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Strauß und Bayern (3) Könnten Politiker heute noch so reden?

Er galt als außergewöhnliches Redetalent. Seine Wortwahl war oft schlagkräftig, aber auch derb oder gar aggressiv. Sein rhetorischer Stil wurde zum Gegenstand von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen. Wenn heute von Politikverdrossenheit, von blassen Politikern und zu wenig Leidenschaft in der Politik die Rede ist, erinnert irgend jemand an Franz Josef Strauß. Dann heißt es oft: So einen bräuchten wir mal wieder. Doch würde Strauß‘ aggressiver Politikstil heute überhaupt noch funktionieren?

Von: Regina Kirschner

Stand: 28.08.2015 | Archiv

Illu: Franz Josef Strauß und Sprechblasen-Symbol | Bild: Montage: BR

"Ja, genau das ist ein dümmliches Argument, Herr Wehner! Die These: 'Der Geist steht links!' ist nichts anderes als die permanente Wiederholung einer Dummheit!"

Franz Josef Strauß

Mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, lieferte sich Franz Josef Strauß hitzige Wortgefechte. Die FDP nannte der CSU-Politiker einen "Sauhaufen" und sogar den Partner CDU beleidigte Strauß - als Saustall ohnegleichen. Mit „politische Pygmäen“ beschimpfte er die Truppe um Helmut Kohl 1976:

"Die politischen Pygmäen der CDU - diese Zwerge im Westentaschenformat! Diese Reclam-Ausgabe von Politikern...!"

Franz Josef Strauß

Oft zogen die Reden des streitlustigen CSU-Politikers Entrüstungswellen nach sich. Und doch gilt Strauß - der derbe, deftige, wortreiche Redner - vielen bis heute als Ikone der bayerischen Lebensart. Auch Horst Seehofer ist bekennender Straußianer:

"Der Strauß hat es im Regelfall verstanden, selbst solche Dinge wie 'Pygmäen' so einzubetten, dass man als Zuhörer gesagt hat: Respekt, dass ihm das eingefallen ist. Manche haben gesagt: A Hund is er scho!"

Horst Seehofer, CSU

Heute wäre eines allerdings tabu, meint Seehofer: Jemanden persönlich anzugreifen.

"Es wird keinen bayerischen Amtsrichter geben, der mir verwehren wird - etwa durch eine einstweilige Verfügung - weiterhin zu sagen, daß eine Politikerin, die solch einen Krampf macht, in Bayern eine adäquate volkstümliche Bezeichnung rechtfertigt, nämlich: Krampfhenne!"

Franz Josef Strauß

Albert Füracker - 47 Jahre, Typ CSU-Aufsteiger und Staatssekretär in Söders Finanzministerium - kennt Strauß hauptsächlich aus Erzählungen und hat ihn nur einmal live erlebt. Ein Idol würde er Strauß nicht direkt nennen, auch weil er Personenkult im Allgemeinen nicht mag. Den Redestil des früheren Ministerpräsidenten hält Füracker für passé. Die Politik sei diplomatischer geworden – dank des Internet. Dort haben die Politiker von heute eine neue Bühne bekommen:

"Wir können differenzierter argumentieren und unsere Argumente noch interessanter transportieren, als es früher möglich war. Vielleicht muss es deswegen nicht mehr ganz so anschaulich sein."

Albert Füracker, CSU

Das sieht Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger anders. Wenn es nach ihm geht, darf auch heute ruhig kräftig hingelangt werden. Aiwanger hält die bayerische Wadlbeißer-Art à la Strauß für das wirksamste Mittel gegen Politikverdrossenheit.

"Natürlich kommt das auf die Umgebung an: Im Bierzelt spricht man sich leichter derb als im Landtag, aber wenn der Typ zum Rede-Inhalt passt, trau ich mir zu, Strauß zu spielen. Man soll nicht zu viel hinterm Berg halten mit seiner Meinung."

Hubert Aiwanger, Freie Wähler

In dem Sinn, hat der Provokateur Strauß bis heute durchaus Vorbildcharakter. Darin ist sich Aiwanger mit seinem Landtagskollegen Sepp Dürr von den Grünen einig:

"Eine Leidenschaft, um über die Sache zu streiten - das wäre auch heute noch wichtig. Alle klagen immer, dass Politiker so geglättet sind, aber wenn sich mal einer hinauswagt und Ecken und Kanten zeigt, dann wird an dem rumgeschliffen, bis er genauso langweilig ist wie alle anderen."

Sepp Dürr, Die Grünen

Die ganze Gesellschaft müsste seiner Meinung nach wieder konfliktfähiger werden. Allerdings warnt Dürr davor, Konflikte zu schüren und Hetzkampagnen in die Wege zu leiten – so wie die CSU das heute in der Asyldebatte mache und wie Strauß es damals oft getan habe.

"Wir lassen uns aber nicht einen Maulkorb umhängen und unter einen Teppich kehren, auf den wir dann treten sollen."

Franz Josef Strauß

Natascha Kohnen, die SPD-Generalsekretärin, ist das, was man in der heutigen bayerischen Parteienlandschaft den anti-Strauß-Typ nennen könnte. Sie ist leise, vorsichtig und viele halten sie für zu brav. Raufen, Poltern, Beißen – wenn auch nur mit Worten, hat für sie nichts mit Politik zu tun:  

"Ich glaube, daß die Menschen eine Politik wollen, die sie verstehen und die ihnen Sympathien zuträgt. Alles andere vernichtet Vertrauen. Die leute haben die Schnauze voll von dem gegenseitig beharken und sich kloppen. Die wollen Lösungen sehen."

Natascha Kohnen, SPD

Selbst die CSU habe das laut Kohnen verstanden. Den klassischen Haudrauf-Politiker wie Strauß gibt es nicht mehr, freut sich die SPD-Generalsekretärin. Trotzdem fehlt auch Kohnen etwas in der Politik heute - etwas, das Strauß hatte: Leidenschaft für die Politik.

"Eine Schärfe kommt nicht daher, dass man besonders grob umgeht, sondern es geht darum: Habe ich auch scharfe Argumente? Und die müssen nicht niveaulos sein."

Natascha Kohnen, SPD

Für Kohnen steht fest: Um gegen die Politikverdrossenheit anzukämpfen brauchen wir keine Geschosse, die die Gesellschaft auseinandertreiben, sondern eine sachliche, wohl überlegte und verständlich kommunizierte Politik.


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