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Bayern und Hessen klagen Länderfinanzen kommen vor Gericht

Bayern und Hessen halten den Länderfinanzausgleich für verfassungswidrig und klagen nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Kritiker sehen darin Wahlkampfmanöver. Wohin laufen die Geldströme? Und was denken Sie?

Stand: 05.02.2013 | Archiv

"Horizontale Verteilung der Steuereinnahmen", so nennen Experten den Länderfinanzausgleich. Was daraus folgt, spielt sich meist in der Vertikalen ab - tiefe Schuldenlöcher bei den Empfängerländern verursachen hohe Kosten bei den Gebern. Und die sind in der Minderheit: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und zeitweise die Hansestadt Hamburg unterstützten in den vergangenen Jahren regelmäßig zwölf wirtschaftlich weniger leistungsfähige Bundesländer.

Geber- und Nehmer-Länder 2012

"Nicht mehr stimmig und ungerecht"

Bayern hat mit 3,9 Milliarden 2012 den größten Anteil am Finanzausgleich, in Hessen (1,33 Milliarden) ist die Belastung pro Einwohner am Höchsten. Insgesamt flossen seit der Wiedervereinigung knapp 130 Milliarden Euro an die ärmeren Länder. "Ein solches Ausgleichssystem ist in sich nicht mehr stimmig und ungerecht", heißt es in den beiden Landesregierungen.

Die Klage gleicht einem beherzten Griff in ein finanzpolitisches Mikadospiel: Die Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und der ergänzende Solidarausgleich reichen bis in die Anfänge der Bundesrepublik zurück und sind ziemlich komplex.

Steuern in der Bundesrepublik Deutschland: Wer bekommt was?

Was Lieschen Müller an Steuern zahlt

Lieschen Müller aus Wunsiedel zahlt wie jeder deutsche Bürger eine Vielzahl von Abgaben an den Staat - direkte (zum Beispiel Einkommenssteuer) ebenso wie indirekte (etwa die Mehrwertsteuer). Ein Teil geht unmittelbar an Bund, Land und Kommune. Wenn Lieschen Müller tankt, fließt die Mineralölsteuer direkt ins Berliner Finanzministerium, über ihre Kfz-Steuer freut sich das Land Bayern und die Grundsteuer für ihr Häuschen geht an die Stadt Wunsiedel. Schon das ist nicht ohne - richtig kompliziert wird es bei jenen Steuern, die den dicksten Batzen ausmachen und in einem gemeinsamen Topf zwischenlanden.

Was die Länder bekommen

Solche gemeinsamen Steuern sind: die Einkommenssteuer, die Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt) und die Körperschaftssteuer. Letztere teilen sich Bund und Länder "fifty-fifty", von den beiden anderen, wesentlich dickeren Kuchen bekommen auch die Gemeinden ein Stück ab.

Welcher Anteil an Bayern geht

Für die Länder geht es jetzt darum, die Steuern, die ihnen zustehen, durch 16 zu teilen. Bei der Einkommens- und der Körperschaftssteuer gilt: Sie soll dort verwendet werden, wo sie abgeführt wurde. Ein eigenes Regelwerk, die "Zerlegung" soll sicherstellen, dass Lieschen Müllers Einkommenssteuer nach Bayern geht, auch wenn sie in Zwickau arbeitet. Drei Viertel der Mehrwertsteuer werden entsprechend der Einwohnerzahl der Länder aufgeteilt. Das restliche Viertel wird den einkommensschwächeren Ländern zugesprochen.

Was Bayern wieder abgezogen wird


Ein Teil des Geldes ist jetzt in Bayern - aber noch nicht am Ziel: Artikel 107 des Grundgesetzes bestimmt, dass "die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird." Die Finanzkraft eines Landes berechnet sich aus seinen Einnahmen und der Summe der Einnahmen seiner Kommunen. Ein "linear-progressiver Auffüllungstarif" soll die Lücke zwischen Starken und Schwachen schließen; dazu kommen noch "Bundesergänzungszuweisungen". 2012 bedeutet das: Bayern zahlt 3,9 Milliarden in einen Topf, aus dem Berlin 3,32 Milliarden herausholt. Dass es Lieschen Müllers Heimatstadt Wunsiedel nicht viel besser geht als Berlin, spielt keine große Rolle.

Beispiel: Bayern und Berlin

Gerechtigkeit oder Show-Effekt?

Im Fadenkreuz der bayerischen Staatsregierung ist vor allem ein Empfängerland: "Wir zahlen die Hälfte der Leistungen, Berlin bekommt die Hälfte. Berlin ist das Zentrum des Problems", so Finanzminister Markus Söder. Widerstand kommt aber auch von anderen Betroffenen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering stellte fest, sein Land sei auf Ausgleichszahlungen angewiesen. "Nur so kann es die im Grundgesetz geforderten vergleichbaren Bedingungen geben."

Baden-Württemberg als drittes Geberland lehnt die Klage ab und setzt auf Verhandlungen. Kritiker werfen München und Wiesbaden Populismus vor - beide Landesregierungen müssen sich im September in Landtagswahlen behaupten. Im Fall Bayerns kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Anders als die hessischen Nachbarn, die seit Etablierung des Länderfinanzausgleichs eingezahlt haben, gehörte das einstige Agrarland Bayern bis 1986 fast vier Jahrzehnte lang zu den Begünstigten - allerdings in weit geringerem Ausmaß als die heutigen Empfänger.


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Huntius, Mittwoch, 06.Februar 2013, 11:10 Uhr

9. Problem

Klagen hilft nicht: Hr. Stoiber hat damals diesem Finanzausgleich zugestimmt. Sinnvoll wäre jetzt: es besser machen für die Zukunft und so blöd es klingt von den SPD-Ministerpräsidenten lernen: den Landeshaushalt "künstlich" schwächen, um vom Geber zum Nehmer zu werden. Aber das wird ja dann Ude grosszügig erledigen, wenn er Horst rausgekegelt hat.

Wolfgang Prestel, Mittwoch, 06.Februar 2013, 10:10 Uhr

8. Länderfinanzausgleich

Der größte Teil des Geldes fließt nach Berlin, um dort Aufgaben zu finanzieren, die mit der Funktion Berlins als Hauptstadt zusammenhängen. Der Bund sollte die Hauptstadt aus Bundesmitteln finanzieren so, wie es andere europäische Staaten mit ihren Hauptstädten ebenfalls machen.
Dies würde ungefähr einen Betrag von 2 Milliarden ausmachen. Damit wäre die Lastenverteilung innerhalb des Länderfinanzausgleichs vertretbar.
Im übrigen halte ich die Aktion Bayerns für ein ausgemachtes Wahlkampfmanöver Seehofers, ebenso wie sein unglaubwürdiger Schwenk gegen die Beibehaltung der Studiengebühren. Die bayerische Staatsregierung wird angesichts der Wahlergebnisse in anderern Bundesländern etwas nervös, weil sie mittlerweile auch erkannt hat, dass die bayerische Bevölkerung heterogener und kritischer geworden ist!

Frritz, Mittwoch, 06.Februar 2013, 09:55 Uhr

7. Länderfinanzausgleich

Der Länderfinanzausgleich ist ein Teil der Verfassung. Aber Einzelheiten der Ausgestaltung sind sicher modifizierbar.
Eines sollte aber geregelt werden: ein Land mit einer derart hohen Belastung wie Bayern sollte dann aber auch ein Mitspracherecht darüber erhalten, wofür das Geld in den Nehmerländern verwendet wird.

Lisa, Mittwoch, 06.Februar 2013, 09:47 Uhr

6. Länderausgleich

Den beiden Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen kann ich nur meinen
Respekt zollen.

Bravo !!!!!!!

Es ist nur inständig zu hoffen, daß die Klage nicht abgewiesen wird.

S. Huber aus Franken, Dienstag, 05.Februar 2013, 23:47 Uhr

5. Länderfinanzausgleich

Meiner Meinung nach ist dieses Thema nur dem Wahlkampf geschuldet. Wir kennen ja unseren Ministerpräsidenten als einen, der immer auf der Suche nach Themen ist, die populistisch "aufbereitet" werden können. Dieser Finanzausgleich ist ein Ergebnis von Verhandlungen, dem auch Bayern zugestimmt hat; es sind ja anscheinend auch schon einige Klagen dagegen gelaufen - immer mit sehr wenig Erfolg. Das wissen auch die jetzigen Kläger. Welches Ziel also verfolgen sie? Wenn ich das Ergebnis der Abstimmung auf der BR2-Homepage sehe, wird es klar: es soll Stimmung gemacht werden, schüren von Ressentiments im Sinne von: wir die Guten, die Fleißigen müßen die "Schmarotzer" finanzieren. Und natürlich steht die CSU ganz vorne. Und die Medien springen voll auf diesen Zug auf: auf allen Kanälen, überall dieses Thema. Keine Rede mehr von den peinlichen Fehlleistungen dieser Regierung wie Landesbank, Studiengebühren, Rücknahme der Praxisgebühren, Mobbing in der eigenen Partei etc.
Ich bekomme zwar jede Menge Meinung über den Finanzausgleich, aber die eigentliche Information ( wie diese Höhe des Finanzausgleichs zustande kommt), konnte ich bisher nirgend wo finden. Da ja Bayern bei der letzten Neuregelung dabei war und dieser auch zugestimmt hat, kann man nur vermuten, dass diese Fachleute damals nicht den Weitblick hatten, auf was sie sich da einlassen. Ein weiterer Grund, die Allwissenheit dieser Partei/Regierung anzuzweifeln.