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E-Autos in Behörden-Fuhrparks Selbst der Bund lässt sie links liegen

Das Elektroauto als moderner, umweltfreundlicher Dienstwagen: Viele Bundesminister setzen sich öffentlichkeitswirksam als nachhaltige Retter der Umwelt in Szene. Schaut man hinter diese Fassade, zeigt sich ein völlig anderes Bild.

Von: Manuel Mohr (BR Data) und Ivo Marusczyk (BR-Hauptstadtstudio)

Stand: 04.03.2016 | Archiv

Zehn Prozent: So lautet die Quote, die sich die Bundesregierung 2011 im "Regierungsprogramm Elektromobilität" selbst auferlegt hat. Zehn Prozent der neu angeschafften oder neu angemieteten Dienstfahrzeuge in den Fuhrparks der Bundesministerien sollen künftig weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Zum Vergleich: Ein Auto mit herkömmlichen Benzinmotor hat einen mindestens doppelt so hohen Ausstoß. Ursprünglich sollte das Ziel bereits 2013 umgesetzt werden.

Doch nach Recherchen von BR Data und des BR-Hauptstadtstudios wird die Bundesregierung ihrer Selbstverpflichtung zum Einsatz von Elektroautos auch im Jahr 2016 noch immer nicht gerecht.

Das geht aus einer schriftlichen Frage des Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) hervor, deren Antwort dem BR vorliegt. Aus ihr lässt sich lesen, dass die meisten Bundesressorts die Neuanschaffungsquote offenbar nicht einhalten. Folglich können nur sechs von 17 Bundesressorts mehr als zehn Prozent emissionsarme Fahrzeuge im Fuhrpark vorweisen. Da die Autos der Fahrzeugflotten im Schnitt alle ein bis drei Jahre ersetzt werden, schlägt sich das auch im Bestand nieder: 

Prozentualer Anteil von CO2-armen Fahrzeugen am jeweiligen Gesamtbestand
RessortQuote
Bundespresseamt44%
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur*33%
Bundesministerium für Bildung und Forschung19,05%
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit18%
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie16,7%
Bundesministerium für Gesundheit15%
Bundesministerium für Arbeit und Soziales9,09%
Auswärtiges Amt9%
Bundesministerium des Innern*8%
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung7,14%
Bundeskanzleramt5%
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft2,25%
Bundesministerium der Finanzen2,24%
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend1,3%
Bundesministerium der Verteidigung<1%
Staatsministerin für Kultur und Medien0,36 %
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz0%

Quelle: Schriftliche Frage, Arbeitsnummer 2/133, Stand: 22.02.2016 | * = nur Ministerium

Ziel klar verfehlt

Vorreiter bei den Elektro-Dienstwagen sind das Bundespresseamt und das Bundesverkehrsministerium. Besonders schlecht schneidet dagegen das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ab. Aktuell befinden sich neun Fahrzeuge im Fuhrpark, keines davon ist ein Elektroauto. Gegenüber dem BR lässt das BMJV dazu schriftlich mitteilen:

"Der alte Bestand des BMJV umfasst noch kein Elektro- oder Plug-In-Hybridfahrzeug. Allerdings ist die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs noch in diesem Jahr geplant. Das BMJV steht insofern zu dem Ziel der Bundesregierung im Rahmen des Programms Elektromobilität."

Dr. Stephanie Krüger, Pressesprecherin BMJV

Stephan Kühn von den Grünen findet hingegen klare Worte für die schleppende Umsetzung der 2011 beschlossenen Neuanschaffungsquote:

"Die Bundesregierung nimmt ihre eigenen Ziele nicht ernst. Wie will die Bundesregierung die Bundesländer, die Kommunen oder auch Unternehmen und die Bürger überzeugen, Elektroautos anzuschaffen, wenn sich der Bund nicht seine Vorbildwirkung wahrnimmt?"

Stephan Kühn MdB, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion

Kaum E-Autos in den Behörden

Während in den Fuhrparks der Bundesministerien - wenn auch mit großer Verzögerung - die Elektro-Autos nach und nach Einzug halten, sieht es in den Behörden, die den verschiedenen Ministerien nachgeordnet sind, flächendeckend düster aus. Denn hier gilt die selbst auferlegte 10%-Quote bei Neuanschaffung und -vermietung nicht. Von 56 Behörden verfügen 41 über gar keine E-Fahrzeuge. Zwar haben einige Bundesbehörden auch gute Gründe, Elektroautos eignen sich nicht für jeden Zweck. Jedem leuchtet ein, dass die Bundespolizei oder der Zoll nur an wenigen Stellen auf Elektroautos setzen können: Die Reichweite ist begrenzt und es gibt immer noch viel zu wenige Ladesäulen.

Aber Tatsache ist auch: Selbst die Elektroautos, die es gibt, werden gemieden. In den Ministerien ist zu hören - natürlich nur hinter vorgehaltener Hand - dass vor allem die Fahrer die E-Fahrzeuge regelrecht hassen. Denn angesichts der Tatsache, dass die Fahrer oft stundenlang auf der Straße auf ihre Politiker oder Beamten warten müssen, seien Oberklasse-Fahrzeuge mit Standheizung und Fernseher angenehmer als die momentan eingesetzten Akku-Autos.

Wie sieht es ingesamt aus?

Schätzen Sie mit dem Schieberegler, wie viel Prozent der insgesamt 20.032 Fahrzeuge (Stand: 31.10.2015) in den Fuhrparks der Ministerien inklusive der nachgeordneten Behörden weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen:

Quelle: Drucksache 18/7180 | BR Data | Visualisierung inspiriert von correctiv.org

Keine nennenswerten Neuanschaffungen 2016 geplant

Betrachtet man die geplanten Neuanschaffungen der Ministerien und Behörden für das Jahr 2016, werden emissionsarme Fahrzeuge auch weiterhin die Ausnahme in den Fuhrparks bleiben. Dabei war man sich 2011 im "Regierungsprogramm Elektromobiliät" noch sicher:

"Fahrzeugflotten sind schon kurzfristig ein besonders geeignetes Einsatzfeld für Elektrofahrzeuge, weshalb die öffentliche Hand Vorbild bei der Markteinführung der Elektromobilität sein muss."

Regierungsprogramm Elektromobilität, 2011

Doch bis heute scheint das konsequente Umrüsten auf Elektro-Fahrzeuge im eigenen Fuhrpark keine Option zu sein. Wie glaubwürdig ist dann das Ziel, das die Bundesregierung den Verbrauchern vorgibt:

"2020 sollen mindestens eine Million und bis 2030 mindestens sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen fahren."

Regierungsprogramm Elektromobilität, 2011

Die letzten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes geben zum 01.01.2015 übrigens einen Bestand von 18.948 reinen Elektro-Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen an. Aber immerhin: Ab Sommer 2017 sollen E-Autos auch im Bundestag-Fahrdienst Einzug halten. So jedenfalls der Plan.


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