NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 6. Verhandlungstag, 05.06.2013

Am sechsten Verhandlungstag wird die Befragung von Carsten S. fortgesetzt. Zunächst beschreibt er weitere Details der Übergabe der Tatwaffe. Danach schildert er seine Rolle in der rechtsextremen Szene und sein Verhältnis zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

Von: Frank Bräutigam, Oliver Bendixen, Matthias Reiche und Hans Pfeifer

Stand: 28.04.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Carsten S. beschreibt sich als Mitläufer, der Aufträge erfüllte ohne sie zu hinterfragen. Zum Beispiel, als er dem untergetauchten NSU-Trio wichtige Hilfe zukommen ließ. Er erläutert, wie sich sein rechtsextremes Weltbild entwickelte, an welchen Gewalttaten er beteiligt war, welche Motive dahinter steckten und wie er aus der Szene ausstieg. Auffällig ist an diesem sechsten Verhandlungstag, an wie vieles sich Carsten S. in seiner Aussage nicht mehr erinnert

Fortsetzung der Befragung des Angeklagten Carsten S.

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Oliver Bendixen, BR)
9.50 Uhr: Zschäpe lächelt und unterhält sich angeregt mit ihren Verteidigern Stahl und Sturm.

(Matthias Reiche, MDR)
Beginn 09.45 Uhr. Interesse am Verfahren bleibt auch am 6. Verhandlungstag überdurchschnittlich hoch. Immer noch Schlangen am Eingang und nicht alle kommen rein. Frau Zschäpe kommt diesmal wieder im hellen Kostüm und weißer Bluse, Wohlleben packt seinen Laptop aus Stoffbeutel mit Aufdruck "Jena", trinkt Milch. André E. wieder mit Sonnenbrille, die er absetzt, nachdem Fotografen den Saal verlassen. Zschäpe-Anwalt Heer ist für die Hauptangeklagte derzeit der bevorzugte Ansprechpartner. Holger G. verdeckt beim Betreten wieder sein Gesicht, Carsten S. ebenfalls. Nach Begrüßung fordert ein Nebenkläger-Anwalt erneut, Zuhörer aus dem Saal zu weisen, die im Auftrag von Verfassungsschutz, MAD, BKA und ähnlichen Behörden mit dienstlichem Auftrag im Saal sein könnten, um ihre Behörden zu informieren, die dadurch wiederum eventuelle Zeugenauftritte ihrer Leute vorbereiten könnten. Debatte darüber wird wohl immer wieder auftauchen. Richter Götzl sieht solche Behördenvertreter als Teil der allgemeinen Öffentlichkeit und will nach Pause den Beschluss verkünden.

(Frank Bräutigam, SWR)
Beschluss: Verfügung des Vorsitzenden wird bestätigt, also keine Nachforschungen unter den Besuchern. Behördenmitarbeiter würden Teil der Öffentlichkeit bilden. Es seien keine Tatsachen bekannt, dass Beobachter im Saal mit der Absicht, Einwirkung auf Beweismittel nehmen. Vernehmung Carsten S. geht weiter. S. von sich aus: Böhnhardt zum ersten Mal wahrgenommen beim Billardspielen in Winzerla, an Dart-Automaten gesehen, braune Uniform an, hohe Stiefel. Götzl: Zeit? Carsten S.: Ende 1996, jedenfalls vor Herbst 1997. Böhnhardt hätte damals ins Gefängnis gesollt. Im Gespräch war, dass er ausreisen wollte, in Richtung Südafrika oder Namibia. André K. war ja mal in Südafrika. Aus den Akten weiß ich, dass ich Tino Brandt angesprochen habe. (…) Einer der beiden Uwes hat mir im Kaufhaus einen Brief mitgegeben, eingesteckt in Winzerla, Familie Mundlos wohnt da, wohl bei denen eingeworfen. War mit Wohlleben einmal in Jena-Nord bei Mutter von Mundlos, bei Rewe an der Kasse, sie hat dort gearbeitet. Sie hat gefragt: ist alles in Ordnung? Bei Waffenübergabe wurden wir gestört: kam ein Mann, hat uns rausgescheucht. Habe Bild in Erinnerung, dass ein Uwe Waffe hinter den Rücken genommen hat. Weiß nicht mehr, wie das Gebäude aussah. War wohl ein Abbruchgebäude.

Carsten S.: Zur Szene nochmal. Einmal in Winzerla eine mobile Dönerbude umgeworfen. Nachts. Acht bis neun Personen. Immer wieder Aktionen im alten Gut in Burga(?), kleine Disco. Auf dem Heimweg: immer wieder Randale, einmal an Tankstelle Feuerlöscher leer gesprüht. Dönerbude: Scheiben eingeworfen. Dann noch ein Vorfall, als mit Autos von Kirmes gekommen. Ein Bekannter als Nazi beschimpft. Dann haben wir in kleiner Holzhütte auf Person eingeschlagen, habe einmal zugetreten. (Carsten S. wischt sich die Augen, weint er? Nicht sicher.) Götzl: gab es Verletzungen? Treten ist ja schwerwiegend. Carsten S: meine schon, stand in der Zeitung, dass sie schwer verletzt waren. (Wohlleben schaut ganze Zeit rüber und hört genau zu) Vorfall bei Polizeikontrolle. Beamter sagte: "Herr S. aus Neu Delhi". André K. gesagt: Heß wurde ja auch in Alexandria geboren. S: "was nicht passt, wird passend gemacht".

Carsten S: 2001 wurde ich von zwei, drei Autos verfolgt. Angst, dass mich jemand ansprechen will, dass ich Information sammel‘. Keiner angesprochen.
Götzl: Dönerbuden umgeworfen. Motiv?
S: einer aus der Gruppe hatte die Idee.
G: Hintergrund? Ihre Motivation? Auch allgemeine politische Vorstellungen?
S: gehe davon aus, dass es ein gewisses Feindbild war, diese Dönerbude. War spontane Aktion. "War 'ne lustige Aktion, haben uns einen Spaß draus gemacht, denen eins ausgewischt".
G: Wer war dabei?
S: Daniel S., hatte Schlüssel verloren.
G: Sonstige Personen?
S: Robbe oder Robert. Nicht sicher.
G: Weiterer Vorfall Dönerbude, warum? Wie war Ihre Rolle?
S: Ähnlich wie öfter nach Parties: betrunken Scheibe eingeschlagen. Dönerbude lag abgelegen, auf Parkplatz von "Teppichfreund".
G: Es geht mir mehr um die Motivation.
S: "Wenn da Bockwurstbude gestanden hätte, hätten wir es sicher nicht gemacht."
G: Weichen Sie mir nicht aus.
S: "Mischung aus Nervenkitzel und jemand eins auswischen, das war ein gewisses Feindbild." War immer spontan.
G: Was meinen Sie mit Feindbild? Wen meinen Sie denn mit Feind?
S: (schweigt sehr lange) Es fußt schon auf Gedankengut der rechten Szene, gegen Migranten, mit Deutschtümelei, darauf hat ein Feindbild gefußt. Mal Unterschriften gesammelt gegen doppelte Staatsbürgerschaft. Parolen auf Schilder "kriminelle Ausländer raus".
G: Wie waren Ihre politischen Vorstellungen?
S: Musik hat mich interessiert und Marco H. als Person. (Carsten S. antwortet nicht von sich aus auf Fragen nach seinem politischen "Innenleben", es geht ihm eher um äußere Abläufe. Auf Nachfrage geht er aber auf Ausländerfeindlichkeit ein.)
S: Fand zum Beispiel Gemeinschaftsgefühl auf Demo in München toll. Im Bus, die Stimmung war gut, deshalb André K. angesprochen. Kontakt zur Szene. "Meinungsbildung ist über Musik gelaufen", habe keine politische Diskussionen in Erinnerung. Mit Christian K. zu Mittwochstreffen, früher Sonntagstreffen. Da werden wir über solche Themen gesprochen haben. In NPD-Kreisverbandssitzungen gab es Tagesordnungspunkte. Ging um „Reich in alten Grenzen“, gegen multikulturelle Gesellschaft, gegen das Finanzkapital, das uns regiert."
G: Hat Ausländerfeindlichkeit bei Ihnen eine Rolle gespielt?
S: Das war Thema, sowieso, in der Musik.
G: Warum Dönerbude ausgewählt?
S: Lag schon zusammen, ausländerfeindliche Gespräche, das hat Rolle gespielt. Ich hab‘ mich nicht kritisch damit auseinandergesetzt, habe nicht dagegen geredet.
G: Damals auch damit identifiziert.
S: Ja.
G: Wie war die Weltsicht, wie das Menschenbild?
S: War einfaches Weltbild, sehr schwarz-weiß. Dass es uns schlecht geht als Deutschen, wir die Heimat einbüßen, regiert werden vom Finanzjudentum. In gewisser Weise habe ich daran geglaubt. Es gab auch Holocaustleugnungsbücher. Die habe ich nicht gelesen. Das stand für mich nicht im Mittelpunkt.
G: Was stand für Sie im Mittelpunkt?
S: Habe mich sicher gefühlt, wurde von Leuten gegrüßt, die mich gemobbt hatten, da hatte ich Respekt, da ging es mir gut, hab mich stark gefühlt. Habe irgendwann gemerkt, dass es nicht um mich als Person geht, sondern um das, was ich getan habe. Ähnlich wie auf dem NPD-Parteitag. Motto: "Wir sind nichts, Deutschland ist alles". Oft stand auch der Spaß im Vordergrund: "Cops-Running-Aktionen", wenn Polizei kommt, in andere Richtung rennen. "Zu einem guten Abend gehörte auch eine Polizeikontrolle". Welt war nach dem Einstieg für mich bunter. Hatte beim Ausstieg keine Skrupel.
G: Welche Rolle haben 97/98 Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gespielt? In der Szene, allgemein?
S: Drei, vier "Kennenlernsachen" vor Untertauchen. Deren Rolle: die waren welche von den Älteren, gehörten zur Clique um André K.
G: Wie standen die drei zueinander damals?
S: Dass Zschäpe erst mit Einem dann mit Anderem zusammen war habe ich erst aus der Presse erfahren.
G: Rolle André K.? Der war ja auf Sie zugekommen.
S: Weiß, dass er einer der Höheren war. Irgendwo schon mal aufgeschnappt.
G: Wann Wohlleben kennengelernt?
S: Habe ich konkret nicht im Kopf. War einige Male bei ihm in der Wohnung. Wann ich die drei zum ersten Mal traf, weiß ich auch nicht.
G: Wann intensiveren Kontakt mit Wohlleben?
S: Muss 1998 gewesen sein, weil da auch die Ansprache stattfand. Muss ja engere Kontakte gegeben haben, sonst hätte er mich nicht angesprochen.
G: Wie ordnen Sie das ein, dass er sie anspricht?
S: Zu André K. und Wohlleben gutes Verhältnis, zu den dreien gar kein Verhältnis.
G: Haben Sie sich nicht selbst gefragt: Warum kommen die auf mich?
S: Damals gefragt? Nicht dass ich wüsste. Haben gesagt, sie können es selbst nicht machen, wegen Überwachung.
G: Inwiefern war Überwachung Thema? Wie haben Sie die Situation damals eingeordnet, gesehen?
S: Möglicherweise Telefonüberwachung.
G: Was haben Sie sich vorgestellt, in welcher Lage die drei sind?
S: Wollten nicht gefasst werden. Wusste, dass Böhnhardt Bombenwerkstatt hatte und Strafe antreten muss. Stimmung war schon, dass alles sehr schwierig sei und wohl Gefängnisstrafen zu erwarten sind. Stimmung: Staat ist gegen uns, deshalb gibt es hohe Strafen.
G: Welche Infos zu Lebensumständen, wovon lebten die drei und wo? Was wussten Sie?
S: Ich hab‘ diesen Kontaktjob gehabt. Nicht drüber nachgedacht, wo die schlafen oder so.
G: Was wurde bei Gesprächen erörtert?
S: Wenn nix auf der Mailbox, dann war nix.
G: Wie häufig Gespräche?
S. Die waren öfter genervt, deshalb muss es ja öfters Kontakte gegeben haben.
G: Wozu sollte das System dienen?
S: So wie ich es beigebracht bekommen hab: Einfach Kontakt halten und da sein, wenn etwas gebraucht wird.
G: Können Sie das Gespräch schildern?
S: Weiß das mit dem Schnellsprechen, weiß, dass Zschäpe einmal dabei war, hab mit ihr nicht länger gesprochen, Hörer wurde hin und hergeben, man bekam kein konkretes Gespräch hin. Es war immer sehr kurz.
G: Wie war die Rolle von Wohlleben?
S: Gehe davon aus, dass er vor mir den Kontakt gehalten hat.
G: Erstes Telefonat: Wohlleben dabei?
S: Ja.
G: Als um Hilfe gebeten wurde, warum sind Sie aktiv geworden?
S: Gehe davon aus, dass ich denen helfen wollte. Das war schon der Grund: Ich kann helfen, wir stehen füreinander ein, dieser Zusammenhalt. Weiß nicht, ob ich Angst hatte, dass ich sonst rausfliege.
G: Verhältnis der drei zu Wohlleben?
S: Kann ich wenig dazu sagen. Mit den dreien habe ich ihn nicht in Erinnerung. Bis zum Untertauchen kann ich nicht sagen, welches Verhältnis er zu denen hatte.
G: Hatten andere zunächst vor Ihnen geholfen?
S: Wegen Überwachung sollte ich das machen, wahrscheinlich als Ersatz.
G: Kannten Sie André E.?
S: Nein.
G: Holger G.?
S: Bei Festnahme gedacht, dass er damit zu tun hat, hatte das vorher nicht mehr auf dem Schirm. Weiß, dass er auch Vertrauensperson ist.
G: Woher wissen Sie das konkret?
S: Weiß nur, dass es in Ordnung ist, wenn wir über die drei sprechen und Holger G. dabei war. Ich erinnere mich, dass er eine Vertrauensperson war.
G: Verhältnis der drei untereinander? Sie haben alle kurz bei Waffenübergabe getroffen.
S: Bei Übergabe war Zschäpe für zwei, drei Minuten da. Sie kam halt dazu, hat sich dazu gesetzt, hat keinen auf den Mund geküsst oder so.
G: Wie sind die drei miteinander umgegangen?
S: Habe nicht alle drei zusammen im Kopf.

Pause bis 13.30 Uhr.

(Matthias Reiche, MDR)
10.45 Uhr: Carsten S. ergänzt und präzisiert seine gestrigen Aussagen, dabei geht es vor allem um seine und Ralf Wohllebens Verbindung zum NSU. Insgesamt ziemlich präzise, aber wenig spektakuläre Erinnerung, Beate Zschäpe, so scheint es, hört wenig interessiert zu. Sie spielt bisher in den Erzählungen keine Rolle. Umso mehr dagegen Ralf Wohlleben, der sehr aufmerksam zuhört. Carsten S. gehörte offensichtlich gleichberechtigt in dessen Gruppe, zu der auch André und Christian K. gehörten und auch Daniel S.

(Hans Pfeifer, DW)
11.18 Uhr: Carsten S. erzählt alles etwas stockend. Nüchtern. Seine Ausführungen wirken oft etwas beziehungslos. Manchmal fast etwas stumpf. André E. schaut ihn die ganze Zeit aus der ersten Reihe der Anklagebank über die Schulter an. Die anderen Angeklagten schauen vor sich hin. Vielleicht Zufall, aber, Ralf Wohlleben, der auf derselben Anklagebank wie Carsten S. sitzt, hat sich heute maximal weit weg gesetzt: nicht zwischen seine Anwälte, sondern neben ihnen ganz außen auf der Bank.

(Matthias Reiche, MDR)
11.25 Uhr: Carsten S. beschreibt seine damalige Motivation, wirkt dabei nicht sehr überzeugend. So als habe er sich nicht wirklich mit seiner Naziperiode auseinander gesetzt. Hätte viel über die Musik aufgenommen. Kommt dann viel mit Allgemeinplätzen: Man sprach über "Machenschaften des Finanzkapitals", das Reich in den alten Grenzen, das man wieder schafft über die multikulturelle Gesellschaft, die man abschaffen wolle. Klingt alles etwas platt. Carsten S. macht bis heute nicht den Eindruck, übermäßig zum Nachdenken zu neigen. Zschäpe ist eher amüsiert während der Erinnerungsgeschichten von Carsten S.

(Hans Pfeifer, DW)
11.38 Uhr: Im Nachhinein wirkt Carsten S. wie der perfekte Kontaktmann für das untergetauchte Trio: etwas stumpf, etwas Mitläufer, aktionsorientiert und auf soziale Bestätigung aus. Dadurch konnte der Ideologe Wohlleben, der im Visier der Sicherheitsbehörden stand, Aufgaben an den unbelasteten Carsten S. delegieren. Der hat sie einfach übernommen und nicht viel gefragt. Möglich ist natürlich, dass er seine Rolle naiver und unbedarfter darstellt, als sie wirklich war.

(Matthias Reiche, MDR)
13.45 Uhr, Mittagspause beendet. Nun weiter mit Carsten S.: Telefonische Kontakte mit dem Trio begannen irgendwann in zweiter Jahreshälfte 1998, Carsten S. kann sich nicht genau erinnern oder will sich nicht erinnern, soll August 1998 in die bereits versiegelte Jenaer Wohnung Zschäpes eingebrochen sein, um Papiere - Ausweise und Akten - von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe rauszuholen, die gerade untergetaucht waren. Auch hier keine genauen Angaben, wer den Auftrag gab, was geholt werden und was mit den Dingen geschehen sollte. Auch wessen Papiere dies waren oder was in den Akten war, bleibt offen. Hat Motorrad gemeinsam mit Wohlleben entwendet, weil das Trio dies gefordert hatte. Schauplatz nahe des Baches Roda (bei Jena?). Carsten S. stellt sich als naiven, geistig etwas matten Nazihelfer dar, der immer nur Aufträge ausführte und nur vage Erinnerungen daran hat. Die Waffenübergabe war in Chemnitz, wo das Trio nach dem Untertauchen zunächst lebte. Er wurde dort angeblich am Bahnhof abgeholt, diesmal vom gesamten Trio, angeblich hatte er Papiere dabei, die von Beate Zschäpe unterschrieben werden sollten. Auch in diesem Fall: keine weiteren Erinnerungen. Ähnlich wenn es um die Übergabe von Waffe, Schalldämpfer und Munition geht. Carsten S. glaubte, die beiden Uwes bräuchten die Waffe zur Geldbeschaffung - bleibt aber auch dort sehr ungenau. "Ich weiß es nicht" und "ich kann mich nicht erinnern" sind zwei oft gebrauchte Formulierungen an diesem Nachmittag. Wird etwas zäh, weil Carsten S. nicht erklären will, was er dachte, als ihm das Besorgen einer Waffe angetragen wurden, Beate Zschäpe gibt sich weiter unbeteiligt.

(Frank Bräutigam, SWR)
Götzl: Wieso gerade Sie ausgewählt als Kontaktmann?
S: Glaube, dass Wohlleben mich für vertrauenswürdig gehalten hat.
G: Wann war denn Kontaktaufnahme zu den dreien?
S: Es muss 1998 gewesen sein.
G: Erst Einbruch in Ex-Wohnung Zschäpe?
G: Wieso gingen Sie davon aus, dass Wohnung noch nicht geräumt ist?
S: Wir sind öfters an Wohnung vorbeigegangen, hing auch die Fahne raus.
G: Das ist mir zu wenig, damit gebe ich mich nicht zufrieden. (Götzl wird etwas ungeduldig mit S.)
S: Mehr fällt mir dazu nicht ein.
G: Ich weiß nicht, wovon ich jetzt ausgehen soll.
G: Hatten Sie Auftrag, Akten und Ausweise holen?
S: Ja.
G: Wie war konkreter Auftrag?
S: Sachen da rausholen, Ausweise und Ordner, hat mir erklärt wo die sind.
G: Was sollten sie damit machen?
S: War erst nicht klar, dann kam Order, das zu vergraben.
G: Von wem?
S: Weiß nicht.
G: Wessen Ausweise waren es?
S: Reisepass dabei, aber von wem weiß ich nicht. Mutmaße von Zschäpe, weil es ihre Wohnung war.
G: Welche Akten?
S: Leitz-Ordner, zwei.
G: Hineingesehen?
S: Eher nicht.
G: Was sollte damit geschehen?
S: Vermutung: Zwischenlagerung? War Order, wenn die sich gemeldet hätten, wieder ausgegraben.
G: Warum sind sie das Risiko eingegangen?
S: Gehörte so dazu irgendwie, wüsste nicht, dass ich das diskutiert hab‘.
G: Wirft nochmal Frage nach Verhältnis zu den dreien auf und zu Wohlleben. Order etcetera. (er stellt sich als reinen Befehlsempfänger dar, der nichts hinterfragt).
G: Wo ist denn die Grenze dessen, was man von Ihnen verlangt? Was was von Ihnen verlangt wird, führen Sie das dann alles aus? Keine Skrupel?
S: Kann ich mich nicht dran erinnern.
G: Ist das nicht ein bisschen wenig: kann mich nicht daran erinnern?
G: Nachgefragt wozu geklautes Motorrad gebraucht wurde?
S: Kann mich nicht erinnern nachgefragt zu haben.
G: Warum nicht? Warum fragen Sie nicht nach?
S: Keine Ahnung.
G: Haben Sie mit Wohlleben gesprochen, wofür es gebraucht wurde?
S: Nein.
G: Übergabe der Waffe. Wie sah die Waffe aus?
S: Habe jetzt 1.000 mal gesehen, habe am 1.2. Bilder bekommen. Waffe war schwarz, Gewinde dran. Schalldämpfer war nicht aufgeschraubt.
G: Situation beschreiben bei der Übergabe.
S: Habe ein Bild vor Augen, Waffe hinter Rücken.
G: Was gesprochen?
S: Keine Bilder dazu. Munition ja. Zwischen 20 und 50 Schuss übergeben.
G: War Munition bestellt?
S: Ja.
G: Keine Bedenken, Waffe zu übergeben?
S: Anscheinend nicht.
G: Was haben sie sich vorgestellt, wofür sie gebraucht wird?
S: Habe mich das oft gefragt aber kriege es nicht mehr zusammen. Wusste ja von deren Geldnöten, von geplanten Auslandsreisen. Dachte, es geht möglicherweise um Geldbeschaffung.
G: Wofür dann der Schalldämpfer?
S: Der war ja dabei. Ich kann mich nicht erinnern, dass ...
G: Keine Skrupel? Befürchtungen?
S: Ich weiß es nicht. Ich möchte mir etwas erklären, das es rund macht, obwohl ich es nicht weiß von früher.
G: Deutlich: Haben Sie sich damals Gedanken gemacht oder nicht?
S: Ich kann mich an keine erinnern.
G: Ich dränge Sie, Ihre Erinnerungen zu erforschen. Geht um Waffe mit Munition und Schalldämpfer. Zu keinem Zeitpunkt Skrupel gehabt?
G: Kommen später nochmal drauf zurück …

(Frank Bräutigam, SWR)
15.11 Uhr
Götzl: Was meinten Sie, als Sie sagten, dass die "drei hoffentlich nichts von uns wollten"?
S: War so genervte Stimmung damals, waren eher froh, wenn die nichts wollten.
G: Genervt?
S: War nervig, sich darum zu kümmern.
G. hält Carsten S. nun weiter Aussagen aus dessen Vernehmung nach seiner Festnahme vor.
S damals: Zweites Halbjahr 1999, Uwes fragten nach scharfer Waffe, möglichst deutsches Fabrikat.
S: "Für mich war dieser Wunsch komisch und ich hatte 'Bauchschmerzen', aber ich war zu dieser Zeit tief in der rechten Szene drin, hatte keine Freunde mehr außerhalb der Szene und kam diesem Wunsch nach."
G: Was haben Sie mit komisch und Bauchschmerzen gemeint?
S: Ich erklär mir das so. Ist ja kein normaler Wunsch. Bauchschmerzen hatte ich, als es dann konkreter wurde.
S: Nach meinem Ausstieg wollten die drei mich nochmal sprechen, aber das habe ich abgelehnt. Haben mir wohl vorgeworfen, Geld unterschlagen zu haben.

Pause bis 15.30 Uhr.

(Oliver Bendixen, BR)
15.43 Uhr: Verteidiger will beenden, da Carsten S. am Ende seiner Kräfte ist und Konzentrationsprobleme hat.

(Oliver Bendixen, BR)
15.45 Uhr: Götzl stimmt Unterbrechung zu. Morgen weiter 9.30 Uhr. Für heute: Schluss.


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