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Arbeiten statt Abschieben Flüchtlinge werden auf dem Arbeitsmarkt gebraucht

Doch statt die Asylgesetze anzupassen, schiebt man bestens integrierte Asylberwerber wieder ab. Flüchtlinge, die sich nicht integrieren wollen, sollen Sanktionen erfahren. Doch in der Integrationspolitik wird immer noch zu wenig das Engagement und die Bereitschaft derjenigen Asylbewerber belohnt, die später einmal die Fachkräfte und Steuerzahler von morgen sein könnten.

Von: Tom Fleckenstein

Stand: 21.04.2016

Flüchtlinge arbeiten in München (Bayern) in der Lernwerkstatt auf dem Gelände der Bayernkaserne unter professioneller Anleitung.  | Bild: picture-alliance/dpa

Mohammed ist von Syrien bis nach Niederbayern geflohen. Dort lebt er jetzt in Untergriesbach, 25 Kilometer von Passau entfernt. Der 28-jährige Flüchtling hat in seiner Heimat als Maler gearbeitet. Er geht zur Gemeinde und fragt beim Bürgermeister, ob es hier Arbeit für ihn gibt. Daraufhin vermittelt ihn der Bürgermeister an den Malerbetrieb von Josef Greindl, der insgesamt sechs Angestellte hat, zu 90 Prozent Altbaurenovierungen macht und immer auf der Suche nach Fachkräften ist. Am Anfang ist Josef Greindl skeptisch, sagt dann aber: "Probieren wir es".

Bleiberecht für drei Jahre

Mohammeds Chefs Josef Greindl

Um sich abzusichern, erkundigt sich Josef Greindl bei der Ausländerbehörde, wie lange Mohammed denn überhaupt in Deutschland bleiben kann und bekommt die mündliche Auskunft: Er kriegt ein Bleiberecht für drei Jahre. Außerdem bestätigt ihm das Arbeitsamt schriftlich eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Mohammed stellt sich als fleißige und fähige Kraft heraus. Anfangs erhält er 10, später 12,60 Euro Hilfsarbeitertarif. Sowohl er als auch sein Chef sind zufrieden.

Dafür nimmt Josef Greindl auch Umstände in Kauf

So begleitet er seinen muslimischen Mitarbeiter, wenn Mohammed zum Beispiel einmal im Monat im 30 Kilometer entfernten Passau auf der Ausländerbehörde seinen Pass vorzeigen und verlängern lassen muss. Im November 2015, da ist Mohammed schon ein knappes halbes Jahr gut eingearbeitet, zieht die Ausländerbehörde plötzlich den Pass ein. Mit der Information: Mohammed wird abgeschoben, und zwar sofort. Josef Greindl ist schockiert und fragt nach, warum. Die Antwort: Mohammed habe bereits in Bulgarien auf der Flucht Asyl beantragt und auch schon erhalten und muss deshalb dorthin zurück. Seit August 2015 hatte das Verwaltungsgericht in Regensburg diese Informationen aus Bulgarien.

Abschiebung nach Bulgarien

Über drei Monate dauerte es jedoch, bis die Info über das vollkommen überlastete Bundesamt für Migration (Bamf) in Passau auf der Ausländerbehörde ankam. Dazu kommt, dass Mohammed sagt, er habe nie in Bulgarien Asyl beantragen wollen, sondern immer gesagt, er wolle nach Deutschland. Er habe also nicht gewusst, was er, nachdem ihm in Bulgarien die Polizei die Fingerabdrücke nahm, dort unterschrieben hat.

"In Bulgarien könnte ich nicht überleben. Eher gehe ich zurück nach Syrien."

Mohammed

Josef Greindl wendet sich an Rechtsanwältin Petra Haubner aus Passau. Mohammed darf ab sofort nicht mehr für ihn arbeiten. Jeden Tag könnte er abgeschoben werden. Das kostet Nerven. Gegen Dublin II ist schwer etwas einzuwenden. Aber: Mittlerweile war ein minderjähriger Verwandter von Mohammed, der 17-jährige Mouhda ebenfalls aus Syrien nach Untergriesbach geflohen. Und für ihn könnte Mohammed die Vormundschaft beantragen. Außerdem stellte der Bürgermeister von Untergriesbach einen Härtefallantrag.

Gute Integration zählt nichts

Mohammed ist bei der Freiwilligen Feuerwehr in Untergriesbach

Mohammed ist in Untergriesbach inzwischen gut integriert. Er will zum Beispiel zur Freiwilligen Feuerwehr. Obwohl viele in der Gemeinde meinen, es kommen zu viele Flüchtlinge und AFD wählen würden, sagen sie im Fall von Mohammed: "Der kann natürlich bleiben, dem Greindl sein Mohammed." Josef Greindl stellt ihm sogar eine Wohnung zur Verfügung damit er nicht im Asylbewerberheim schlafen muss, wo bis 4 Uhr früh Lärm ist. So wäre er nämlich nicht fit für die Arbeit. Auch Mohammeds Bruder Achmed ist mittlerweile bei den Greindls gelandet. Achmed hat in Deutschland Asylantrag gestellt und hat vorerst ein Bleiberecht. Er lernt vormittags Deutsch. Für nachmittags hat ihm Josef Greindl eine Stelle bei einem Fensterbauer in der Nähe besorgt. Die Baustellen des Malermeisters wären halbtags nicht zu erreichen. Achmed spielt auch schon im Fußballverein.

Schlechte Aussichten für Mohammed

Mohammed und sein Chef bei der Rechtsanwältin

Die Chancen für Mohammed stehen derzeit schlecht: Er ist jung, gesund und hat keinen Anspruch sich auszusuchen, in welchem Land er jetzt Asyl beantragt. Sein Mündel, für den er Vormund ist, wird im September volljährig. Letzte Chance wäre: Nach seiner Abschiebung in Bulgarien auf die Deutsche Botschaft gehen und dort Antrag auf Arbeitserlaubnis in Deutschland stellen. Hilfreich ist dabei ein Schreiben des Arbeitsamtes, dass er als Arbeitskraft dringend in Untergriesbach gebraucht wird sowie – ganz wichtig – eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde in Passau. Somit könnte Mohammed wieder für Josef Greindl arbeiten. Er würde Steuern zahlen und dem Staat nicht zur Last fallen. Rechtsanwältin Haubner fordert: Es müsste möglich sein, dass Leute wie Mohammed vom Asylverfahren ins Verfahren einer Aufenthaltserlaubnis in Verbindung mit einer Arbeitserlaubnis switchen. Das sei derzeit jedoch noch nicht möglich. Ebenso müsste es möglich sein, anerkannten Flüchtlingen die Weiterwanderung beispielsweise von Bulgarien nach Deutschland zu ermöglichen. Doch auch das ist derzeit nicht vorgesehen.

Flüchtlinge und Arbeitsplätze

  • Dem Freistaat wurden 2015 insg. 160.000 Flüchtlinge zugewiesen, viele von ihnen wollen arbeiten
  • 2015 sind in Deutschland im Handwerk 17.000 Lehrstellen unbesetzt geblieben
  • Am 27. 2. 2015 verspricht Angela Merkel der deutschen Wirtschaft: Flüchtlinge bekommen schneller Arbeit und übermäßige Bürokratie soll abgebaut werden
  • Klassische Win Win Situation: Wir brauchen Arbeitskräfte – die Flüchtlinge brauchen Arbeit

Mehr Rechtssicherheit

Handwerkskammer fordert: Wenn ein Asylbewerber eine Lehrstelle hat, dann sollte der in den drei Lehrjahren und zwei Jahre danach (3 plus 2) geschützt sein. Die Betreuerin und Zuständige von der Handwerkskammer, Angela Sedlmaier: "Viele Unternehmen wollen Flüchtlinge einstellen. Doch sie brauchen Rechtssicherheit." Doch zu oft schieben sich die Behörden – Ausländeramt und Arbeitsamt – gegenseitig die Verantwortung zu. Und immer noch dauern die Asylverfahren zu lange.


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