NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 69. Verhandlungstag, 18.12.2013

Am 69. Verhandlungstag wird als einziger Zeuge Siegfried Mundlos angehört, der Vater von Uwe Mundlos. Er ist der Meinung, sein Sohne Uwe Mundlos sei schon lange vor dem Prozess vorverurteilt, von der Staatsanwaltschaft, dem Verfassungsschutz, der Presse. Schnell gerät er in Konflikt mit dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, nennt ihn in Rage einen "Klugsch … ".

Von: Gunnar Breske, Thies Marsen, Mira-Catherine Barthelmann und Matthias Reiche

Stand: 28.04.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Siegfried Mundlos versucht, seinen Sohn Uwe Mundlos zu entlasten. Aus seiner Sicht ist sein Sohn durch den Kontakt zu V-Leuten des Verfassungsschutzes verführt und in die rechte Szene gezogen worden.

Zeuge

  • Siegfried Mundlos (Vater von Uwe Mundlos)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Gunnar Breske, MDR / Thies Marsen, BR)
Vernehmung Mundlos beginnt 10.37 Uhr. Siegfried Mundlos, 67, pensioniert, Jena.

Siegfried Mundlos: Möchte Dinge vorausschicken. Unschuldsvermutung bei Presse und Prozessbeteiligten und der Staatsanwaltschaft ...
Richter Manfred Götzl unterbricht sofort. Wortwechsel.
Götzl: Sie müssen jetzt ihre Rolle als Zeuge einnehmen, Sie können nicht den Fortgang der Verhandlung bestimmen.
Mundlos fährt fort: Range (Generalbundesanwalt) äußerte sich so, dass die Beweise schon erbracht ssind. Alle nicht erbrachten Beweise sind in das Reich der Verschwörungstheorien unterzuordnen. Wir - meine Familie sind ja Verletzte - müssen uns seit 15 Jahren anhören, dass da eine Bombenwerkstatt existierte, dass stimmt ja gar nicht. Gut, ich werde jetzt ihre Fragen beantworten. Mein Sohn extrem ehrlich und nicht handlungsfähig. In den rechten Bereich abgedriftet. Gab auch handgreifliche Auseinandersetzungen. Beendet nach zehn Jahren die Schule. Lehre als Datenverarbeitungskaufmann bei Zeiss gemacht. 1992 Beate Zschäpe kennengelernt, seine erste Freundin. Habe mich gefreut, sie wollte auch mal in Disko gehen, wäre lieber mit einem neutraler gekleideten jungen Mann losgegangen.
(M. überschlägt sich beim Erzählen, wirkt hektisch, aufgeregt.)
Kaum Freizeitangebote, einige haben geklaut, hatten ja kein Geld, weil Eltern arbeitslos geworden waren. Habe versucht Freizeitangebote zu ermöglichen. Sind 1992 nach Krakow an den See gefahren, Uwe und Beate Zschäpe sowie noch ein Pärchen. Rechtes Gedankengut hat mich auch geärgert. Muss betonen, Beate Zschäpe war bis Ende 1994 alles andere als rechts, hätte sie dem linken Spektrum zugeordnet. Hatte ja auch rumänischen Vater, also von wegen Fremdenhass. Kinderlieb war sie, mit ihrer Lehre lief es nicht so optimal, wollte gern Kindererzieherin werden, Gärtnerin war nicht der Wunschberuf.

Mundlos: Mein Sohn kam zur Armee, seine Gesinnung nicht geändert. Uwe war damals nicht so tief in der rechten Szene verankert. Bin da ganz mit seinem Kommandeur auf einer Linie. August 1994 „Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen“, dass das in der in Presse hochgekocht wurde, das war Übergriff der Staatsanwaltschaft. Ich kam aus dem Urlaub, mein Sohn wollte nach Chemnitz, hatte Visitenkarte mit Charlie Chaplin als "der große Verführer" drauf dabei. Ich sagte noch: lass sie hier, viele verstehen den Witz dahinter nicht. Tag später stand Polizei vor der Tür - Hausdurchsuchung. August 1994 angeklagt wegen Symbolen - das war ein Übergriff der Staatsanwaltschaft. Es war eine Karte von Charlie Chaplin als "Großer Diktator". Eines Tages klopft es an der Tür, drei Polizisten, sie erzählen, dass er in Chemnitz mit Propagandamaterial erwischt worden ist, deshalb sollten wir Hausdurchsuchung zustimmen. Die wollten Wohnung stürmen lassen. Im Rucksack meines Sohnes fanden sie mehrere Kassetten mit Musik, AC/DC, Udo Lindenberg undsoweiter. Sie haben alles notiert. Bin nach Chemnitz gefahren, um Sohn abzuholen. Habe rausgekriegt, dass das ein Übergriff der Staatsanwaltschaft war, da war nur eine einzige Visitenkarte mit einem Bild von Charlie Chaplin, mit diesen Ereignissen hat man meinen Sohn noch über zwei Jahre drangsaliert, weil er Einspruchsfrist versäumt hat musste er 750 Euro zahlen, im „Schäfer-Bericht“ (Untersuchungskommission Thüringen) lese ich, dass das der einzige Eintrag gegen meinen Sohn im Zentralregister ist.
Es ist wochenlang darüber falsch geschrieben worden, will mir ersparen jede Zeitschrift einzeln anzuschreiben  (Siegfried Mundlos dreht sich zur Pressetribüne). Richter Götzl bittet eindringlich, er solle seine Zeugenrolle ernst nehmen und mit IHM reden.

Mundlos: Uwe hat dann nach der Armeezeit in Ilmenau sein Abitur nachgemacht. 1995 begann Aufbaustudium, das zum Abitur führen soll. Das ist eine positive Entwicklung, dachte ich mir. Habe mich aber getäuscht, hatte seine alten Bekannten Tino Brandt, André K. Wenn der Verfassungsschutz über 200.000 Euro in den Brandt steckt und junge Leute verleitet. Brandt hatte die Möglichkeit, junge Leute in VW-Bus zu stecken und sie zu einem Konzert zu schicken und dann kommt um 24.00 Uhr die Polizei und naive junge Leute gehen in die Falle.
(Götzl unterbricht: es geht um ihre eigenen Beobachtungen. Wieder Wortwechsel. Mundos: Habe Protokoll von Brandt gesehen. Wortwechsel.)
Mundlos: Erst nach der Armeezeit habe ich mich gewundert, dass sofort Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt bei meinem Sohn vor der Tür stehen. Ralf Wohlleben spielte keine große Rolle, mit dem Brandt war er eher zusammen. Noch eine Verbindung, das war die Betreuung von Gefangenen.
Richter Götzl moniert, dass er kaum folgen kann, was bei den Erzählungen des Zeugen eigene Erinnerung ist oder was angelesen ist. Götzl sehr eindringlich.
Zeuge Mundlos holt einen Apfel heraus, beißt rein. Götzl wirkt fassungslos. Wenn sie jetzt Hunger haben, unterbrechen wir für 15 Minuten. – Richter Götzl ist erbost.

(Gunnar Breske, MDR / Thies Marsen, BR)
12.24 Uhr.
Zeuge Mundlos entschuldigt sich, wollte nur seine Kehle schonen. Habe raue Stimme und da Schwierigkeiten. Essen des Apfels war nicht gegen sie und ihre Autorität gerichtet.
Richter Götzl: Ich mach das auch schon eine Weile, aber sie sind der erste Zeuge, der hier seine Brotzeit auspackt. (Gelächter)
Mundlos: Beate Zschäpe war regelmäßig bei uns, bei Familienfeiern, im Garten beim Grillen. Mitte Ende 1992 bis März 1994 wohnte mein Sohn bei Beate Zschäpe und ihrer Mutter. Abends in Waldgasstätte gefahren zum Essen, da waren Uwe und Beate Zschäpe mit dabei - einmal in der Woche vielleicht.
M.: Habe den Eindruck gehabt, dass Beate öfters ihre Meinung durchgesetzt hat. Sind viel rumgereist.
G.: Warum Uwe ausgezogen und zu Beate Zschäpe?
M.: Haben zusammen wohnen wollen, Beate Zschäpe hatte ein eigenes Zimmer. Meine Frau hätte es nicht gern gesehen, wenn Beate Zschäpe mit eingezogen wäre. Mein Sohn hatte seinen eigenen Kopf, Familienrat ist da nicht befragt worden.
G.: Welche familiäre Situation?
M.: Habe eine Frau, einen behinderten Sohn, Rollstuhlfahrer, der ständig Hilfe benötigt. Wir wohnen in der Wohnung obendrüber, also über der Wohnung meines behinderten Sohnes.
G.: Warum Uwe getrennt von Beate Zschäpe?
M.: Keine Ahnung, habe nur gefragt, warum er noch mit Beate Zschäpe und ihrem neuen Freund unterwegs ist. Kam von Armee und sagte, dass er wieder zu Hause einziehen will. Mit Beate ist es aus, sie hat einen neuen Freund.
G.: Böhnhardt?
M.: Frühjahr 1995, als mein Sohn von der Armee kam, da tauchten die beiden (Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt) wieder auf.
G.: Politische Einstellung?
M.: Bis Frühjahr 1995 gar nichts wahrgenommen. Mein Sohn hielt viel von Kameradschaft und war sehr ehrlich. Waren 30 bis 40 Leute, Uwe wollte nicht mit, kannte nur die Jenenser - Uwe A., Stefan A. (Cousin von Beate Zschäpe) war auch dabei. Er war auch zu Hause Thema, er war einmal Tippgeber für die Polizei. Mein Sohn hat eine Rangelei (circa 1992/93) gehabt, er zusammen mit einem anderen gegen einen dritten, dabei wurde auch Portemonnaie entwendet, kam zur Anzeige und Täter-Opfer-Ausgleich, da wurden beide Täter zu Schmerzensgeld verurteilt. Er hat sich bei der Familie des Opfers entschuldigt, dabei hat er erfahren, dass Stefan A. den Tipp gegeben hat, dass mein Sohn und der andere die Täter gewesen seien.
G.: Wer war der Zweite?
M.: Will nicht antworten, weiß nicht, ob ich da nicht Schwierigkeiten bekomme, die Sache ist verjährt, M.: Uwe hatte mitbekommen, dass A. klaut und häufig viel trinkt. A. brüstete sich noch damit, dass wenn er Tipps gibt, dass dann das Klauen weniger verfolgt wird. Da hat sich der Uwe von ihm getrennt, was schwierig war, weil ja die Beate eng mit dem Stefan verbunden war.
G.: Politische Aktion?
M.: Klebeaktion.
G.: Wie gemerkt?
M.: Vati gibt mal die Leiter, wir wollen Plakate kleben (konfuse Ausführungen). Was wäre, wenn die Partei seines Sohnes an die Macht käme. Glaubst du der André K. wäre ein besserer Medizinprofessor. Habe ihm erklärt, das sei völlig unrealistisch was er da wolle. Mundlos führt dann aus, dass Brandt ja so viel Geld hatte, dass er 80 Leuten in Rudolstadt den NPD-Mitgliedsbeitrag aus der eigenen Kasse bezahlt hat. Mundlos wendet sich an GBA, Verfassungsschutz nicht aus dem Verfahren rauszuhalten.
G.: Hohes soziales Bewusstsein?
M.: Wenn seine Freunde in der Klemme saßen, hat er geholfen. Mutter Böhnhardt wollte meinen Sohn losschicken, um ihren Sohn aus einer Drückerkolonne zu holen. Ärgerte mich, das fiel in die Schulzeit meines Sohnes. Ist öfters mal dem Böhnhardt zur Seite gesprungen, um ihm zu helfen, wie eine Art größerer Bruder. War 1997 „Puppen-Torso-Prozess“. Mein Sohn sollte Frau Böhnhardt hinfahren, später erfuhr ich, dass es darum ginge, dem Uwe Böhnhardt ein Alibi geben sollte, so wollte das Frau Böhnhardt - ein Gefälligkeits-Alibi.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
14.08 Uhr.
Richter Götzl: Stichwort "Drückerkolonne": Böhnhardt sei eine tickende Bombe gewesen. Was meinen Sie damit eigentlich?
Zeuge Mundlos: Kennen Sie den „Schäfer-Bericht“?
G.: Ich bin hier nicht bereit, hier auf ihre Fragen einzugehen.
M.: Mit dem Mann ist etwas in irgendeiner Weise schiefgelaufen, dieser Mann war auf jeden Fall eine tickende Zeitbombe. "Der Uwe Böhnhardt kam aus der Szene, das war ein gefährlicher Mensch, da musst Du vorsichtig sein, der kann Dich abstechen, das war in der Szene bekannt“, das hat mir ein Freund meines Sohnes gesagt. Diese Sachen muss die Familie Böhnhardt gewusst und bewusst verschwiegen haben.
Götzl: Wenn Sie diese Informationen hatten, sie waren doch der Vater!
Mundlos: Ja, Sie sind ein kleiner Klugsch...
G.: Was fällt Ihnen ein, mich so anzugehen?
M.: Sie können mich ruhig Prof. Mundlos nennen.
G.: Ich nenne sie Dr. Mundlos. Ich rede Sie mit ihren Namen an und nicht mit ihrem Titel.
G.: Woher wussten Sie diese Dinge über Böhnhardt?
M.: Aus dem Schäfer-Bericht. Da können Sie das nachlesen. Aber wenn Sie mir mitten im Satz die Aussage unterbinden …
G.: Ich habe extra nochmal nachgefragt. Die Frage ist doch berechtigt.
M.: Nein, die ist nicht berechtigt. Zur damaligen Zeit waren die ganzen Entwicklungen hier nicht bekannt. Ich muss doch nicht jedes Gespräch, das ich mit einem seiner Freunde geführt habe, mit meinem Sohn diskutieren. Sie tun so arrogant.
G.: Ich warne Sie.
M.: Herr Prof. Mundlos, ja!
G.: Nein, Herr Dr. Mundlos!
G.: Verhältnis zu ihrem Sohn?
M.: Ich war der Vater und das war mein Sohn. Fangen wir mal mit den letzten Schuljahren an. Ich habe seine Klasse unterstützt, indem ich Computerkurse gegeben habe. Ich habe mir schon Mühe gegeben, dass die Klasse und mein Sohn Vorteile haben. Und ich habe meinen behinderten Sohn betreut, das war nicht einfach.
Man hat meinen Sohn als systemkritisch sehen können. Er war kein „Fascho“ sondern ein systemkritischer Schüler. Hat auch an Demos gegen die Stasi teilgenommen. Danach ist er in merkwürdige Kreise geraten, kräftige Kerle, da fühlte er sich beschützt, die waren aber nur zum Teil rechts angehaucht. Und dann hat er die Beate kennengelernt und die war überhaupt nicht rechts. Der war es lästig einen Freund zu haben, der rechts aussieht.
M.: Wenn sie in Disco "Casablanca" gehen wollten, hat sie ihn angeschaut und gemustert und gemeint, das gibt doch nur Probleme. Ich habe immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Sohn gehabt, ich habe vielleicht nicht immer viel Zeit gehabt, ich hab ihm gesagt, was mir nicht gefällt - Kleidung, undsoweiter. Ich hab schon gemerkt, dass er bei manchen Sachen nicht auf meine Ansprache reagiert hat. Ich habe erst den Umfang der Aktivitäten in dem rechten Sektor durch die Polizei und Journalisten zur Kenntnis gekriegt. Dass er in Süddeutschland und in Sachsen war und immer wieder wegen Teilnahme an Demos aufgefallen ist, das habe ich nicht gewusst. Dass er sich entschlossen hat Abi zu machen, zu studieren, daraus habe ich geschlossen, dass er etwas klarer denkt.
G.: Verhältnis zu Mutter?
M.: War auch sehr gut. In der Familie gibt es keinen Grund, dass er in diese rechte Laufbahn abgedriftet ist! Habe immer bedauert, dass der Großvater so früh gestorben ist, der hätte ihm erzählen können, wie es im Dritten Reich gewesen ist.
G.: Rechtes Gedankengut Ihres Sohnes hat Sie sehr geärgert - was genau?
M.: Das Outfit - ich hab mir gedacht, man muss ja nicht so ein Outfit tragen, wo man ohne dass man gefragt wird in den rechten Sektor einklassifiziert wird. Oder rechte Aktionen, wie Demonstrationen oder Klebeaktionen. Die Zettel habe ich nie gesehen, nur ich hab mir gesagt, ich Stelle keine Hilfsmittel zur Verfügung.
G.: Verhältnis zu André K.
M.: K. war der Führer des „Thüringer Heimatschutzes“. Das war der Häuptling. Mein Sohn wusste ja gar nicht, dass er zum Thüringer Heimatschutz gezählt wurde, diese ganzen Strukturen sind den Leuten mit Sicherheit nicht bekannt gewesen. Das wurde wohl eher in irgendwelchen Schreibstuben ausgeheckt.

(Matthias Reiche, MDR)
15.05 Uhr. Es geht weiter.
Richter Götzl fragt noch einmal nach rechten Ideen des Sohnes, nach den Inhalten.
Zeuge Mundlos: Da gab es keine Inhalte, hätten sich zumindest nicht über Inhalte unterhalten.
Richter fragt nach Interessen des Sohnes.
Mundlos: Vielseitig interessiert, Radfahren, Computer, hatte viele Hobbys, allerdings Waffen seien nicht dabei gewesen.
Richter fragt nach Wohnungen.
Mundlos: erste Wohnung in Dorf bei Jena Ende 1995, zog dann Mitte 1997 wieder nach Jena zurück in die Leipziger Straße 65.
Richter: Wann hat Sohn André K. kennengelernt?
Mundlos: Kann es nicht sagen.
Richter fragt nach Wohlleben.
Mundlos: War wohl kein Bekannter des Sohnes.
Richter fragt ob, Mundlos noch einmal Kontakt zum Sohn hatte.
Mundlos verneint und möchte "jetzt mal einige Worte ohne Störung sagen wollen".
Richter fragt, ob seine Fragen als Störung angesehen werden, fragt weiter nach eventuellen Kontakten nach dem Untertauchen.
Mundlos spricht von Bombengarage als Propagandalüge, die zur Flucht führte.
Richter fragt nach Kontakt zum Familie Böhnhardt.
Mundlos: Trafen uns nach der Flucht, dabei habe Familie Böhnhardt gesagt der Sohn Uwe wollte fliehen, um nicht noch einmal in den Knast zu kommen. Auch seien die Untergetauchten bei Verwandten in Mecklenburg.
Offensichtlich ein schweres Zerwürfnis zwischen Familien Böhnhardt und Mundlos. Siegfried Mundlos fühlt sich vor allem von Frau Böhnhardt hintergangen.
Richter fragt, ob Mundlos bei André K. nachfragte, wo die Drei seien.
Mundlos: Meine Frau fragte mal nach, K. hätte wohl gesagt, die Drei könnten sich stellen, hätten ja nichts verbrochen.
Richter: Hat Sohn sich vor Flucht 1998 verabschiedet?
Mundlos: Nur telefonisch.
Will sich jetzt zur Propagandalüge von der Bombengarage äußern.
Richter sagt, dass dies erst mal zurückgestellt werde und er jetzt wissen wolle, welche Bemühungen es gab, Kontakt mit den Untergetauchten zu bekommen.
Mundlos erzählt kurz von der Verpflichtung eines Anwaltes und kommt dann wieder auf die "Propagandalüge von der Bombengarage".
Richter unterbricht und fragt, ob Mundlos überhaupt zuhört.
Mundlos: Haben Vermisstenmeldung gemacht.
Richter: Haben Sie versucht, Sohn am Handy oder über Freunde zu erreichen?
Mundlos: Nein, habe mich voll auf Familie Böhnhardt verlassen. Sonst hätte ich in Chemnitz geschaut. Aber natürlich hat die Zielfahndung auch immer gewusst, wo die drei Untergetauchten waren. Kommt jetzt wieder mit der Theorie, dass man die drei bewusst laufen ließ.
Richter fragt nach Mountainbike des Sohnes.
Mundlos: Rad war aus Wohnung des Sohnes verschwunden. Kommt jetzt wieder mit Theorie, dass André K. für den Verfassungsschutz arbeitete. Auf jeden Fall sei das Rad nach Gespräch mit K. und der angeblichen Konfrontation mit einer angeblichen V-Mann-Tätigkeit eine Stunde später wieder aufgetaucht.

(Matthias Reiche, MDR)
Götzl fragt noch einmal nach Gewaltbereitschaft von Böhnhardt.
Mundlos: Wie bereits gesagt wurde: Er ist als gefährlich beschrieben von den Freunden meines Sohnes, er soll auch einmal mit einem Luftgewehr aus einem Auto geschossen haben.
Richter fragt nach Äußerem von Böhnhardt.
Mundlos: Wie eineiiger Zwilling von meinem Sohn.
Richter fragt nach Rudolf Heß.
Mundlos: Mein Sohn war Fan. Aber auch hier ist der Verfassungsschutz mitschuldig. Tino Brandt bekommt Hinweis vom Verfassungsschutz, dass irgendwo eine Hess-Kundgebung stattfand, organisierte dann Fahrzeuge und Geld. So wurde Hess-Affinität des Sohnes unterstützt.

Mundlos wendet sich an die Opfer: Kann mitempfinden was für Leid sie erlitten haben. Will bei Aufklärung helfen. Kann auch erst wieder ruhig leben, wenn alles aufgeklärt ist.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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