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Friedensnobelpreis für EU Wir sind Nobelpreisträger

Die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis erhalten. Damit wurden die 500 Millionen EU-Bürger für ihre Leistung als Friedensstifter geehrt. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy rief dazu auf, mehr Europa zu wagen.

Stand: 10.12.2012 | Archiv

Mitten in ihrer schwersten Krise ist die Europäische Union in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Stellvertretend für die 27 Mitgliedsstaaten nahmen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz den Preis vom Vorsitzenden des norwegischen Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, entgegen. Auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs nahmen der feierlichen Zeremonie teil, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Frieden darf nicht als selbstverständlich angesehen werden. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen."

Thorbjörn Jagland, Vorsitzender des norwegischen Nobelkomitees

Die Entscheidung des Komitees war bei früheren Preisträgern und Menschenrechtsaktivisten auf Kritik gestoßen. Sie warfen Brüssel vor, oft hinter den eigenen Prinzipien zurückzubleiben. Auch der Zeitpunkt der Entscheidung für die EU als Preisträger wurde mit Blick auf die politischen Differenzen und gewaltsame Proteste gegen aktuelle Sparmaßnahmen kritisiert. Das Preisgeld von umgerechnet 930.000 Euro will die EU Kindern in Kriegs- und Krisengebieten stiften.

Kritische Reaktionen auf den Nobelpreis

Mehr Krieg als Frieden

"Die EU und ihre Mitgliedsländer gründen kollektive Sicherheit weit mehr auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen als auf die Notwendigkeit eines alternativen Herangehens." . Früherer Friedensnobelpreisträger, Bischof Desmond Tutu, Südafrika.

Waffenexporte

"Niemand kann den Friedensnobelpreis bekommen, der zu den größten Waffenexporteuren der Welt gehört. Jede Waffe findet ihren Krieg." Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei

Menschenrechtsverletzungen

"Die EU muss den Friedensnobelpreis als Verpflichtung für die Zukunft verstehen. Denn bisher wird sie auf dem Gebiet der Menschenrechte ihren eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht. Insbesondere ihre Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eines Nobelpreisträgers nicht würdig." Wolgang Gerz, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland

Mahnung und Warnung

"Der Preis steht dafür, dass wir in Zeiten der Krise, wo Leute zweifeln (...), eine Warnung kriegen, das große Erbe des 20. Jahrhunderts, nämlich diese Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft, nicht aufs Spiel zu setzen."

Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy rief die Mitgliedsstaaten dazu auf, mehr Europa zu wagen. Es gehe jetzt um Werte wie Verantwortung und Solidarität. Bis zum Beginn der großen Finanzkrise sei Europa eine "Win-Win-Situation" gewesen. Die meiste Zeit habe es keiner Anstrengungen der Mitgliedsstaaten bedurft, so der EU-Ratspräsident. Nun gebe es zum ersten Mal ein Test auf Solidarität und Verantwortlichkeit. Der Belgier mahnte, Länder mit finanziellen Schwierigkeiten müssten ihre Haushalte ohnehin in Ordnung bringen und glaubt glaubt, dass für die Gemeinschaftswährung die schlimmste Zeit vorüber sein könnte. Er sprach sich dafür aus, in Europa künftig Mechanismen zu schaffen, die effektivere und rechtzeitigere Warnsysteme enthalten, wie eine gemeinsame Finanzaufsicht.

"Europa ist die Lösung für die Krise, nicht die Ursache der Krise."

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete den Preis als eine außergewöhnliche Ehre. Der Staatenbund sei die Verwirklichung eines jahrhundertealten Traums, die EU habe den Preis verdient. Er warne aber davor, den Frieden als selbstverständlich zu nehmen und zu glauben, dass Rassismus und Hass in Europa auf ewig gebannt seien. Erst vor wenigen Tagen habe in Ungarn ein Mitglied des Parlaments gefordert, jüdische Parlaments- und Regierungsmitglieder zu registrieren. Auch der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) begrüßte die Auszeichnung der EU. Er bezeichnete den Friedensnobelpreis als Bürgerpreis, auf den jeder stolz sein könne.

Trotz Euro-Krise ein Grund zu Feiern

Eine Medaille mit dem Konterfei von Alfred Nobel, dem Stifter des höchsten Wissenschaftspreises. | Bild: dpa/picture-alliance zur Übersicht Nobelpreise 2012 Alle Preisträger im Überblick

Anfang Oktober wurden die diesjährigen Nobelpreisträger nominiert. Heute werden sie ausgezeichnet. [mehr]

In etlichen europäischen Städten laden die EU-Vertretungen Bürger zum "Public Viewing" ein. Feiern gibt es u. a. in Berlin und Stuttgart. Auch außerhalb Europas erhält die EU Würdigung: Das Empire State Building in New York erstrahlt am Dienstag in den europäischen Farben. Die Nobelpreismedaille soll einen Ehrenplatz im geplanten Museum für europäische Geschichte bekommen.

Die Friedensnobelpreisträger

Vom Krieg zum Frieden

Aus Sicht des Nobelpreis-Komitees hat die EU den Übergang Europas von einem Kontinent des Krieges zu einem Kontinent des Friedens geschafft. Die 1958 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründete EU - inzwischen von anfangs sechs auf inzwischen 27 Mitglieder angewachsen - habe sich um Versöhnung und Völkerverständigung verdient gemacht.

Die Idee der Union war, dass Nationen, die miteinander enge wirtschaftliche Kontakte pflegen, sich auch politisch näher stehen und nicht gegeneinander Krieg führen. Die Zusammenarbeit wurde auf Felder wie Umwelt-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ausgeweitet. In den 90er Jahren kam die Osterweiterung auf die Tagesordnung. Mit Kroatien steht nun ein Land kurz vor der Aufnahme, das in den 1990er Jahren noch maßgeblich in die Balkan-Kriege verwickelt war.

Doch aktuell ist die Union in einer schweren Krise. In Großbritannien wird laut über Austritt nachgedacht, die finanziellen Probleme der Eurozone diktieren das Tagesgeschäft.


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