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Pro-Erdogan-Demo in Köln Türkei empört über Video-Verbot

Nach der Pro-Erdogan-Demonstration in Köln hat die Türkei Deutschland scharf angegriffen. Anlass ist das Verbot einer Live-Zuschaltung des türkischen Präsidenten. Justizminister Bozdag nannte es inakzeptabel und widerrechtlich. Derweil fordert die Türkei per Ultimatum die Visumsfreiheit für ihre Bürger.

Von: Ulrich Trebbin

Stand: 01.08.2016

Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Erdogan halten am 31.07.2016 in Köln Fahnen hoch. | Bild: dpa/Henning Kaiser

Die von den Veranstaltern geplante Zuschaltung von Erdogan auf einer Großleinwand hatte das Bundesverfassungsgericht angesichts der aufgeheizten Stimmung bereits im Vorfeld verboten. Bozdag sagte nun, es sei von jetzt an inakzeptabel, wenn Deutschland gegenüber der Türkei Begriffe wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Freiheit überhaupt nur in den Mund nehme. Das Verbot sei auf widerrechtliche und unhöfliche Art erfolgt und eine Schande, sagte Justizminister Bozdag. Er warf Deutschland eine ungerechte Behandlung der hierzulande lebenden Türken vor. Deutschland sei für viele "ernste Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten" verantwortlich.

Der türkische EU-Minister Ömer Celik kommentierte das Verbot der Zuschaltung ebenfalls auf Twitter und bezeichnete es als "Abweichung von der Meinungsfreiheit und Demokratie". Zuvor hatte bereits Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Maßnahme als "inakzeptablen Zustand" bezeichnet. 

Die Veranstalter der Kundgebung waren für eine Genehmigung der Live-Zuschaltung bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, sind dort aber gescheitert. Stattdessen wurde ein Grußwort Erdogans verlesen.

Friedliche Demonstration von Zehntausenden

Die Demonstration der mehr als 30.000 Erogan-Anhänger am Kölner Rheinufer verlief friedlich. Die Polizei war insgesamt mit 2.700 Beamten im Einsatz. Für den Ernstfall standen auch acht Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge bereit. Angeblich hatte die Polizei auch Scharfschützen aufgestellt.

Thema der Demonstration war der vereitelte Militärputsch in der Türkei vor zwei Wochen. Zu Beginn hielten die Demonstranten eine Schweigeminute zu Ehren der Opfer und Terroropfer in Deutschland, Frankreich und der Türkei ab und sangen dazu die türkische und die deutsche Nationalhymne. Später hat der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic zu den Teilnehmern gesprochen.

Gegendemonstration von Rechtsextremen aufgelöst

Bei einer der drei Gegendemonstrationen musste die Polizei einschreiten. Per Lautsprecherdurchsage forderten die Beamten die rund 250 Rechten auf, den Platz vor dem Hauptbahnhof zu räumen, da sie gegen Auflagen verstoßen hätten. Nach letzter Absprache mit der Polizei sollten die Teilnehmer der Demonstration, die unter anderem von der Splitterpartei "Pro NRW" organisiert worden war, nur eine Standkundgebung abhalten. Dann aber machten sich Teilnehmer - darunter laut Polizei auch gewaltbereite Hooligans - zu einem Marsch bereit.

Auseinandersetzung mit Rauchbomben

Rund 650 Gegendemonstranten versammelten sich auf dem Kölner Heumarkt. Dort kam es nach Polizeiangaben zu einer Auseinandersetzung zwischen rund 80 rechtsnationalen Türken und mehr als hundert kurdischen Teilnehmern des linken Aufzugs. Mehrere Rauchbomben seien gezündet worden. Die Polizei konnte beide Lager trennen. Über mögliche Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Seit dem Putschversuch Mitte Juli sind in der Türkei nach Regierungsangaben 18.000 Menschen festgenommen worden. Sie sollen Verbindungen zur Gülen-Bewegung haben, die von der Regierung für den Staatsstreich verantwortlich gemacht wird.


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Niko, Dienstag, 02.August 2016, 10:13 Uhr

29. Klare Ansagen

wenn unsere Politiker nicht ganz schnell von der Leisetreterei auf klare Ansage umschalten, machen sie sich zum willfährigen Handlanger von Erdogan.
Diese Unterwürfigkeit ist nur noch erbärmlich. Das Letzte Vertrauen in unsere Regierung geht verloren.
Leider kann ich mich aber auch des Eindrucks nicht verwehren, dass unsere öffentlich rechtlichen Medien folgsam die Regierungslinie angenommen haben.

Rolf H., Montag, 01.August 2016, 16:07 Uhr

28. Fragen?

Wer bezahlt eigentlich den Polizei-Einsatz in Köln? Teilnehmer oder Veranstalter der Demo oder der Steuerzahler oder ...? Habe gerade auf BR1 im Zusammenhang mit dem Fehlalarm in Pasing gehört, dass ein Polizist in der Stunde 54.- € kostet.

Wäre es auch möglich, dass ich in der Türkei eine Kundgebung für Seehofer und seine Asyl- und Europapolitik veranstalte und er live auf Grossleinwand zu den Teilnehmern spricht? Oder wie wärs mit einer Demo für Papst Franziskus - natürlich auch mit Live-Schaltung? Oder eine Grossveranstaltung zu Themen wie Pressefreiheit, Menschenrechte - die Liste ist lang. Anstatt noch grossmäulig und unverschämt irgendwelche Forderungen oder Kritik anbringen zu können, würde ich wahrscheinlich wie tausende andere im Gefängnis landen.

  • Antwort von campus, Dienstag, 02.August, 07:45 Uhr

    Diese Fragen sind alle berechtigt. Aber wir haben unsere Politiker gewählt und die sollten sich das auch fragen und danach handeln. Ich vertraue darauf, denn ohne unsere Unterstützung können die auch nichts tun.. Erdogan ist verwundet und schlägt wild um sich, aber das wird sich auch geben. Möge sein Land nur von Chaos und Bürgerkrieg verschont bleiben, das wäre für uns alle noch viel schlimmer, weil uferlos.

Stefan Koch, Montag, 01.August 2016, 13:34 Uhr

27. Demonstrationsrecht

Jeder der in der Europäischen Union lebt, hat das Recht und die Pflicht für seine Überzeugung auf die Strasse zu gehen. Das Recht verwirkt man, wenn die demonstrierten Überzeugungen gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen. Die sollte jedem klar sein.
Menschen, welche auf den Strassen von Köln, für die wieder Einführung der Todesstrafe in der Türkei stimmen, sollten ihren Lebensmittelpunkt in die Türkei verlegen, diese sind eine Gefahr für unsere liberale Gesellschaft.
Es wird Zeit, dass europäische Demokraten für Rechtsstaatlichkeit auf die Strassen Ankaras ziehen. Mal sehen, wie dies bei der türkischen Regierung ankommt.

Wer Recht einfordert muss anderen das Recht einräumen.

Renate Wintergerst, Montag, 01.August 2016, 12:39 Uhr

26. Nein !

Keinen Raum geben und die Politik sollte eindeutige Worte und Taten folgen lassen .

Den Anfängen wehren !! Bitte , Angst vor einem neuen Iran !

  • Antwort von campus, Dienstag, 02.August, 08:03 Uhr

    Im Prinzip handelt Erdogan ganz genau so, nur mit umgekehrtem Vorzeichen: Angst vor Demokratie!! Mit "Nein" muss man deshalb sehr vorsichtig sein. Und mit Angst spielen die Starken wie E. um ihre Macht zu festigen. Köln blieb Gott sei Dank im Rahmen und etwas Wut und Ärger konnten sich entladen.

hubert ströhle, Montag, 01.August 2016, 12:39 Uhr

25. Es geht um soziale Anerkennung

Deutschtürken sind in der Türkei eher anerkannt als in Deutschland, von daher ist es für einige attaktive sich die türkische Identität zu eigen zu machen, selbst wenn die deutsche Staatsbürger sind