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"Kampf der Nibelungen" Neonazis: Kampfsport gegen das System

Die Turniere wirken wie ganz normale Kampfsportveranstaltungen. Neonazis organisieren konspirative Events, um ihre Kräfte zu messen. Die Motive: Lust an purer Gewalt, Vernetzung der Szene und Rekrutierung neuer Mitglieder. Mittendrin: ein gewaltaffiner Kämpfer aus Bayern.

Von: Jonas Miller

Stand: 24.02.2018 | Archiv

Boxkampf Hooligans / Rechtsextreme | Bild: colourbox.com

Muskelbepackte junge Männer, meist glatzköpfig, schlagen mit Boxhandschuhen im Ring wild aufeinander ein. Ein Ringrichter bestimmt Sieger und Verlierer. Auffällig: Die Werbung für rechtsextreme Marken an der Bande, die Infotische mit Propaganda, der Auftritt von Rechtsrock-Bands - und die Tätowierungen der Kämpfer, oft Runen oder andere NS-Symbole. Bei den Veranstaltungen von "Kampf der Nibelungen" treten Neonazis, Hooligans, Rocker und Kampfsportfans an. Die Treffen werden konspirativ organisiert. Filmen und Fotografieren ist strengstens verboten.

Kampfsportler treffen Neonazis

Der "Kampf der Nibelungen" ist die wichtigste und größte Kampfsportveranstaltung des rechtsextremen Spektrums im Bundesgebiet. Im vergangenen Jahr besuchten mehrere hundert Anhänger das Kampfsportturnier in Nordrhein-Westfalen.

"Es ist eine Ansammlung von extrem rechten Hooligans, von Neonazis und Kampfsportlern, die das was in den 1980er Jahren Hooligans in den Stadien entwickelt haben, noch mal neu aufgesetzt haben. Nämlich zu sagen: Uns geht es um die Stählung des männlichen Körpers."

Kai Budler, Redakteur 'Blick nach rechts'

Einer der Kämpfer ist ein führender Aktivist der Neonazi-Organisation "Der dritte Weg" aus Nürnberg. Bei einem Turnier in Frankreich trat er als erster "Kampf der Nibelungen"-Boxer in den Ring. Der 30-Jährige wurde laut eigenen Angaben bei den Fallschirmjägern der Bundeswehr ausgebildet und schloss sich schon in seiner Jugend der rechten Szene an. Die Sicherheitsbehörden haben ihn auf dem Schirm und kennen sein Gewaltpotential.

Vorbereitungen auf den Tag X

Demonstration der Neonazi-Organisation III. Weg

Die Motive der Turniere sind vielfältig. Die Faszination purer Gewalt spielt eine besorgniserregende Rolle. Daneben geht es um die Vernetzung und Finanzierung rechtsextremer Gruppen. Und: Es sollen unpolitische Kampfsportler abgeworben werden. Der Wettkampf als Türöffner zur rechtsextremen Szene.

Dass es sich nicht nur um ein harmloses Kräftemessen handelt, bestätigt auch ein ehemaliger Führungskader der bayerischen Neonaziszene. Im Gespräch mit BR24 berichtet er von privaten, illegalen Kampfsportturnieren und Übungen bayerischer Neonazis im Wald. Teil des Trainigsprogramms: Angriffe auf politische Gegner und Polizeibeamte.

"In der Szene ist es natürlich elementar, dass man sich auf einen dubiosen Tag X vorbereitet, wovon die Nazis träumen, dass sie die Macht übernehmen. Deswegen halten sie sich fit mit Kampfsportübungen, mit Kraftsport und mit Wehrsportübungen.  Man bereitet sich auf Schlägereien auf Demonstrationen vor und auf Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern und der Polizei."

Ehemaliger Führungsaktivist der bayerischen Neonazi-Szene gegenüber BR24

Ursprünge im Nationalsozialismus

Immer wieder betonen die Macher solcher Kampfsportevents die Wichtigkeit eines "gesunden Körpers“, der durch "Wille, Disziplin und Fleiß" im Kampf gegen das verhasste demokratische System gestählt werden soll. Schon im Nationalsozialismus war der trainierte männliche Körper nicht nur Kultobjekt, sondern Kriegsinstrument. Vor allem in der Hitlerjugend dienten Sportveranstaltungen zur Wehrertüchtigung der angehenden Soldaten.

"Zum Rechtsextremismus gehört das entsprechende Männlichkeitsbild mit der strikten Trennung zwischen Mann und Frau. In dieser Ideologie hat der Mann das Land und die Frau zu verteidigen."

Thomas Witzgall, Redakteur 'Endstation Rechts Bayern'

Für Ende April ist ein Musik- und Kampfsportfestival der rechtsextremen Szene geplant. Die Veranstaltung ist als Kundgebung angemeldet, die Behörden können das formaljuristisch nicht verbieten. Gewaltaffiner Kampfsport wird so in der rechtsextremen Szene weiter an Bedeutung gewinnen.


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