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EU-Justizminister in Bratislava Ringen mit dem Brexit

Zum ersten Mal seit dem britischen Brexit Votum treffen sich heute in Bratislava die EU-Justizminister. Es gibt viel für sie zu tun. Der Aufbau einer europäischen Staatsanwaltschaft sowie eine bessere Abstimmung im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus sind nur zwei Baustellen.

Von: Holger Romann

Stand: 08.07.2016

Brexit | Bild: picture-alliance/dpa

Es war sein erstes Treffen mit EU-Kollegen seit dem Referendum. Und der Bundesjustizminister zeigte sich einigermaßen zerknirscht. Ein Austritt Großbritanniens bedeute für beide Seiten einen Verlust. Das "Nein" der Briten werde Europa verändern. Zugleich ermahnte Heiko Maas alle Akteure zur Selbstkritik. Man müsse verhindern, dass Rechtspopulisten von der Krise profitieren:

"Dafür müssen wir uns ja alle überlegen, wie wir nicht nur die Justizthemen, sondern die Idee der europäischen Union den Menschen wieder etwas näher bringen. Da ist es durchaus sinnvoll, dass wir alle kritisch in uns gehen und uns überlegen, warum uns das bisher nicht gelungen ist."

Heiko Maas

Innere Sicherheit im Fokus

Ein Politikfeld, auf dem man verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen hofft, ist für Maas die Innere Sicherheit. Hier, so der SPD-Mann, seien die Erwartungen der Bürger an Europa besonders groß. Und hier gebe es auch noch eine Menge zu tun:

"Dass wir uns noch besser miteinander abstimmen, auch in Fragen des Strafrechts, bei der Terrorismusbekämpfung, der organisierten Kriminalität, damit auch das Sicherheitsgefühl in den einzelnen Mitgliedstaaten besser wird."

Heiko Maas

Kommt eine Europäische Staatsanwaltschaft?

Ein konkretes Beispiel für mehr Zusammenarbeit wäre eine europäische Staatsanwaltschaft. Ein Projekt, über das in Brüssel schon sehr lange gestritten wird. Nun wollen sich Mitgliedsstaaten und EU-Parlament bis Jahresende einigen. Die länderübergreifende Justizbehörde, mit Ablegern in den meisten EU-Staaten, soll künftig bei Finanzstraftaten eigenständig ermitteln, die zu Lasten des EU-Haushalts gehen.

Ein typischer Fall: Subventionsbetrug, also die Veruntreuung von Fördergeldern. Ein Delikt, durch das jedes Jahr mindestens 500 Millionen Euro verloren gehen, wie Justizkommissarin Vera Jourova beklagt:

"Ich meine, es ist nötiger denn je, dass wir wirksame Instrumente bekommen, um das Geld des Steuerzahlers zu schützen. Und genau darum geht es."

Vera Jourova

Auch der Bundesregierung ist die europäische Staatsanwaltschaft ein wichtiges Anliegen, betont Justizminister Maas. Bei Aufbau und Kompetenzen der neuen Behörde sind allerdings noch einige Fragen offen. So beklagen etwa Juristen, dass der europäische Staatsanwalt und seine Stellvertreter zwar jederzeit ein Verfahren einleiten könnten, die Rechte der jeweils Beschuldigten aber nicht eindeutig geregelt seien.

Projekt nicht durch Brexit gefährdet

Immerhin: Großbritannien wollte sich von Anfang an nicht beteiligen, und so sieht Österreichs Ressortchef Wolfgang Brandstetter das Projekt durch den Brexit nicht gefährdet:

"Insnesondere bei Bundeseingriffen, da ist noch durchaus offen, wie wir uns dann verständigen werden können. Die Linie geben die unabhängigen Höchstgerichte vor. Aber das ist ja auch keine so kleine Sache, die eurpäische Staatsanwaltschaft und wenn die dann wirklich einmal auf Schiene ist, muss ich sagen, ist das doch eine erhebliche Einigung."

Wolfgang Brandstette

Europäisches Patentgericht

Bei anderen schwierigen Rechtsfragen müssen sich die Justizminister wegen des Brexits in Geduld üben. So ist derzeit völlig offen, ob London - wie vorgesehen – neben München und Paris ein Standort für das geplante Europäische Patentgericht werden kann.

Durch die Einführung eines EU-weit geltenden Einheitspatents könnten Hersteller ihre Erfindungen künftig einfacher und kostengünstiger schützen. Ursprünglich sollte die Regelung Anfang 2017 in Kraft treten. Doch dieses Datum ist nun in Gefahr. Ob die Vereinbarung auch im Falle eines EU-Austritts der Briten in Kraft treten kann und ob sie dann überhaupt noch sinnvoll ist, werden die Minister wohl später klären müssen …

"Das ist heute erst der Beginn und solange in Großbritannien keine KLarheit herrscht, wie es weitergeht, sind wir zum Warten verdammt, bedauerlicherweise."

Heiko Maas


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