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Markus Söder im Interview "Ein Team braucht einen Teamgeist mit guten Einzelspielern"

Markus Söder soll neuer bayerischer Ministerpräsident werden. Im Bayerischen Rundfunk erläuterte er exklusiv, wie er sich die Zukunft der CSU vorstellt. Hier das Interview mit BR-Chefredakteur Christian Nitsche in voller Länge.

Stand: 04.12.2017 | Archiv

Markus Söder | Bild: BR

Herr Söder, wir haben es gerade im Film gesehen. Auf die Frage, wer ist jetzt eigentlich der Chef, Horst Seehofer oder Sie, da haben sie leicht gelächelt, dann aber gleich umgeschaltet, sehr staatsmännisch geantwortet und sehr knapp. Wie ist es eigentlich, das Umschalten? Erst Gegner Seehofer, jetzt Partner?

Also gelächelt habe ich deswegen, weil es die typische Frage war. Da haben wir dann mal eine Einigung, eine klare Botschaft an die Wählerinnen und Wähler, auch an die Mitglieder unserer Partei, und dann wird gleich wieder versucht, ein bisschen Zwist rein zu streuen.
Nehmen Sie uns das einfach einmal ab. Wir haben eine Zeit, die in Deutschland wirklich Verantwortung braucht. Eine instabile Situation in Berlin, eine neue Partei, die entstanden ist, rechts von der CSU, die das gesamte Parteienspektrum etwas durcheinanderwirbelt, und auch Umfragen bei uns in Bayern, die nicht ganz optimal sind. Und in so einer Phase müssen doch die Stärksten zusammenarbeiten.

Aber das ist nur ein Zusammenraufen und keine echte Partnerschaft, noch nicht jetzt?

Ich glaube, dass es intensiver ist, als man denkt. Wissen sie, Horst Seehofer und ich haben über die Jahre hinweg - jetzt werden hier die Punkte herausgestellt, wo man mal anderer Meinung war, aber wir haben tatsächlich immer dann, wenn es besonders schwierig war, am engsten und besten zusammengearbeitet.

Nur ein Beispiel: die Sanierung der Landesbank, die ja nun die größte Hypothek war, die diese Staatsregierung in den letzten Jahren hatte, die haben wir gemeinsam gelöst. Und deswegen - ich mache mir da überhaupt keine Sorgen. Das ist ein ambitionierter Prozess. Insbesondere deswegen, weil wir in Berlin eine Regierung erst bilden müssen mit einem unsicheren Partner und in Bayern uns natürlich auch um die Menschen wieder stärker kümmern.

Ja. Berlin. Gutes Stichwort. Da wird es dann einen Wahlkampf geben, einen Landtagswahlkampf, und in Berlin gibt es vielleicht eine große Koalition. Das war eigentlich immer so, dass sich die Partei, die CSU, dann profiliert hat auch mal auf Kosten von Berlin. Das hieße dann, auf Kosten des Parteivorsitzenden, der dort wahrscheinlich oder womöglich ein Ministeramt hat?

Ich glaube, dass die alten Rollenmuster, die sie ansprechen, oder Strategien der Vergangenheit heute nimmer zählen, wir haben eine andere politische Situation. Die Leute erwarten sich Stabilität in Berlin, auch das Durchsetzen von Positionen. Das kann Horst Seehofer, meiner Meinung nach, mit Abstand am besten.

Wenn Sie denken, die Jamaika-Vereinbarung, wäre sie zustande gekommen, wäre eine gute für die CSU gewesen. Und auf der anderen Seite erwarten sich die Leute in Bayern, dass man sich um Bayern kümmert und nicht über Berlin redet. Uns geht’s eigentlich super in Bayern, aber wir haben trotzdem eine Menge an Herausforderungen.

Und eine neue Staatsregierung, ein neuer Ministerpräsident, der muss auf dem aufbauen, was bislang war: Sich kümmern, sich einsetzen, bei den Menschen sein und sich um die Leute kümmern und weniger um die Partei.

Reden wir mal Tacheles. Was ist denn das Politikkonzept für das Sie dann stehen? Also ist es mehr ein Kurs in der Mitte, so wie Merkel. Oder ist es mehr ein Abschöpfen des rechten Randes, um der AfD Konkurrenz zu machen? Also, wofür wollen sie eigentlich stehen?

Also zum einen mal ist jetzt nicht die Zeit für Regierungserklärungen. Das ist, wenn man ins Amt kommt.

Aber das will man ja wissen.

Das kommt ja alles mit der Zeit, aber eines ist klar: Ich war die letzten Jahre immer für einen sehr klaren Kurs gestanden. Ich musste auch nichts von dem zurücknehmen, was ich über all die Jahre gesagt hatte. Eines ist klar, einen Linksruck braucht die CSU ganz bestimmt nicht in Bayern. Wir brauchen auch keinen Rechtsruck. Die Debatte halte ich für falsch. Wir müssen uns wieder um die Sorgen der Menschen kümmern. Schauen sie, die AfD hat zwar in ländlichen Räumen Stimmen von der CSU genommen, aber sorry, in München und in Nürnberg ist die SPD auf 15, 16 Prozent abgerutscht. Dort hat die AfD von der SPD die Stimmen genommen.

Eigentlich ist es eine hochdemokratische Aufgabe, anders als die SPD, die damals bei der Linkspartei versagt hat, als Integrator, ist es Aufgabe auch der CSU, wieder die Kräfte, die demokratischen Kräfte rechts der Mitte wieder zu binden, ihnen wieder Heimat zu geben. Das ist wichtig und es ist eine große Aufgabe.

Gibt es da einen Konsens in der Partei, genau diesen Kurs zu fahren?

Ja, was denn sonst? Was soll denn sonst das Ziel sein? Strauß hat immer gesagt, es darf rechts neben der CSU keine demokratisch legitimierte Kraft entstehen.

Wir wollen uns nicht mit rechten Dumpfbacken beschäftigen. Aber offenkundig sind viele Wähler, die die AfD gewählt haben, doch skeptisch gewesen, und waren früher auch bei anderen Parteien, bei der CSU, vielleicht in der Stadt ein paar bei der SPD und es sind auch viele Wähler wieder zurückgekehrt in dieses Wahlspektrum.

Früher haben wir uns immer beklagt, auch Sie bei Wahlsendungen, die Wahlbeteiligung sinkt. Jetzt war sie hoch, und es sind alle betröppelt gewesen, weil vieles schwieriger wird, sie wieder zu gewinnen.  

Es sind viele bei der AfD. Wie wollen sie darauf reagieren? Wird also die Flüchtlingspolitik wieder einen größeren Raum einnehmen im Rahmen der Landtagswahl.

Ich glaube, die hat sich jetzt  schon verbessert. Schauen sie der Kompromiss, den CDU und CSU gefunden haben, der weitgehend CSU-Linie ist, nach der Wahl.

Aber mit der SPD müssen Sie jetzt erst einmal verhandeln?

Zunächst einmal war eines der Probleme vor der Wahl dieser Konsens, diese klare Aussage in der Flüchtlingspolitik, die war ja nicht da. Das hat viele Wähler übrigens auch verunsichert bei der Wahl. Sie hatten den Eindruck, dass CDU/CSU weit auseinander sind. Wir sind heute geschlossener in der Frage denn je. Insofern ist das Problem, das wir bei der Bundestagswahl hatten, meiner Ansicht nach, nicht in dem Ausmaß mehr vorhanden wie vorher. Klar ist auch - Sie haben völlig Recht - man wird wieder mit der SPD hart ringen. Eine SPD kann nicht erkennbar hinter dem zurück, was selbst Grüne akzeptieren würden.

Wollen Sie denn eine GroKo? Sie werden ja auch im Verhandlungsteam dann auch mit aufgenommen sein, hat Horst Seehofer heute berichtet, dann sind Sie ja auch derjenige, der das mitverantworten muss. Also: arbeiten Sie zugunsten und für eine Große Koalition?

Also, ich arbeite zunächst mal für Bayern. Das ist das oberste Ziel und natürlich auch für die CSU. Horst Seehofer wird der Verhandlungsführer sein, als Parteivorsitzender gibt er auch die strategischen Linien vor. Klar ist: Du schwankst wie bei den Jamaika-Verhandlungen genauso: du schwankst immer zwischen zwei Herausforderungen: einerseits Stabilität. Ein Land wie Deutschland braucht endlich eine handlungsfähige Regierung, das geht ja nicht ewig so weiter. Auf der anderen Seite muss aber natürlich nur Vernünftiges beschlossen werden. Und das ist jetzt bei dem neuen Partner SPD besonders schwer, denn man spürt an den Äußerungen der letzten Tage, anders als FDP und Grüne, vor allem die Grünen waren ja eigentlich bereit, in die Verantwortung zu gehen, ist die SPD noch auf dem Weg dazu, lassen wir’s mal so sagen. Insofern wird entscheidend sein: Ja, eine Regierungsbildung ist für Deutschland gut, auch für Bayern gut, aber die Inhalte müssen stimmen und jeder muss bereit sein, auch wirklich mitzuarbeiten.

Wenn Sie für die Inhalte dann mitstehen: Wird es dann eine Obergrenze geben, die Sie einfordern werden: 200.000? Wird das auch wieder eine Bedingung sein wie bei Jamaika, ohne die es nicht geht, weil Sie müssen ja dann auch im Landtagswahlkampf das auch vertreten?

Wir haben jetzt bei Jamaika weitgehend alles durchgesetzt, was die gemeinsame CDU-CSU-Vereinbarung war  von Angela Merkel und Horst Seehofer. Und ich bin ganz sicher, dass das die entscheidende Basis auch sein wird für Gespräche mit der SPD.

Also eine Basis, aber keine Bedingung?

Wissen Sie, ich bin jetzt kein Fan von Bedingungen. Aber es ist doch klar, dass wir in der Flüchtlingsfrage einen klaren Kurs behalten wollen. Klarheit und Rückgrat sind wesentliche Bestandteile der Politik. Und mit einer klaren Haltung in solche Gespräche zu gehen ist doch die Basis für alles. Mein Eindruck ist übrigens auch, dass die SPD hier andere Themen in den Vordergrund rückt, wirtschaftlich sehr schwierige Themen - von einer Bürgerversicherung, die für viele unserer Polizeibeamten eine massive Verschlechterung ihrer Gesundheitssituation wäre, also Krankenversicherung - mit Vorstellungen, die ein Zurück vor die Agenda 2010 wären, was ja Deutschland erst den Aufschwung gebracht hat, das muss man ja Gerhard Schröder attestieren. Und insofern glaube ich, werden das sehr, sehr schwierige Verhandlungen. Aber die Federführung bei der Verhandlung liegt eindeutig bei Horst Seehofer.

Kommen wir nochmal zurück zur CSU. Es gibt ja heute nicht nur Gewinner, sondern eben auch Verlierer. Es gibt Parteikollegen, die sich interessiert haben, auch für das Amt des Ministerpräsidenten. Und umgekehrt ist auch noch die Frage: Was ist eigentlich langfristig dann der Posten des Parteivorsitzenden? Wer kommt da? Gibt es da von Ihnen auch schon Überlegungen?

Also erstens einmal so gibt’s keine Verlierer, finde ich. Wir haben wirklich lange überlegt miteinander, und einige haben uns ja kritisiert, dass es zu lange dauert und längere Zeit war. Ich glaube, es ist aber ganz wichtig: Wir haben keinen Prozess wie im Jahr 2007, keine überstürzte Entscheidung über Nacht getroffen in irgendeinem Keller, wo das dann entschieden wurde, sondern das war ein Prozess, der dann souverän von Horst Seehofer so vorgeschlagen und auch auf den Weg gebracht wurde. Erstens. Zweitens einmal ist sich jeder seiner Verantwortung bewusst. Das gilt auch für mich genauso. Es kommt doch nicht drauf an zu sagen: Wer ist Gewinner oder Verlierer? Wir sind alle ein großes Team! Und Team braucht einen Teamgeist mit guten Einzelspielern. Wir haben sehr starke Leute: Joachim Herrmann, die Ilse Aigner, Marcel Huber, da gibt es viele andere noch, Alexander Dobrindt.

Und das Team, das müssen Sie jetzt ja erstmal bilden. Das ist ja schon eine Situation heute, der große Konflikt, also Showdown bei der CSU. Jetzt gibt es eine Entscheidung, aber es gibt eben auch -

Das war jetzt eher ein Start-up als ein Showdown. Das war jetzt ja eher heute ein Satz nach vorne. Und wenn ich die Anrufe und Mails lese, die wir bekommen so den ganzen Tag über aus der Partei, ist echt Erleichterung und Freude darüber, es war ja auch im Vorstand zu spüren: Die Leute freuen sich auch in der Fraktion, dass wir diesen Weg gefunden haben!

Was sagen Sie eigentlich Ihren Kabinettskollegen dann? Wird es eine Kabintettsumbildung vielleicht doch geben noch vor der Landtagswahl? Jetzt sind Sie noch nicht gewählt, aber das kann man ja auch ausschließen.

Über solche Dinge redet man dann, wenn sie anstehen, das ist auch eine Frage des Anstands und Stils.  Denn Horst Seehofer ist jetzt Ministerpräsident und er bleibt es auch vorerst bis zu dem Zeitpunkt Ende des ersten Quartals, so hat er es heute ja formuliert. Und deswegen arbeiten wir jetzt weiter eng zusammen. Und ich freue mich einfach, dass wir - und das ist auch in der CSU seltenst der Fall gewesen - dass wir einen Generationswechsel souverän und mit Anstand hinbringen. Das war in der Geschichte der CSU '93 nicht so, das war 2007/2008 nicht so, und mir scheint, dass es jetzt gelungen ist. Und das ist schon eine große Leistung und ein Wert per se.

Wir warten das ab, vielen Dank, Herr Söder!

Ich auch.


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