geht
Bliwier: Rechtslage ist auslegbar. Verteidigung sollte sich was schämen, an dieser Stelle sich das nicht anhören zu wollen, was Hr. Yozgat sagen will. Bittet um 15 Minuten Unterbrechung.

(Holger Schmidt, SWR)
Zeuge: Thomas H., 51, verwitwet, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Weinsberg (Gutachten Zeuge Arnold)
H: Man habe ihm erst gesagt, er habe einen Unfall gehabt und er habe das nicht zuordnen können. Man sei bei Kamps gewesen. Er sei der Beifahrer gewesen und habe sich rumkutschieren lassen. Er glaube, dass er eine Pizzaschnitte gegessen habe. In der Hypnose seien Leute von hinten gekommen, sei Ratzfatz gegangen, habe sich ein Bild erstellt. Er wisse nicht, ob er mit dem Essen fertig gewesen sei, er wisse nicht, ob er geraucht habe. Er wisse nicht, ob er einen Schatten gesehen habe. Er sei sich sehr unsicher, ob er die Person auf seiner Seite gesehen habe. Er habe versucht, die Lücke zu schließen, er müsse versuchen, diese Lücke zu schließen, es sei aber nun egal, für ihn sei die Sache jetzt rund.
Er habe am 01.09. Dienst wieder angetreten und sei danach 3 Jahre in Villingen zum Studieren gewesen, sei jetzt im Innendienst. Danach habe es im Kopf einen Knall gemacht und alles sei herausgekommen. Flashbacks und wenn die Dienstwagen rausgefahren seien, habe er Sorge gehabt, ob sie alle zurückkommen. Familiäre Probleme.

(Heike Borufka, HR)
13.08 Uhr
Zeugin Jutta E., 58 Jahre alt, Beamtin beim Land Hessen, Landesamt für Verfassungsschutz (hörbar nervös).
Götzl: Es geht uns um Gespräche zwischen Ihnen und Herrn T. im April 2006. Das ist auch der Gegenstand, warum wir um eine Aussagegenehmigung (des Verfassungsschutzes) gebeten haben vom 12.2.014.

Die  Aussagegenehmigung ist so eingeschränkt, dass sie nicht für operative Vorgänge gilt.
G: Es geht uns um Gespräche. Was haben Sie denn dazu in Erinnerung?
E: Geht es jetzt um diesen Tag nach dem Mord?
G: Es geht um Ereignisse nach dem 6.4., nach der Tötung von Hr. Yozgat.
E: Gut kann ich mich noch erinnern an den Tag danach. Da hatte T. Urlaub. Herr F., mein damaliger Vorgesetzter, hat mich beauftragt, beim Staatsschutz des Polizeipräsidiums Nordhessen nachzufragen, was vorgefallen ist. Das habe ich dann am Montag weisungsgemäß gemacht und T. beauftragt, zu der Staatsschutzstelle zu gehen. An weitere Gesprächsinhalte kann ich mich so genau nicht mehr erinnern. Stand ja wohl in der Zeitung oder wurde in den Nachrichten gesagt, dass es wohl im islamistischen Bereich war. Und weil das zu unserem Aufgabenfeld gehörte, sollte gefragt werden, ob es irgendwelche Informationen gab. Da es sich um einen türkischen Mitbürger handelte, war die Frage, ob es irgendetwas aus dem islamistischen Bereich war.
G: Was erfahren?
E: Wurde stark in den Medien darüber berichtet. Dass da ein Mord passiert ist, aber Einzelheiten sind mir nicht mehr so erinnerlich.
G: Wie hat sich T. verhalten?
E: Hat diesen Auftrag, den ich ihm gegeben habe, entgegen genommen und gesagt, dass er sich drum kümmern würde, was er auch gemacht hat. Wirkte nicht nervös. Auftrag war, um wen es sich handelte beim Getöteten und ob es schon was gibt, wer der Täter wäre und ob es etwas gibt über islamistischen Hintergrund. Aber war alles nicht der Fall.
G: Hat T. schon etwas gewusst?
E: Hatte schon davon gehört, aus Zeitungen oder Medien. Nur noch schwach in Erinnerung, dass er gesagt hat, es könnte sich um bundesweiten Reihenmord handeln, also Serientäter. Genauen Wortlaut weiß ich aber nicht mehr. Wo er die Information her hatte, das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Er meinte nur, er hätte das irgendwo gelesen oder gehört, aber ich habe nicht gefragt, wo er das her hatte.
G: Weitere Gesprächsinhalte in Erinnerung?
E: Wir haben dann mit Sicherheit die Woche auch noch darüber gesprochen. Habe die Woche danach einen zweiwöchigen Urlaub angetreten. Deshalb war mir die Brisanz gar nicht bekannt. Haben nur darüber gesprochen, was in der Presse stand. Hat nicht gesagt, dass er den kennt. Hat gesagt, er weiß, wo das Cafe ist, weil das auf seinem Heimweg liegt, aber nicht, dass er es besuchen würde.
G: Was ist denn noch zwischen Ihnen über diese Tat und die Umstände gesprochen worden?
E: War schon Thema, aber nur spekulativ, "wer könnte dahinter stecken, wer könnte der Täter sein", aber nichts Konkretes
G: Was für Spekulationen?
E: Die üblichen wie auch in den Medien, dass es Tat aus Drogenmilieu sein könnte, weiß nicht, was damals in den Zeitungen stand. Ging mehr so in die Richtung Drogen.
G: Hat T. mal erwähnt, dass er sich dort in dem Cafe aufgehalten hat?
E: Nein. Habe erst davon erfahren, als ich aus dem Urlaub zurück kam, da war er aber schon verhaftet.
G: Außer Hr. F., T. und Ihnen, wer war da noch in der Außenstelle tätig?
E: Es gab noch drei Halbtagskräfte, die sich die Arbeitszeit geteilt haben, und einen etwas älteren Kollegen, Hr. G.
G: Stichwort Serientat: ist das als Thema nochmal aufgekommen in der Woche?
E: Kann sein, aber das könnte ich jetzt nicht mit Sicherheit behaupten (Zeugin wird ruhiger)
G: War das neu?
E: War für mich neu zu dem Zeitpunkt
G: Haben Sie in der Presse zu dem Zeitpunkt was darüber gelesen?
E: Könnte ich jetzt nicht mehr sagen
G: Gespräch einordnen, wann ungefähr?
E: Denke, habe ihn gleich vormittags darauf angesprochen, bei Polizei nachzufragen, aber ob er mir das mit der Serientat gesagt hat, weiß ich nicht. Kann auch sein, dass er die Info von da hatte. Bin ziemlich sicher, dass er an dem Tag da war. Bin sicher, dass der Außenleiter der Stelle Nordhessen, Hr. F., diese Info haben wollte
G: Warum sollte er die Abfrage machen?
E: Weil er die besseren Kontakte zu der Dienststelle hatte. Ich denke, das hing damit zusammen, dass Hr. F. ihn öfter dafür eingesetzt hat.
G: Gabs besonderen Beamten als Ansprechpartner?
E: Eigentlich nicht, hatten eigentlich mit allen ein gutes Verhältnis.
G: Zurück zum Verhalten Hr. T. an diesem Montag. Was können Sie noch zu der Gesprächssituation sagen?
E: Also ich habe jetzt keinen Unterschied gemerkt in seinem Verhalten zu anderen Tagen. Er hat ganz normal berichtet, dass er die Informationen geholt hat. Mehr haben wir nicht weiter darüber gesprochen, denn es gab noch keine großen Erkenntnisse. Ich habe jetzt keine Unsicherheit oder so was bemerkt.
G: War Thema, ob er überhaupt mal in dem Cafe war?
E: Er sagte, er wüsste, wo das Cafe wäre, weil es auf seinem Heimweg liegt, aber er hat nicht gesagt, ob er da schon war. Kurz nachdem er verhaftet worden war, gab es ein Gespräch. Ein Kollege war da vom Staatsschutz, aber, glaube ich, auch schon von der Mordkommission. Gefragt, ob wir bereit für ein Gespräch waren. Da haben wir zugestimmt. Da wurden wir aber eher gefragt, was er für ein Mensch ist und ob wir ihm das zutrauen würden.
Götzl hält aus Vermerk vor: "F. bat Frau E., Andreas bezüglich Internetcafes zu befragen"
E: Es ging darum, ihn zu K11 zu schicken, aber zu befragen, habe ich nicht in Erinnerung.
G: Vermerk: "Frau E. soll Andreas fragen, ob er Namen des Opfers kennen würde und ob es einen dienstlichen Bezug zu Verfassungsschutz kennen würde"
E: Ging eher um Hintergrund der Tat
Vermerk: "Andreas T. habe ihr gesagt, kenne Opfer nicht und suche Internetcafe nicht auf."
E: Dass er Opfer nicht kennen würde, dass wir darüber gesprochen haben, kann ich mich nicht erinnern, aber dass er das Cafe nicht kennt, daran kann ich mich erinnern. Er hat nur gesagt, er wüsste, wo es wäre, von Aufsuchen hat er nichts gesagt.

G: War es Thema zwischen Ihnen beiden, dass T. Internetcafes aufsucht?
E: War mal Thema. Wurde dann diskutiert mit der damaligen Vorgesetzten in Wiesbaden, dass man mal im Internet schaut, was da so geschrieben wird. Aber ich selbst habe das nicht gemacht.
G. hält Vermerk von Kripo vor: "Ihr sei bekannt, dass Hr. T. Internetcafes aufsucht"
E: Vielleicht hat er das mal erwähnt, aber mir war das nicht bekannt, dass er das aufsucht
G: War das ein Problem in Bezug auf Arbeit?
E: War damals so in den Anfängen. Wurde gesagt, man könnte doch auch mal das ein oder andere im Internet nachschauen. Ich war der Meinung, dass ist Aufgabe in Wiesbaden. Wir können das nicht auch noch bewältigen. Wir waren da anderer Auffassung. Er war da nicht ganz so abgeneigt. Vielleicht hatte er da auch mehr Übung. Ich weiß, dass er vorher irgendwelche Seiten besucht hat, um eine Frau kennenzulernen. Ich weiß das nicht genau. Ist nur eine Vermutung.
G: Vermerk: "Internetcafe in Holländischer Str. und Wolfshagener Str. ist für Andreas T. absolut tabu"
E: Haben das damals thematisiert, weil in dieser Gegend Internetcafes besucht werden von den Leuten, die wir beobachten. Sollten aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht besucht werden.
G: Wie lange kannten Sie Hr. T.?
E: Er war mit Unterbrechungen in Kassel. Kam im mittleren Dienst zu uns, ist 3 Jahre auf die Verwaltungs-FH gegangen und kam dann wieder, weiß aber nicht mehr, wie lange er bei uns war. Mir und Kollegen gegenüber war er immer sehr ruhig, hat über private Dinge nie was erzählt. Habe ihn immer für sehr engagiert und korrekt gehalten.

Rechtsanwalt Bliwier (Nebenklage Yozgat): Auf Vernehmung heute in irgendeiner Weise vorbereitet?
E: Habe nochmal versucht zu rekonstruieren, wann mein Urlaub begonnen hat. War sicher, dass ich bis Antritt Urlaub nicht wusste, dass Kollege involviert war. Habe das anhand von Unterlagen der Dienststelle und privaten Unterlagen nachvollzuzogen
B: Etwas mit Ladung verbunden? Worum sollte es gehen?
E: Dachte, geht um Ablauf, warum ich Hr. T. da hingeschickt habe. Weil es das einzige war, was ich mit T. im Laufe dieser Woche im Hinblick auf die Tat da zu tun hatte.
B: Berichterstattung verfolgt?
E: Am Anfang sehr stark, dann weniger.
B: Verfolgt, was T. mit Ihnen gesprochen hat, seine Vernehmung?
E: Nur am Rande. Bin im Internet darauf gestoßen, dass auch von Vernehmungen von T. Teile da sind. Habe einen Teil davon gelesen. Habe auch gelesen, wann er gesagt haben soll, dass es sich um eine Serie handelt und er von der Pistole gesprochen haben soll.
B: Haben Sie im Hinblick auf diese Info mit irgendjemanden gesprochen an der Dienststelle?
E: Ich habe einen Kollegen, der mir bei der Internetsuche das gezeigt hat. Der hat gesagt, da gibt es ganze Protokolle von der Vernehmung. Er hat das ausgedruckt und mir das gezeigt. Dann haben wir darüber geguckt. Wenn ich das richtig gelesen habe, war das die Vernehmung zu diesem Gerichtsverfahren. Wir haben das nicht besprochen, nur darüber geguckt und überlegt, was der Hintergrund war, dass ich hier geladen wurde.
B: Dann haben Sie gesehen, dass es auch darum ging, wann Hr. T. Ihnen welche Angaben gemacht hat?
E: Bin mir aber nicht mehr sicher, was er darauf gesagt hat (in seiner Vernehmung, deren Mitschrift sie im Internet fand).
B: Warum haben Sie das eigentlich gemacht?
E: Weil ich mich bemüht habe das Jahr rauszufinden. Hat mir Hr. S. (Kollege) geholfen und da sind wir auf das Protokoll gestoßen, haben es aber nicht komplett durchgelesen. Hat NSU und T. eingegeben und da ist er auf das Protokoll gestoßen.
B: Welche Teile gelesen?
E: Ich habe es überschlagen, nicht komplett gelesen
B: Was muss man sich mit "überflogen" vorstellen?
E: Ging mir hauptsächlich um die Jahreszahl, um den Zeitpunkt.
B: Wo aufgehört zu lesen?
E: Es ging halt hin und her, und dann kann er sich nicht mehr erinnern und dann habe ich aufgehört zu lesen.
B: Wann war das? Wie lange ist das her?
E: Ca. eine Woche
B: Wie lange haben Sie die Ladung?
E: 4 Wochen.
B: Warum genau vor einer Woche?
E: Es war lediglich, weil ich wissen wolle, wann das war. Sind aus Versehen auf Vernehmung gekommen
B: Ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn Sie hier sagen würden, dass Sie Interesse hatten, was T. hier in der Hauptverhandlung gesagt hat. Wenn Sie mir aber erzählen, sie hätten es ausgedruckt, weil Sie die Jahreszahl gesucht haben, glaube ich Ihnen das nicht
E: Habe ich nicht gemacht, hat Kollege gemacht
Götzl interveniert: Unterstellen in Frageform suggestiv, sie hätte das ausgedruckt. Das ist nicht in Ordnung.
B: Haben Sie gemeinsam mit Hr. S. (dem Kollegen, der ihr geholfen hat) am Rechner gesessen?
E: Nein, ich bin sogar weggegangen. Schon vorher im Grunde genommen. Er sagte:  es gibt noch ein Protokoll. Kam dann dazu, dass ich es noch hätte lesen können. Habe auch festgestellt, dass da nichts drin war, was mich interessiert hätte.
B: nur Protokoll ausgedruckt oder auch weitere Dinge?
Zeugin überlegt lange: Das war nur das Protokoll
B: Gab es eine Idee, dass man im Internet sucht, was T. hier gesagt hat?
E: Nein, haben nicht damit gerechnet, dass es sowas im Internet gibt.

E: War mir aber dann zu umfangreich und zu nichtssagend. War nichts Neues drin, was mir weitergeholfen hätte. Habe es nicht komplett gelesen und habe es dann weggelegt. Die ganze Brisanz war damals an mir vorbeigegangen, weil ich in Ägypten war.
Bliwier bohrt nach, warum sie es nicht zu Ende gelesen hat
Heer beanstandet förmlich die Frage (ist schon beantwortet)
G: Frage ist tatsächlich schon beantwortet.
B: Nehme es zur Kenntnis, dass Hr. Heer es beanstandet, aber das ist sein Problem
G: Warum sagen Sie das? Er hat es sachlich gemacht.
B: wo liegt Protokoll?
E: Liegt in der Dienststelle
B: Stand irgendetwas drin, wann Hr. T. das mit der Waffe erfahren haben will?
E: Darüber habe ich nichts gelesen
B: Kriegen Sie das noch zusammen, wann er das mit der Waffe gesagt hat? Möglichweise gab es mediale Info, welche Waffe benutzt wurde, erst am Montag um 16.40 Uhr. Deshalb hat das große Rolle in der Vernehmung (von T.) gespielt. Und Sie bleiben dabei, dass Sie das nicht gelesen haben wollen?
E: Ja, da bleibe ich dabei.

Rechtsanwalt Scharmer (Nebenklage Kubasik): Mit T. über V-Personen gesprochen, die  er geführt hat?
E: Ja
S: Kennen Sie Benjamin G.?
E: Ja
S: Was können Sie über ihn sagen?
E: Habe ihn zu diesem Zeitpunkt gar nicht gekannt, habe ihn später ein paar Mal getroffen. Ging nur noch mal darum, wann er T. gesehen oder getroffen hat. Da sollte nochmal nachgefragt werden. Mit Hr. F. zusammen. Kann sein, dass Hr. F. einen Vermerk darüber geschrieben hat. G. konnte eigentlich gar nichts darüber sagen. Hat nicht viel dazu beigetragen, dass es neue Erkenntnisse gibt. Ging eigentlich nur darum, dass wir fragen sollen, wann er ihn (T.) das letzte Mal gesehen habe. Aber an das Datum kann ich mich nicht erinnern.
S: Noch andere V-Personen getroffen?
E: Kann mich nur an Hr. G. erinnern. Der hatte Kontakte oder ich glaube sein Bruder hatte Kontakte zur rechtsextremistischen Szene.

S: Warum gerade diese V-Person gefragt, T. hatte noch mehr?
E: Weiß ich nicht mehr. Kann aber damit zusammenhängen, dass es möglicherweise einen zeitlichen Zusammenhang gab
S: Sie sagten vorhin, islamistischer Bereich sollte möglicherweise Rolle gespielt haben. Warum dann die einzige rechte Quelle gefragt?
E: Bin nur mitgegangen als 2. Person

Rechtsanwältin Pinar (Nebenklage Tasköprü): Wodurch haben Sie erfahren, dass T. verhaftet worden war?
E: Bin von Kollegin Frau G. (?) angerufen worden. Das war der Abend, bevor ich wieder arbeiten musste. Konnte das im ersten Moment gar nicht glauben. Hat mir gesagt, es war im Zusammenhang mit dem Mord. Haben gar nicht darüber gesprochen, worauf sich der Verdacht begründet hat. Wir waren alle total erstaunt. Es hat ihm keiner zugetraut.
P: Irgendwann erfahren, woraus sich Verdacht ergeben hat?
E: Das muss alles nach meinem Urlaub gewesen sein, aber wann weiß ich nicht mehr.

Rechtsanwältin Wierig (Nebenklage Tasköprü): Welchen Ruf hatte T.?
E: Er war anerkannt, wurde als Vorbild hingestellt, weil er fleißig und ehrgeizig war.
W: Fällt Ihnen eine bestimmte Person ein, die ihn besonders gelobt hat?
E: Waren die direkten Vorgesetzen, glaube, dass Hr. F. und Frau P. ihn sehr gelobt haben.

Zeugin wird entlassen. Wenig später ist Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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