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Nachruf auf Lothar Späth Ministerpräsident, "Cleverle" und Wirtschaftsführer

Er war der ewige Ministerpräsident von Baden-Württemberg: Von 1978 bis 1991 präsidierte er dem Bundesland Baden-Württemberg, und nach der deutschen Einheit engagierte er sich für den Wiederaufbau der neuen Bundesländer als Vorsitzender, später Aufsichtsratsvorsitzender der Jenoptik. Jetzt ist Lothar Späth im Alter von 78 Jahren gestorben.

Von: Gerhard Brack

Stand: 18.03.2016 | Archiv

Archivbild: Lothar Späth spricht am 20.03.2011 im Rathaus von Wehr (Baden-Württemberg) auf einer Pressekonferenz | Bild: picture-alliance/dpa/Patrick Seeger

Rastlos, das ist vielleicht das Wort, das Lothar Späths Einsatz am besten beschreibt. Rastlos engagierte er sich für sein "Ländle", rastlos setzte er sich für die Belange der Wirtschaft und ihrer Beschäftigten ein, rastlos verteidigte er die absolute Unions-Mehrheit in seinem Bundesland. "Wandlungen eines Rastlosen", so hat auch Biografin Marlis Prinzing ihr Kompendium dieses Lebens betitelt. Denn so prinzipientreu sich Späth gab, so flexibel und wandlungsfähig war er auch. Gerade sein Eingehen auf Veränderungen machte ihn so zum politischen Stabilitätsanker der CDU im Südwesten. Seine Fähigkeit, jederzeit auf sich ändernde Situationen reagieren zu können und dabei als Gewinner hervorzugehen, brachte ihm den Spitznahmen "Cleverle" ein.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer würdigte Lothar Späth als "herausragenden Politiker von außergewöhnlichem Format und großem Wirtschaftsverstand".

"Mit seiner Person verbinden sich Jahre des wirtschaftlichen Wachstums und der zukunftsfähigen Gestaltung unseres Nachbarlandes. Als Bayerischer Ministerpräsident kann ich sagen: Lothar Späth war ein Freund Bayerns. Seine Zeit als Ministerpräsident von Baden-Württemberg war die große Zeit der starken Südschiene. Er war Garant dafür, dass Bayern und Baden-Württemberg erfolgreich ihre gemeinsamen Interessen vertreten haben, zum Wohl beider Südländer, aber auch zum Wohl der gesamten Bundesrepublik."

Horst Seehofer zum Tod Lothar Späths

Rückblick auf Späths Leben

Lothar Späth war als Kind streng pietistischer Eltern in Sigmaringen geboren. Das Gymnasium verließ er schon nach der Mittleren Reife, anschließend machte er eine Ausbildung im kommunalen Verwaltungsdienst. Finanzfragen machte er schnell zu seinem Spezialgebiet. Schon mit 24 Jahren war er Geschäftsführer einer gemeinnützigen Baugenossenschaft.

Freunde bei der Wirtschaft, Gegner im Umweltschutz

Obwohl er "aus einer reinen FDP-Familie" stammte, wie er betonte, trat er 1967 der CDU bei und wurde 1968 auf Anhieb Landtagsabgeordneter in einem Ludwigsburger Wahlkreis. Späth überzeugte immer wieder durch geistige Flexibilität, Integrationsfähigkeit und geschicktes politisches Management, was den Einfluss der CDU-Landtagsfraktion gegenüber der Regierung von Ministerpräsident Hans Filbinger steigerte. Als der wegen seiner NS-Verstrickung nicht mehr zu halten war, wurde Späth 1978 vom Landtag mit klarer Mehrheit zum Nachfolger gewählt - obwohl sein Gegenkandidat der prominente Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel gewesen war.

"Filbinger war für mich ein Stück zu grundsätzlich bei vielen Dingen, aber das war natürlich auch seine Zuverlässigkeit und Stärke."

Lothar Späth 2011 über Hans Filbinger

Späth: "Die Grünen waren eine muntere Truppe"

Späth wurde so jüngster Ministerpräsident in Deutschland und übernahm kurz darauf auch die CDU-Führung im Ländle von Filbinger. Immer wieder bestätigten die Wähler Späth als Ministerpräsidenten, wobei ihm sicher die Nähe zu Daimler-Benz und Dornier half, die er gezielt unterstützte.

"Der Staat muss seine Ordnungsdinge wahrnehmen, das sehen wir jetzt im Augenblick, dass das auch gar nicht so einfach ist, und auf der anderen Seite ist der Wille zur Gestaltung, der Ausbau der Infrastruktur, das ist eine direkte Verantwortung für die nächste Generation."

Lothar Späth 2011 über seine Politik

Umweltschützer und die Brüsseler Europäische Gemeinschaft brachte Späth mit seinem Unterstützungskurs für die Wirtschaft allerdings gegen sich auf. An den Einzug der Grünen in den Landtag, die heute den Ministerpräsidenten stellen, erinnerte sich Späth vor fünf Jahren so:

"Ja, ich meine, die haben damals einen Schwung gehabt und waren eine muntere Truppe. Also ich konnte mir nicht vorstellen, dass die eines Tages Verantwortung übernehmen."

Lothar Späth

Grenzüberschreitende Initiative

Späth verzichtete, nachdem er im parteinternen Machtkampf Helmut Kohl unterlegen war, schließlich auf eine mögliche Spitzenkandidatur für den Bundestag und konzentrierte sich wieder auf die Landespolitik, allerdings mit internationaler Strahlkraft: Er initiierte einen grenzüberschreitenden Kooperationsverbund Baden-Württembergs mit der französischen Region Rhône-Alpes, der norditalienischen Region Lombardei und der spanischen Provinz Katalonien, um schneller als die EG auf "die Herausforderungen des Marktes reagieren" zu können, und unterstützte so grenzüberschreitende Pläne der Wirtschaft.

Gleichzeitig förderte er die Kultur, etwa das "Landesmuseum für Technik und Arbeit" in Mannheim, die "Theaterakademie" in Stuttgart, das "Haus der Gegenwartskunst" in Stuttgart, das "Wilhelma-Theater" in Stuttgart und die Umrüstung von Schloss Solitude zur Künstlerakademie.

Vorwurf: Reisen von Privaten mitfinanziert

Zu seinem Rücktritt 1991 führte schließlich ein Verdacht, der nie bewiesen werden konnte: Im Parteispendenprozess vor dem Stuttgarter Landgericht verzichtete der Vorsitzende Richter auf Späths Vereidigung mit der Begründung, er stehe im "Verdacht der Beteiligung". Dabei konnte Späth nicht einmal eine Mitwisserschaft nachgewiesen werden. Und noch in einem weiteren Prozess gab es Verdachtsmomente und schließlich einen Untersuchungsausschuss, nachdem verschiedene Dienst- und Urlaubsreisen des Regierungschefs auf Kosten von Privatfirmen bekannt wurden. Die Staatsanwaltschaft nahm ihre Ermittlungen wegen möglicher Vorteilsnahme auf.

Späth ließ kein subjektives Schuldbewusstsein erkennen und argumentierte, dass er Zuwendungen an seine Person in der Funktion des Ministerpräsidenten als Zuwendungen an das Land betrachte. Obwohl er sich als Opfer einer politisch motivierten Kampagne sah, trat er im Januar 1991 als Regierungschef zurück. Sein Nachfolger wurde der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Erwin Teufel. Späth gab auch sein Mandat auf, bald darauf stellte auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein.

VEB Carl Zeiss als "Jenoptik" an die Börse gebracht

Späth 2001 bei der Präsentation eines Geschäftsberichts für Jenoptik.

Späth hatte allerdings schon eine neue Herausforderung entdeckt und führte nun den volkseigenen DDR-Betrieb Carl Zeiss Jena unter dem namen Jenoptik in die Privatwirtschaft. Dabei gelang ihm das Wunder, den VEB zum Musterbeispiel für erfolgreiche Umwandlung eines Staatsbetriebs in ein börsennotiertes Unternehmen zu machen.

"Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es ist gut, dass auch ich nicht alle Risiken abgewogen habe vorher, weil im Grunde ist ja jeder davon ausgegangen, das Ding muss abgewickelt werden."

Lothar Späth 2011

Lothar Späth und Gregor Gysi als TV-Moderatoren gemeinsam mit Norbert Blüm (l.) und Manfred Stolpe (r.).

Gemeinsam mit seinem Contra-Part und politischen Gegner Gregor Gysi führte Späth ab 2003 eine Talkshow beim MDR, die allerdings wegen mangelnder Resonanz bald eingestellt wurde.

Zuvor hatte sich Späth bei n-tv mit dem TV-Magazin "Späth am Abend" als politischer Fernsehmoderator versucht.

Man sei Lothar Späth "zu großem Dank verpflichtet", erklärte Bundesratspräsident Stanislaw Tillich heute in einer ersten Reaktion.

"Wir teilen die Trauer der Angehörigen um Lothar Späth."

Bundesratspräsident Stanislaw Tillich

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder würdigte den Einsatz Lothar Späths für Baden-Württemberg und die CDU:

"Seine Kreativität und seine Ideen haben die Wirtschaft beflügelt und damit dem Wohl aller Menschen gedient."

Volker Kauder


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Vielfahrer, Freitag, 18.März 2016, 13:29 Uhr

1. Lothar Späth

Und wieder ist leider einer gegangen, dem Deutschland noch was wert war und der Zeichen gesetzt hatte.
Es gibt zunehmend immer weniger dieser herausragenden Persönlichkeiten.
Armes Vaterland !

  • Antwort von Chaim, Freitag, 18.März, 18:39 Uhr

    @Vielfahrer
    Meine vollste Zustimmung.

  • Antwort von Stuttgarter, Samstag, 19.März, 18:00 Uhr

    @alle

    Genauso sehe ich das auch. Ein herausragender Politiker auch mit kleinen, verzeihbaren Schwächen. Hut ab und Respekt vor diesem Mann!