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Pläne zum Schutz der EU-Grenzen Wie Frontex das Schengen-System retten soll

Gäbe es eine Rangliste der unbeliebtesten EU-Einrichtungen, Frontex wäre ein Top-Ten-Platz sicher. Immer, wenn von der "Festung Europa" die Rede ist, wenn über Abschottungspolitik und ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer berichtet wird, rückt Frontex ins Zentrum der Kritik. Jetzt soll die Grenzschutzagentur umgebaut werden.

Von: Holger Romann

Stand: 15.12.2015 | Archiv

Deutsche Marinesoldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer | Bild: picture-alliance/dpa

Menschenrechtsorganisationen haben die europäische Grenzschutzagentur Frontex schon kurz nach ihrer Gründung, vor gut zehn Jahren, zum Lieblingsfeind erkoren.

"Frontex ist sowas wie der Wachhund der EU, aber Frontex ist nicht die europäische Grenzpolizei, sondern Frontex koordiniert und ist so zu sagen Ausdruck einer verfehlten europäischen Flüchtlingspolitik."

Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl

Frontex als Spezialtruppe

Kopp und seine Mitstreiter halten das, was Frontex im Auftrag der EU tut, für unverhältnismäßig, juristisch fragwürdig und politisch gefährlich. Im Kern, so die These, führe Europa einen nicht erklärten Krieg gegen Einwanderer. Und Frontex fungiere in diesem Krieg quasi als Spezialtruppe, die die schmutzige Arbeit im Hintergrund organisiert.

"Nicht an allen Menschenrechtsverletzungen ist Frontex Schuld. Aber Frontex koordiniert Einsätze, wie beispielsweise in Griechenland."

Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl

Amtshilfe vom Schreibtisch aus

Frontex - mehr Amt als Armee

Ob "Türsteher", "Wachhund" oder Koordinator - Tatsache ist: Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen – so der volle Titel – hat weit mehr Ähnlichkeit mit einem Amt oder einer Behörde als mit einer Armee. 2005 auf Grundlage einer EU-Verordnung gegründet, hatte Frontex bei Ausbruch der jüngsten Flüchtlingskrise nur etwas mehr als 300 Mitarbeiter. In der Regel Polizeibeamte aus den 28 Mitgliedsstaaten, die von ihren Regierungen zum Dienst in der Zentrale in Warschau abgestellt wurden.

Das Jahresbudget beläuft sich auf rund 100 Millionen Euro. Gemessen an den über 14.000 Kilometern Außengrenze der EU und den rund eine Million Migranten, die dieses Jahr allein in Deutschland erwartet werden, eine überschaubare Summe.

Zwar verfügt Frontex über eigene Flugzeuge, Hubschrauber und Boote, doch der Alltag der Beamten besteht nicht darin, vor Ort Patrouille zu schieben und illegale Einwanderer an der Einreise zu hindern. Schutz und Überwachung der Grenzen fallen im Vereinten Europa von Schengen und Lissabon nach wie vor in die Kompetenz der Mitgliedsländer. Die Experten von Frontex leisten allenfalls Amtshilfe und das meist vom Schreibtisch aus. Indem sie aktuelle Lagebilder erstellen, Einsätze der nationalen Polizeien koordinieren oder die Kollegen in technischen Dingen beraten, etwa bei der Fortbildung oder bei Standards zur Sicherung von Grenzanlagen. Von Fall zu Fall begleiten und organisieren sie aber auch ganz praktisch sogenannte "Rückführungsaktionen".

"Menschen, die unseres Schutzes bedürfen, müssen wir natürlich in der EU aufnehmen. Aber Menschen, die irregulär einwandern, haben keinerlei Recht, sich hier anzusiedeln. Und wenn sie illegal hierher kommen, dann werden sie in ihre Heimat zurückgebracht."

Frontex-Direktor Fabrice Leggeri

Tausende Migranten kommen bei der Flucht übers Mittelmehr ums Leben

Dass bei solchen Einsätzen, im Fachjargon "Push-Back"-Aktionen, schon mal Flüchtlingsboote auf hoher See rechtswidrig abgedrängt wurden, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 offiziell festgestellt. Für die Tausenden Migranten, die jedes Jahr auf der Flucht übers Mittelmeer ums Leben kommen, fühlt man sich bei Frontex trotzdem nicht verantwortlich.

Stattdessen verweist man auf die Erfolge bei der Seenot-Rettung: So hat die EU die Mittel für "Triton" und "Poseidon", die Operationen südlich von Sizilien und in der Ägäis, gerade auf neun Millionen Euro pro Monat verdreifacht. Auch beim Aufbau der "Hotspots", jener Aufnahmezentren in Italien und Griechenland, in denen Flüchtlinge ordentlich registriert, versorgt und dann weiterverteilt oder abgeschoben werden sollen, spielen die Interventionsteams von Frontex eine wichtige Rolle.

Von der schlanken Koordinierungsstelle zur Grenzschutztruppe

Geht es nach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dann wird Frontex in den kommenden Monaten und Jahren weiter ausgebaut. Über kurz oder lang soll aus der schlanken Koordinierungsstelle eine echte und voll entwickelte europäische Grenzschutztruppe beziehungsweise Küstenwache werden, mit eigenen Einheiten und der Befugnis, die Kontrolle über einen Grenzabschnitt zu übernehmen, wenn das betreffende Land dazu nicht in der Lage ist. In besonderen Ausnahmefällen soll die Agentur sogar dann eingreifen dürfen, wenn ein EU-Mitglied nicht ausdrücklich darum bittet.

Der Plan, der von Deutschland und Frankreich unterstützt wird, und auch bei Konservativen und Liberalen im EU-Parlament auf Zustimmung stößt, könnte ein Ausweg sein, um das durch die Flüchtlingskrise schwer in Bedrängnis geratene Schengen-System zu retten. Allerdings birgt der Vorschlag auch einigen Sprengstoff: Um Frontex derart zu stärken, müssten Mitgliedsländer auf staatliche Hoheitsrechte verzichten und der geltende Grenzcodex entsprechend geändert werden. Das hier alle so einfach mitmachen, ist nicht zu erwarten.


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Das Leihschwein, Dienstag, 15.Dezember 2015, 16:43 Uhr

4. Warum sind Flüchtlinge nur ein europäisches Problem

warum stellt man die Golfstaaten und ganz besonders Saudi Arabien in der UNO nicht an den Pranger wegen unterlassener Hilfeleistung ihrer Glaubensbrüder. Die haben doch genug Platz und Geld um allen Flüchtlingen aus Muslemischen Länder zu helfen. Gleichzeitig würden sie Millionen Gelder locker machen um Deutschland mit Moscheen zu zupflastern, als wenn so etwas die Flüchtlinge aktuell benötigen. Bestimmt würden nur ganz wenige Flüchtlinge nach Europa kommen, wenn sie in Saudi Arabien Schutz erhalten würden.

Gonzalez, Dienstag, 15.Dezember 2015, 16:25 Uhr

3. Zahnloser Tiger

Wenn die Bundesregierung ihre Vorstellungen durchsetzt, wird Frontex einfach nur ein Teil der Willkommenskultur für Menschen, die die Bedingungen des Asylgesetzes in Wirklichkeit gar nicht erfüllen. Der BR mit seiner Berichterstattung gibt einen Vorgeschmack. So wurde es vor wenigen Tagen vom BR als fragwürdig bezeichnet, dass Spanien seine Grenzen in den Enklaven in Marokko nun besser schützt. Wenn es nach der offiziellen Meinung, für der BR steht, geht, ist es fragwürdig, auch nur einen einzigen illegalen Migranten nicht freudenklatschend zu empfangen.

Andre, Dienstag, 15.Dezember 2015, 13:01 Uhr

2. Frontex teuer und überflüssig...

Halte sehr wenig von diesem Aktionismus in Sachen Frontex, letztlich missbrauchen die Globalisten in der EU auch diese Flüchtlingskrise wieder, um mittelbar und unmittelbar nationale Hoheitsrechte von Ländern wie GRE und ITA weiter abzubauen.
Es gab doch schon die sehr erfolgreiche Mission "mare nostrum" die sehr gut funktioniert hat, und die aufgrund Geldmangels wieder eingestellt wurde. Und warum hat die BRD ihre finanzielle Unterstützung zum UNHCR-Ernährungsprogramm für die Flüchtlingslager in Syrien von 2014 auf 2015 mehr als halbiert?!? Gibts da eine zwingende, logische Notwendigkeit!?!? Überhaupt ist die Situation in den Flüchtlingslagern etwa im Libanon verheerend, da muss sich die Bundesregierung wesentlich mehr auch finanziell und ideell engagieren, will sie nicht noch mehr Menschen zur Flucht (ja fast)nötigen.

Himmelsstürmer, Dienstag, 15.Dezember 2015, 08:43 Uhr

1. Fronten-Rettung

Wo liegt eigentlich das Problem? Frontex schützt unsere Außengrenzen indem sie die Boote aufgreift, hilft, das Boot und deren Insassen da hin bringt, wo es hergekommen ist und dann vor den Augen derer absolut zerstört und da können ALLE zuschauen, wie schnell sich der Zustrom aus besagten absolut sicheren Ländern zurückgeht! Diese Migranten kommen nicht aus Syrien, sie sind schon in der Türkei oder wo auch immer, aber da ist kein Krieg. Sie sind also in einem sicheren Land, somit nicht berechtigt Asyl in Europa zu verlangen. Wie gesagt Boote da hin bringen, wo sie herkommen und zerstören, sie werden sich wundern, wie auf einmal NIEMAND mehr kommt!!!!!! Unsere Politiker sind nicht fähig zu handeln, sie wollen unser Volk NUR kaputt machen, das können sie.

  • Antwort von Truderinger, Dienstag, 15.Dezember, 11:03 Uhr

    Na, immerhin würden Sie den Flüchtlingen scheinbar noch gestatten, die Boote zu verlassen, bevor Sie sie versenken. Aber mal eine andere Frage, welche Motivation hätten unsere Politiker eigentlich, ihr eigenes Volk "kaputt zu machen"? Außer Hitler fällt mir keiner ein, der das je wollte.

  • Antwort von Gonzalez, Dienstag, 15.Dezember, 16:18 Uhr

    Lieber Truderinger, sind Sie nicht ein bisschen naiv? Der derzeitige Kurs der Bundesregierung in der Einwanderung ist wohl eher ein Amoklauf, der zu erst für die sozial Schwächeren zur Katastrophe werden zu droht (noch stärkerer Wohnungsmangel, härtere Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt speziell für weniger gut Qualifizierte und die Frage wie viele Hilfesuchende unser Sozialsystem tragen kann). Und um es klar zu wiederholen: Unser Grund- und Asylgesetz war für wirklich Bedrohte gedacht, nicht für Einwanderer die einfach nur ein besseres Leben suchen. Es drängt sich einfach die Frage auf, wie weit hier noch im Sinne der hier lebenden Menschen regiert wird.