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Bierregion Oberfranken Das Bier-Mekka in Franken

In Sachen Bier ist Oberfranken einzigartig: Mehr Brauereien pro Einwohner gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Wie kam das? Ein Blick in die Vergangenheit und eine Analyse der Gegenwart des fränkischen Bier-Mekkas.

Von: Henry Lai

Stand: 19.04.2016

Bierland Oberfranken | Bild: Bierland Oberfranken e.V.

Oberfranken gilt als Bierland. Kein Wunder, denn nirgends auf der ganzen Welt findet man mehr Brauereien pro Einwohner als hier. Aber woher kam das? Die Antworten finden sich im 17. Jahrhundert. In der Region waren die Landbesitzverhältnisse damals recht zersplittert – mehr als im Rest des Freistaats. Grafen, Barone und andere Landsherren reihten sich hier dicht an dicht. Sie alle hatten das Recht, Braurechte zu vergeben. Aber: Ursprünglich sollten nur Städte die Lizenz zum Brauen bekommen, um den Umsatz der dortigen Brauer zu fördern und so mehr Steuern einzunehmen. Auf dem Land sollte dagegen ausschließlich Ackerbau stattfinden – eine Regelung, die als Bierbann bekannt wurde.

Ausnahmen sind die Regel

Biertrinker genießt seinen Gerstensaft

Doch auch beim Bierbann gab es Ausnahmen: In reichsfreien Ritterschaften, Pfarreien und in Dörfern entlang der großen Handelswege entstanden immer wieder Brauereien und Gasthäuser, die ihr eigenes Bier herstellen durften. Statt den Gerstensaft in den Städten zu kaufen, wollten die Dorfleute ihn lieber selbst herstellen. Immer mehr Landbrauereien entstanden. Natürlich wurde auch in der Stadt weiterhin fleißig gebraut. Dort schlossen sich private Brauleute zu sogenannten Kommunbrauhäusern zusammen, um sich die Kosten für teure Geräte zu teilen.

Rohstoffe vor der Haustür

1807 wurde der Bierbann aufgehoben. Das löste einen regelrechten Boom an Brauerei-Neugründungen aus, weil nun jeder Bier herstellen durfte. Günstig für die Neu-Brauer war zudem, dass in der Region viele Rohstoffe angebaut wurden, die für das Brauen nötig sind. Weil im späten 17. Jahrhundert außerdem der Weinbau in Oberfranken zugunsten von Gerste und Hopfen zurückging, mussten sie auch diese Zutaten nicht mehr teuer importieren, sondern hatten sie regelrecht vor der eigenen Haustür.

Der Boom hielt einige Jahre an. Solange, bis die Brauwirtschaft vom Handwerk zum Industriezweig wurde. Von da an verdrängten die Großbrauereien die kleinen Familienbetriebe auf dem Land – ein Trend, der bis heute anhält.

Dichter geht nimmer

Theke in einem Wirtshaus

167 Brauereien gibt es heute nach Angaben des Bayerischen Brauerbunds noch in der Region. Das heißt: Auf eine Brauerei kommen gerade einmal 6.200 Oberfranken. In der Fränkischen Schweiz ist die Konzentration am höchsten: Dort sind aktuell etwa 70 familiengeführte Betriebe aktiv. 2001 hat es die kleine Gemeinde Aufseß im Landkreis Bayreuth sogar ins Guniness-Buch der Rekorde geschafft. Hier treffen vier ansässige Brauereien auf knapp 1.300 Einwohner. Noch dichter geht es nicht mehr.

Mehr Handwerk als Industrie

Große Brauereien sind in Oberfranken selten. Die Bier-Produktion ist vielerorts ein Handwerk geblieben. Während große Brauereien Ende des 19. Jahrhunderts in Hightech-Dampfmaschinen und moderne Kühllösungen investierten, blieben die Brauereien in Oberfranken meist beim Altbewährten. Ihnen fehlte schlichtweg das Geld für große Investitionen. Deswegen sind heute 139 der 167 Betriebe Brauwirtshäuser, also Gaststätten mit eigener Brauerei.

Biersorten gibt es in Oberfranken dagegen viele. Über 1.000 Varianten sollen im Umlauf sein, schreibt der Verein Bierregion Oberfranken. Besondere Spezialitäten sind etwa das Rauchbier, dessen Malz über offenem Buchenholz getrocknet wird. Oder das Kellerbier (auch "Zwickl"), das unfiltriert ist und deshalb trüb im Steinkrug serviert wird. Manche Biersorten gibt es nur zu bestimmten Anlässen, andere wiederum nur bei bestimmten Wirtshäusern.

Kleine Brauer im Überlebenskampf

Auch wenn die Bierkultur in Oberfranken weltweit bekannt ist, müssen immer mehr Brauereien zumachen. Seit dem Jahr 2000 mussten mehr als 30 kleine Brauereien schließen. Gründe für den Schwund gibt es viele, sagt Bernd Sauer vom Verein Bierland Oberfranken. So mache zum Beispiel der Preisdruck der großen Konzerne ihren ländlichen Konkurrenten zu schaffen. Die Konzerne drängen in die Getränkemärkte, aber auch in die Wirtschaften und ins Fernsehen, wo viel Geld für Werbung ausgegeben wird. Finanzielle Mittel, die kleine Familienbrauereien nicht aufbringen können.

Zudem sinkt der Bierkonsum allgemein. Immer weniger Menschen trinken Bier, der Kundenkreis wird kleiner. Gleichzeitig steigen die Kosten für Personal und Ressourcen. Und als wäre das noch nicht genug, haben alteingesessene Brauer Schwierigkeiten, geeignete Nachfolger zu finden. Wo früher das Geschäft von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde, weigern sich heutzutage die Kinder alter Brauer, den Laden zu übernehmen. Zu anstrengend die Arbeit, zu wenig Aussicht auf Erfolg.

Innovation vor Tradition

Die Erfinderinnen des Frauenbiers "HolladieBierfee"

Doch es ist nicht alles verloren. In den vergangenen Jahren hat es auch Neugründungen gegeben, erzählt Sauer. Junge Leute, die alte Brauereien der Tradition nach weiterführen. Aber es gibt auch andere, die der Branche einen frischen Anstrich verpassen wollen. In Hof haben sich beispielsweise vier Frauen mit ihrem "Frauen-Bier" namens "HolladieBierfee" einen Namen gemacht.

Botschafter neuer Biere

Einen anderen Revoluzzer in der Bierbranche nennt Sauer dagegen einen "liebevollen Verrückten". Damit meint er David Hertl, der in der Nähe von Schlüsselfeld die kleinste Brauerei Frankens betreibt: die Braumanufaktur Hertl. Im Jahr produziert sie nur etwa 80 Hektoliter, aber dafür werden quasi im Wochentakt neue Biersorten erfunden. 44 neue Varianten seien es pro Jahr, erzählt Hertl.

Bierbrauer David Hertl

"Ich komme nicht aus dem traditionellen Brauereitrott", sagt Hertl über sich. Und: "Das Reinheitsgebot ist Quatsch." Statt sich daran zu halten, hat er sich lieber ein eigenes Dogma auferlegt: "Bei mir kommen nur natürliche Sachen ins Bier." Das können auch eher ungewöhnliche Zutaten sein: Salz, Koriander oder sogar Grapefruit-Saft finden sich in seinen Kreationen. Mit traditionellem Bier hat das nichts mehr zu tun und das findet er gut so. In Oberfranken gebe es im Grunde nur zwei Biere, sagt er. Auf der ganzen Welt finden sich aber mehr als 180 Sorten. Im Ausland hole er sich deswegen gerne Inspiration, daheim setzt er sie dann um und kreiert neue Biere. Für die Branche an sich und vor allem für die kleinen Brauereien ist das überlebensnotwenig, sagt er.

"Wenn jetzt keine Innovation kommt, dann stirbt die Tradition. Wenn man den jungen Braumeistern nur Asche statt Feuer gibt, dann geht die Tradition der Bierkultur flöten."

David Hertl, Braumeister

Ein Verein für die Bierkultur

Um dem oberfränkischen Bier wieder auf die Sprünge zu helfen, hat sich im Jahr 2004 der Verein Bierland Oberfranken gegründet. Ziel ist es, die Kultur und Biervielfalt in der Region zu stärken. Die Webseite des Vereins ist zudem eine Datenbank, die interessierten Touristen Auskunft über Biergärten, Touren, Kirchweihen und natürlich Brauereien in der ganzen Region gibt. Offenbar auch sehr erfolgreich: Nach eigenen Angaben besuchen jährlich 600.000 Menschen die Homepage des Vereins.


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Biobiertrinker, Donnerstag, 21.April 2016, 19:42 Uhr

2.

Ist das dann Glyphosat-Bier oder gibt es bei diesen kleinen Brauereinen auch BIO Bier?

DDT, Donnerstag, 21.April 2016, 08:22 Uhr

1. Brauereisterben?

dem genannten Untergang der Biertradition mit einer Sortenvielfalt und Modebieren entgegenwirken zu wollen, halte ich für einen falschen Schritt. Noch mehr Sorten bieten keinen Angriffspunkt für den Verbraucher. Wiedererkennungswerte und bekannte Geschmacksrichtungen werden für eine Markenbindung nicht mehr ausgebildet. Es gibt erfolgreiche Brauer mit nur einer Sorte Bier. Das ist eine Frage der Idendität und der bestehenden Tradition.
Verantwortlich für immer weniger Bierkonsum sind mit Sicherheit andere Faktoren. Die sind vom Gesetzgeber (Promillegrenze), vom Lebenstil (Lifestyle) und von soziokulturellen Faktoren abhängig. Es werden nach Feierabend keine sieben Seidla mehr getrunken, sondern die Alufelgen poliert, oder fern gesehen. So man überhaupt rechtzeitig nach Hause kommt.
Generell sehe ich den Trend einiger Brauer, ihre Biere als "Spezialitäten" zu vermarkten als ebenso bedenklich an. Bier ist ein Massenkonsumgenussmittel.