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Nach Referendum Renzi soll vorerst im Amt bleiben

Nach dem gescheiterten Referendum hatte Ministerpräsident Matteo Renzi umgehend seinen Rücktritt angeboten. Der italienische Staatspräsident Mattarella hat ihn nun um einen Aufschub gebeten.

Von: Tassilo Forchheimer und Birgit Gamböck

Stand: 05.12.2016

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi | Bild: pa/dpa

Renzi soll so lange im Amt bleiben, bis das Parlament diesen Monat das Haushaltsgesetz 2017 verabschiedet hat. Das teilte der Präsidentenpalast am Abend mit. Dies muss bis Ende Dezember geschehen. Das Gesetz könnte laut italienischer Medien aber schon bis Ende der Woche vom Parlament abgesegnet werden.

Gestern war das von Renzi forcierte Referendum deutlich gescheitert. 59 Prozent der Italiener lehnten die seit 30 Jahren diskutierte Parlamentsreform ab. Renzi, der eine Zustimmung mit seiner politischen Zukunft verbunden hatte, übernahm noch in der Nacht die Verantwortung und kündigte seinen Rücktritt an.

Übergangsregierung oder Neuwahlen

Der Präsident will ihn aber noch nicht gehen lassen. Durch den Aufschub bleibt weiterhin offen, wie es in dem hoch verschuldeten Land weitergeht. Mattarella muss Renzis Gesuch annehmen, damit der Rücktritt wirksam wird. Anschließend könnte er bis zu den nächsten regulären Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 eine Übergangsregierung ernennen. Plan B ist die Auflösung des Parlaments und die Ansetzung von Neuwahlen bereits im Frühjahr oder Sommer 2017.

Finanzminister als Nachfolger gehandelt

Sollte Mattarella eine Übergangsregierung einsetzen, könnte seine Wahl etwa auf den amtierenden Finanzminister und Ökonom Pier Carlo Padoan fallen. Im Gespräch für Renzis Nachfolge sind auch der Präsident des italienischen Senats, Pietro Grasso, und der Minister für Infrastruktur und Verkehr, Graziano Delrio.

Die Opposition aus eurokritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega Nord sah sich als Sieger des Referendums und verlangte rasche Neuwahlen.

"Wir wünschen uns frühestmögliche Neuwahlen und wir wünschen dem Staatspräsidenten alles Gute für die Rolle, die er nun zu übernehmen hat. Wir sind bereit von uns aus in aller Ernsthaftigkeit alles Nötige dazu beizutragen, dass politische Wahlen stattfinden können."

Luigi di Maggio, Fünf-Sterne-Bewegung


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Helmut, Montag, 05.Dezember 2016, 17:38 Uhr

14. Vorsicht vor Volksabstimmungen

Matteo Renzi ist ein begabter Reformer. Er hat aber anscheinend die Angst seiner Wähler vor Veränderungen der gewohnten Prozeduren unterschätzt. Wäre zu wünschen, daß es ihm in Zukunft besser geht, als David Cameron. Er wäre nicht der erste, der sich wieder zurückkämpft.

ABC, Montag, 05.Dezember 2016, 16:19 Uhr

13. Renzi

Leider ist die Regierung Renzi zurückgetreten. Wobei Renzi ein Hoffnungsschimmer für Italien war. Die Finanzkrise wird kommen und einige Banken - mit Ihren faulen Krediten - werden Geldgeber suchen oder notfalls die Steuerzahler bitten!!

Stefan S, Montag, 05.Dezember 2016, 16:17 Uhr

12. Grandios gescheitert

Also ich muss mich schon wundern über unsere Journalisten: Zitat vom BR s.o.:"Nun ist sie mit mit 59 %-Neinstimmen grandios gescheitert."
Unter grandios stelle ICH mir deutlich mehr als 59 % vor. der Duden übersetzt hier mit überwätigend. Nicht einmal zwei Drittel als grandios = überwältigend zu bezeichnend scheint mir eine sprachliche Fehlleistung zu sein.
Und da ist es schon wieder: Das Mißtrauen in die Berichterstattung und Bewertung durch die Presse. Siehe auch beim österreichischen Ausgang der Präsidentenwahl: Da war auch die Rede von deutlichen Mehrheiten. Bei rund 46 % der Stimmen kann ich da auch keine deutliche Mehrheit erkennen, das ist ja fast jeder zweite, der van der Bellen nicht wählte.
Und wieder zurück zu Italien: Übertragen heißt dies, dass 6 von 10 Wählern Renzis Plebiszit ablehnte. Eine GRANDIOSE Mehrheit???
Ein bisschen mehr reale Berichterstattung mit den richtigen Worten / Bewertungen täte manchmal schon gut.

  • Antwort von Helmut, Montag, 05.Dezember, 17:33 Uhr

    @Stefan S.: Da brauchen Sie gar nicht misstrauisch werden. Wenn die Afd auf 59% kommen würde, dann würde sie sicher von einem GRANDIOSEN Wahlsieg sprechen. Matteo Renzi hat seine politische Zukunft auf die Abstimmung gesetzt und ist wegen des deutlichen Ergebnisses wirklich Grandios gescheitert.
    Auch in Österreich sind 46% zu 54% schon ein Unterschied von ca. 1 Million Stimmen. Ist das nicht sehr deutlich gegenüber der ersten Wahl ?

petra, Montag, 05.Dezember 2016, 13:52 Uhr

11. Eliten

Mir ist aufgefallen, dass hier in den Kommentaren wieder jemand über "Eliten" schreibt. Ich würde gerne wissen, was /wer mit Eliten gemeint ist. Seit der USA Wahl fällt mir dieser Begriff auf- immer negativ besetzt und scheinbar ein Kampfbegriff. Ich verstehe nicht, wer damit gemeint ist. Bitte um Antwort.

  • Antwort von zf, Montag, 05.Dezember, 15:57 Uhr

    Petra, das ist mir auch schon aufgefallen. Ich vermute mal, mit "Elite" verunglimpfen verschnupfte besorgte Bürger auf schnippische und hämische Art und Weise hoch gestellte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, die - und das ist entscheidend - NICHT populistisch wüten und poltern. Ein Trump zählt somit also nicht zur "Elite". So viel zur Logik besorgter Bürger.

  • Antwort von unwichtig, Montag, 05.Dezember, 16:20 Uhr

    Stimmt, das frag ich mich auch. Selbst die Medien schnappen schon den Begriff vom Establishment und den Populisten auf. So wird polarisiert und man könnte denken, dass es keine Lösung zwischen zwei Angeboten gäbe. Genau das ist falsch. Ich persönlich bin für eine europäische Lösung mit Nationalstaaten, mit einem starken Europa, aber einer multipolaren Weltordnung verschiedener Identitäten. Das heißt, dass im Zuge dieser seit den letzten Jahrzehnten entstandenen Neuordnung internationale Institutionen reformiert werden müssten. Hier könnte Europa bzw. ein einiges und starkes Europa sein Veto einlegen und den BRIICS mehr Gewichtung schenken. Zudem könnte man sich für einen Währungskorb aus verschiedenen Währungen stark machen, denn es ist nicht die Krise des Euros, sondern der Weltleitwährung des US-Dollars, der zur Währungskrise geführt hat. Was wir hier erleben ist die politische Fortsetzung der systemischen Krise aus 2008 und kaum einer blickts bzw. es wird nicht diskutiert.

zumsel, Montag, 05.Dezember 2016, 13:01 Uhr

10.

Wollen wir mal locker bleiben. Wir dürfen jetzt nicht jede Wahl, jede Abstimmung und jedes Referendum zur Schicksalsfrage erhöhen. Was ist denn passiert? Die Italiener haben sich gegen eine Verfassungsreform gestimmt. Scheinbar können viele mit permanenten Neuwahlen ganz gut leben, also dann sollen sie doch. Natürlich wäre Italien ein wenig mehr Stabilität zu wünschen, aber aus meiner Sicht hat sich Renzi einfach übernommen und zur falschen Zeit Reformen forciert, die von Populisten jeder Couleur genüsslich ausgeschlachtet werden. Diese können sich jetzt als Bewahrer der Verfassung, ja sogar der Demokratie aufspielen. Renzi hat dadurch zwar den etablierten Demokratien Europas einen Bärendienst erwiesen. Dennoch wäre es viel zu weit gegriffen, diese Entscheidung als Votum der Italiener gegen Europa zu deuten.

  • Antwort von Yoda, Montag, 05.Dezember, 14:27 Uhr

    ... Renzi hat also zur falschen Zeit Reformen gefordert und sich übernommen. Aha, welche Zeit in den letzten 30 Jahren (und solange versuchte man schon diese Reformen) wäre dann wohl die Richtige gewesen ???

  • Antwort von zumsel, Montag, 05.Dezember, 16:26 Uhr

    welche Zeit in den letzten 30 Jahren richtig gewesen wäre, spielt im Nachhinein keine Rolle mehr. Jedenfalls sind Referenden in einer Zeit, in der Populisten sich darauf spezialisiert haben, Volksabstimmungen mit perfiden Methoden zu ihren Gunsten zu gestalten, keine gute Idee!

  • Antwort von winfried, Montag, 05.Dezember, 16:29 Uhr

    @zumsel ... Ihr
    "Dennoch wäre es viel zu weit gegriffen, diese Entscheidung als Votum der Italiener gegen Europa zu deuten."
    übertrage ich auf die andere Wahl:
    "Dennoch wäre es viel zu weit gegriffen, diese Entscheidung als Votum der Österreicher für Europa zu deuten."

  • Antwort von zumsel, Montag, 05.Dezember, 16:50 Uhr

    @winfried: Ist ok, tun sie das ruhig, wenn es ihnen hilft:-)