36

Hunger in Kenia Verfehlte Politik zu Lasten der Menschen

Heute stellt die Welthungerhilfe ihren Bericht vor. Darin vorkommen wird mit Sicherheit auch Kenia, wo Menschen und Tiere seit Jahren unter Hunger leiden. Die Politik bietet wenig Perspektiven.

Von: Linda Staude

Stand: 07.07.2016

shows a girl taking a break from carrying a water canisters after filling it at a filter station in the 'Ahero Model Village' at the Nyando River, near Kisumu, Kenya.  | Bild: picture-alliance/dpa

Die Sonne knallt auf die Wellblechdächer im kleinen Ort Konyao in Westpokot, einer Provinz im Nordwesten Kenias. Zwischen den wackeligen Hütten aus ungebrannten rötlichen Lehmziegeln streunen ein paar vereinzelte Ziegen, im Staub scharren Hühner. Im Schatten eines großen Baumes auf dem sandigen Platz in der Mitte des Ortes hockt eine Gruppe Greise zum Palaver.

"Have hunger - rain not reliable"

Die Dorfältesten, mindestens 60 oder 70 Jahre alt, manche weit über 80. Alle ausgemergelt und bis auf die Knochen abgemagert.

"Es ist jetzt schon das vierte Jahr, dass wir hungern. Der Regen kommt nicht mehr zu verlässlichen Zeiten. Und es ist nicht genug für die Landwirtschaft."

Lomeri Akechu, Bewohnerin Konyaos

Aussichtslose Situation in Kenia

Das Volk der Pokot lebt in erster Linie von der Viehzucht: Kühe, Ziegen und Kamele bedeuten Milch, Fleisch und einen bescheidenen Wohlstand. Aber die Menschen bauen auch Mais an, Bohnen und ein bisschen Gemüse.

"Alles war in Ordnung mit der Landwirtschaft. Aber jetzt hat sich alles verändert. Früher gab es genug Regen und genug zu essen für unsere Familien. Aber jetzt haben wir diese Dürre."

Chesimatia, Bewohnerin Konyaos

Auf den Maisfeldern stehen ein paar dürre Stengel. Der Rest der Ernte ist vertrocknet. Ein trostloser Anblick zwischen saftig grünen Büschen und Bäumen um sie herum. In der vergangenen Woche hat es endlich geregnet. Nur viel zu spät für die Farmer.

"Der Regen jetzt, einen Monat nach der Regenzeit, bewässert nur noch das Gras, weil nichts mehr auf den Feldern wächst. Und wir wissen nicht, ob es weiter regnet. Wenn nicht, dann ist in zwei, drei Tagen alles wieder vertrocknet und die Lage wird richtig schlimm."

Titus Lotee, der stellvertretende Gouverneur von Westpokot

Die Lage ist hoffnungslos

Hunger und Dürre in Kenia

Titus Lotee schätzt, dass fast 200.000 Menschen in der Region hungern. Bei weiteren 250.000 sind Lebensmittel knapp. Hilfe aus Nairobi bekommen sie nicht. Ausgerechnet der späte Regen hat jede Hoffnung darauf zunichte gemacht.

"Alles ist grün in den meisten Gegenden. Die Provinz hat nie den schlimmsten Zustand erreicht, in dem die Dürre das Ausmaß eines Notstandes angenommen hätte. Momentan ist die Lage normal. Und Sie bekommen keine Lebensmittelhilfe, wenn Sie nicht in Not sind."

Gabriel Mbogho, Nationale Behörde für Dürre-Management

Gabriel Mbogho arbeitet bei der Nationalen Behörde für Dürre-Management. Sie ist zuständig für die Nothilfe in kenianischen Hungergebieten. Westpokot fällt nicht darunter

"Wenn die Ernte bei Ihnen Jahr für Jahr ausfällt, dann ist das für Sie normal. Und Sie haben gelernt, damit zu überleben. Ein Ernteausfall ist noch keine Dürre, kein Hunger und keine Hungersnot."

Gabriel Mbogho, Nationale Behörde für Dürre-Management

Für den lokalen Administrator der Region rund um Konyao dürfte diese Lektion ziemlich zynisch klingen. Fünf Menschen sind allein in diesem Dorf bereits an Unterernährung gestorben. Und Hunger wird langsam normal.

"Wir erleben diese Dürren seit fast sechs Jahren. Das Klima hat sich wirklich verändert. Und das hat den Menschen so sehr geschadet. Sie sitzen in ihren Häusern ohne Essen. Wer Kühe hat, ist mit allen Tieren nach Uganda gezogen."

Philip Ewa Pale, lokaler Administrator der Region

Viele flüchten ins angrenzende Uganda

Hunger und Dürre für viele Famlien

Wo es noch Futter und Wasser gibt. Die kräftigen Männer, die meisten jungen Frauen und Kinder sind fort. Ohne die Herden haben die Zurückgebliebenen keine Milch, kein Fleisch, um die vertrocknete Ernte zu ersetzen.

"Wenn Deine Tiere weg sind, bist Du erledigt. Wir haben nichts anderes mehr."

Lomeri Akechu, Bewohner von Konyao

Hinter ihm versucht eine Nachbarin ihren Enkel zu beruhigen. Das Kleinkind schreit vor Hunger – bis die Großmutter ihm die leere Brust gibt. Keine Nahrung, aber das Nuckeln hält den Kleinen beschäftigt.

"Die Kinder und die Älteren leiden am meisten. Aber in dieser Provinz leiden auch die Frauen. Sie müssen die Feldarbeit machen, für die Familie kochen. Und sie dürfen erst als letzte essen – wenn dann noch etwas übrig ist."

Titus Lotee, Bewohner von Konyao

Ein paar Schritte vom Dorfplatz entfernt sitzt Cheponyorio vor ihrer Hütte. Die alte Frau muss sich allein um ihren gebrechlichen Mann kümmern, seit ihre drei erwachsenen Kinder weg sind.

"Wir sind darauf angewiesen, dass die Kinder Gelegenheitsarbeiten bekommen und uns unterstützen. So überleben wir."

Cheponyorio, Bewohner von Koyao

Die Menschen verzweifeln

Der nächste Markt für Lebensmittel ist weit entfernt. Der Transport über die schlechten Straßen langwierig und teuer. Das Geld reicht nie, um richtig satt zu werden. Nahrungsmittelversorgung ist Politik, sagt Titus Lotee. Die Hungernden in Westpokot werden von den nationalen Behörden ignoriert.

"Weil sie eine Menge Geld von Spendern und der Regierung bekommen haben, um die Region unabhängig von Nahrungsmittelhilfe zu machen. Das Geld hat nichts erreicht, aber sie müssen zeigen, dass sie etwas getan haben. Sie rechtfertigen ihre verfehlten Maßnahmen. Sie sagen einfach, es werden keine Nahrungsmittel gebraucht. Und das nenne ich das schlimmste Verbrechen."

Titus Lotee, Bewohner von Koyao

Inzwischen hat die Provinzregierung selbst Säcke mit Mais und Bohnen verteilt - auf eigene Kosten, mit Geld, das eigentlich für die Entwicklung der armen Gegend gedacht war. Aber die mageren Vorräte werden nicht lange reichen. Wir haben versucht, uns bei der Regierung Gehör zu verschaffen, sagt Lomeri Akechu hoffnungslos. Aber niemand hört uns zu.


36

Kommentieren

Francesco, Donnerstag, 07.Juli 2016, 13:47 Uhr

2. Raffgier.....

... ist leider das bestimmende Element unserer Wirtschaftsbosse und deren "gefügig erpressten" Politiker. Mir ist es wirklich ein Rätsel, was noch passieren muss, damit diese raffgierigen Tiere erkennen, dass sie ihr eigenes Grab schaufeln (Flüchtlingsströme, Hungersnot, Umweltkatastrophen, Frieden, Wohlstand, etc.). Aber offensichtlich hoffen diese Haie, dass sie die Auswirkungen ihres Handelns nicht mehr erleben. Ich glaube nicht nur, dass sie es bald erfahren werden sondern ich wünsche es ihnen "von ganzem Herzen"..... Pfui Teufel !!

M.Zöltsch, Donnerstag, 07.Juli 2016, 09:13 Uhr

1. HUNGER IN KENIA: Verfehlte Politik zu Lasten der Menschen

Unter einer "verfehlten Politik" verstehe ich auch die Steuerpolitik dieser "unsrigen" Regierungen:

finanzielle Hilfe ist in diesem Staat NICHT als Spende steuerlich absetzbar, obwohl sie direkt mit Überweisung und schriftlicher Bestätigung des keniatischen Kirchenoberhauptes an die Katholische Kirche KENIA geleistet wurde ! !
Hätte ich die Umstände der in diesem Staat grassierenden LÜGE von der jederzeitlichen, steuerlichen Geltendmachung von Hilfsgeldern vorher gewußt, hätte ich ganz sicher NICHT Tausende von Euros direkt, zielgerichtet gegeben ! !

Private, gezielte Direkthilfe wird in diesem Staat NICHT durch steuerliche Absetzbarkeit unterstützt, obwohl von offizieller Institution im Empfängerland beglaubigt.

  • Antwort von Franz, Freitag, 08.Juli, 12:59 Uhr

    Wie wäre es gewesen, wenn Sie sich einfach vorher informiert hätten ?

    War die steuerliche Absetzbarkeit das wesentliche Motiv Ihrer Hilfe ?