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Die Akte GBW - ein bayerischer Wirtschaftskrimi Die Spur führt nach Luxemburg

Für die Investoren ist die GBW eine Finanzanlage und Mieter sorgen für den Cash-flow. Wer genau hat die GBW-Wohnungen gekauft? Die Antwort ist kompliziert und führt ins Steuerparadies Luxemburg.

Von: Claudia Gürkov, Maximilian Burkhart und Wolfgang Kerler

Stand: 12.10.2016

Symbolbild: Das Muster eines Netzwerkes über der Frimenkonstruktion um die GBW Gruppe | Bild: BR, Montage: BR

Am 8. April 2013 verkündet Bayerns Finanzminister Markus Söder, dass das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia und seine Partner den Zuschlag für die GBW bekommen hat:

"Die GBW bleibt bayerisch, die Patrizia ist ein bayerisches Unternehmen mit sehr seriösen Partnern, da gehören Sparkassen, Versicherungen, Investoren dazu, beispielsweise aus den WWK-Versicherungen, der Ärzte, der Anwälte, der Apotheker. Insgesamt ist das ein solides bayerisches Unternehmen, das dahinter steht."

Markus Söder, bayerischer Finanzminister

Die Wohnungen, die am 27. Mai 2013 den Eigentümer wechseln, liegen natürlich in Bayern, aber die Suche nach den Investoren führt ins europäische Steuerparadies Luxemburg.

Das Matroschka-Prinzip

Denn gekauft hat die GBW nicht die Patrizia allein. Zwei Firmen mit Namen „Pearl Acquico 1 und 2“ haben die GBW-Aktien übernommen. Die Pearl 1 kauft den Anteil der Landesbank, sie gehört zwei Luxemburger Firmen, der Oscar Lux AcquiholdCo und der Oscar Diversify Umbrella. Dahinter verbergen sich weitere Firmen und alle tragen "Oscar" im Namen: Oscar Lux GP Coop, Oscar Verwaltung Diversify, Oscar Lux Carry, Oscar Lux TopCo, Oscar Germany, Oscar International Umbrella ...

Hier steckt Firma hinter Firma, alle haben ein und dieselbe Adresse: rue Beck 2 bis 4 in Luxemburg - die Anschrift der Patrizia Luxemburg. Und alle Oscars werden Anfang Mai 2013 gegründet. Tag für Tag erscheint immer der gleiche Rechtsanwalt einer Beraterfirma bei ein und demselben Notar und gründet ein Unternehmen nach dem anderen.

Das Firmengeflecht hinter der Patrizia

Masterplan "Oscar"?

Die Oscar-Spur führt noch weiter - in die Niederlande. Dort residiert im World Trade Center in der City von Amsterdam eine Stiftung, die Oscar Stichting. Das niederländische Recht sieht vor, dass Stiftungen so gut wie keine Auskünfte geben müssen. Eine niederländische Stiftung ist also eine black box.

Es macht den Eindruck: Hier wurde ein von langer Hand vorbereiteter Masterplan umgesetzt. Und es sieht so aus, als wären die Oscars Firmen, die nur auf dem Papier existieren. Pikanterweise ist "Oscar" auch der Namen, den die Sozialcharta trägt, der die GBW-Mieter schützen soll.

Legal, aber hart an der Grenze

Was sagen Steuerrechtler dazu? Ihr übereinstimmendes Fazit: Hier wird Steuerrecht bis an seine Grenzen ausgereizt. In der niederländischen Stiftung erkennen die Experten, die anonym bleiben wollen, ein Indiz dafür, dass auch Banken zu den GBW-Investoren gehören. Denn über die Stiftung hätten Banken ein Einfallstor. Sie könnten anonym investieren, ohne ihr Engagement – wie eigentlich vorgeschrieben – mit Eigenkapital abzusichern.

Aggressive Steueroptimierung

BWL-Professor und Steuerexperte Johannes Voget von der Universität Mannheim analysiert die Ergebnisse von BR Recherche. Er nimmt sich Bilanzen, Geschäftsberichte und Handelsregisterauszüge vor und findet klare Worte zu dem Konstrukt:

"Es ermöglicht, Gewinne, die man in Deutschland erwirtschaftet, praktisch unversteuert erst einmal nach Luxemburg zu bringen. Und erst wenn es aus Luxemburg dann ausbezahlt wird, dann wird es auf der Ebene der Investoren besteuert."

Johannes Voget, BWL-Professor und Steuerexperte

Es komme, so Johannes Voget, darauf an, wer der Investor sei. Allgemein gilt: Banken, Versicherungen und andere Anleger müssen in Deutschland Steuern zahlen. Handelt es sich bei dem Investor aber um eine Pensionskasse, die als gemeinnützig gilt, geht der deutsche Fiskus leer aus.

Stammt der Investor aus dem Ausland, muss er gar keine Steuern nach Deutschland abführen, auch wenn sein Gewinn dort erwirtschaftet wurde:

"Da geht es zuerst um die Grunderwerbssteuer, das sind 3,5 Prozent des Wertes der Immobilie in Bayern, die hätte eigentlich jeder Investor vermieden in Bayern, da würde es zumindest um 88 Millionen Euro gehen und dann natürlich die Körperschaftssteuer und die Gewerbeertragsteuer."

Johannes Voget, BWL-Professor und Steuerexperte

Unterm Strich geht Johannes Voget von einer dreistelligen Millionensumme aus, die dem Staat inzwischen verloren gegangen sein könnte. Und die Summe wächst weiter.

Unbekannte Investoren

Es ist beinahe unmöglich herauszubekommen, wer die 27 Investoren sind, die mit der Patrizia die GBW gekauft haben. Auf Anfrage, ob Bayern LB und Staatsregierung eigentlich wussten, an wen sie die 30.000 bayerischen Wohnungen genau verkaufen, antwort das bayerische Finanzministerium:

"Nähere Informationen über die Gesellschafterstruktur und das dahinterliegende Firmenkonstrukt lagen (…) beim Verkauf nicht vor."

Aus einer schriftlichen Antwort des bayerischen Finanzministeriums auf eine Anfrage von BR Recherche


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