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Zweifel am Flüchtlingsdeal Vom "schmutzigen Deal" und totaler "Gelassenheit"

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Kofler, hat das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei in Frage gestellt. Es könne nicht so fortgesetzt werden wie bisher. Linken-Chef Riexinger springt ihr bei. Die Regierung sieht dies dagegen "gelassen" und sieht keinen Handlungsbedarf.

Von: Gerhard Brack

Stand: 03.08.2016

Symbolbild: Die Beine und Schatten von drei jungen Männern auf der Flucht, mit Plastiktüten in der Hand | Bild: picture-alliance/dpa

Denn das Abkommen setze Rechtsstaatlichkeit auf allen Seiten voraus. In der Türkei sei diese zur Zeit aber nicht gegeben. Kofler verlangte deshalb eine grundsätzliche Neubewertung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens.

"Im Lichte der aktuellen Entwicklungen in der Türkei müssen wir umdenken."

Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler (SPD)

Zwar habe die Türkei viele Anstrengungen zur Versorgung der drei Millionen Syrer im Land unternommen, räumte Kofler ein. Auch sei es richtig, dass Deutschland und die EU sich finanziell daran beteiligten. "Vieles an dem Flüchtlingsabkommen funktioniert jedoch nicht", kritisierte Kofler

Kaum legale Einreisen von Syrern

Sie beklagte "verschwindend geringe" Zahlen von Syrern, die seit der Unterzeichnung des Abkommens im März legal aus der Türkei in die EU eingereist seien. Problematisch sei zudem die Asylantragstellung in der Türkei.

"Wir wissen, dass die Bearbeitung der Asylanträge von Afghanen, Irakern und Iranern in der Türkei nicht nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt."

Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler

Die Bundesregierung ging auf Distanz zu ihrer Beauftragten. "Wir stehen in vollem Umfang hinter diesem Abkommen", sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer in Berlin. Außerdem ergänzte Vize-Regierungssprecherin Demmer, die Regierung bleibe bei einer gelassenen Sichtweise. Sie widersprach damit indirekt Kofler, die das Abkommen in seiner bisherigen Form infrage gestellt hatte. Nach den Worten der Menschenrechtsbeauftragten setzt der Flüchtlingspakt Rechtsstaatlichkeit voraus. Diese kann sie aber mit Blick auf die Welle von Verhaftungen und Entlassungen nicht erkennen. Außerdem beklagte Kofler die geringe Zahl von Syrern, die seit März legal aus der Türkei in die EU einreisen konnten.

Kofler forderte: "Darüber kann die EU, darüber können auch wir nicht einfach hinwegsehen." Die Bundesregierung müsse sich jetzt Gedanken machen über andere Asylverfahren, regte sie an. Möglich sei zum Beispiel ein weiterer Ausbau der deutschen Botschaften im Nahen und Mittleren Osten, wo Schutzsuchende ihren Asylantrag stellen könnten.

Die Menschenrechtsbeauftragte hatte schon mehrfach vor einer Verwässerung der Menschenrechte gewarnt und auf Einhaltung von Mindeststandards gedrungen.

"Wir brauchen mehr Dolmetscher und Psychologen - wir brauchen mehr Experten, die wissen, wie es den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften geht."

Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler zu den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland

Für den Fall des Scheiterns des Vertrages hat jetzt die griechische Regierung einen Alternativplan der Europäer gefordert. Migrationsminister Mouzalas sagte der "Bild"-Zeitung, die EU brauche einen Plan B für den Fall, dass die Türkei ihre Grenzen für Flüchtlinge wieder öffne.

Linke: "Schmutzige Deals" müssen aufhören

Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte eine komplette Abkehr vom EU-Flüchtlingsabkommen. Stattdessen müsse es endlich eine europäische Lösung geben, so Riexinger:

"Die EU muss einen solidarischen und nachhaltigen Weg im Umgang mit Geflüchteten finden, sonst ist die Staatengemeinschaft am Ende."

Bernd Riexinger, Die Linke

Er forderte die Bundesregierung auf, Verantwortung zu übernehmen und die Vertreter der EU an einen Tisch zu bringen.

"Wegschauen, Schweigen und sich nicht die Hände schmutzig machen, so sieht die momentane 'Taktik' der EU aus. Das Auslagern der Geflüchteten vor die Tore Europas, schmutzige Deals und Abschottung funktioniert nicht und verstoßen gegen die Grundwerte demokratischer, freiheitlicher und rechtsstaatlicher Gemeinschaften."

Bernd Riexinger, Parteichef Die Linke

Brok: Abkommen hilft gegen Menschenhändler

Der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) dagegen warnte vor einem Aussetzen des Flüchtlingsabkommens. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament sagte dem ZDF, der Flüchtlingsdeal helfe dabei, "gegen Menschenhändler vorzugehen". Die Vereinbarung mit Ankara komme außerdem den drei Millionen syrischen Flüchtlingen zugute, die seit Jahren in der Türkei lebten, sagte Brok. "Was ist schlecht daran?", fügte er mit Blick auf das Abkommen hinzu und rief dazu auf, dieses Thema nicht mit Erdogans umstrittener Innenpolitik zu vermischen.

Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei

Unter dem Mitte März geschlossenen Abkommen nimmt die Türkei seit April auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge zurück. Dabei wurde ein besonderer Mechanismus für die Flüchtlinge aus Syrien vereinbart: Für jeden zurückgeführten Syrer nehmen die EU-Staaten einen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf. Seither ist die Zahl der Flüchtlinge, die über das Meer in Griechenland ankommen, stark gesunken. Bei einem nachhaltigen Rückgang der Migration über die Ägäis sollten weitere Flüchtlinge aus humanitären Gründen aufgenommen werden.


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