Polizisten kontrollieren in der Innenstadt die Einhaltung der Maskenpflicht bei einer Radfahrerin.
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Polizisten kontrollieren in der Münchner Innenstadt die Einhaltung der Maskenpflicht bei einer Radfahrerin.

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#Faktenfuchs: Ja, Polizeieinsätze dürfen gefilmt werden

Polizeikontrollen sind momentan ein gängiges Bild. Immer mehr Menschen halten mit dem Handy drauf, wenn sie selbst oder Umstehende in eine Kontrolle geraten. Manchmal fordert die Polizei, solche Aufnahmen zu löschen. Zu Unrecht.

Vor dem zweiten Lockdown filmt eine junge Frau in München auf einem öffentlichen Platz ihren Ehemann, als im Hintergrund ein Polizeieinsatz stattfindet – die üblichen Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Maßnahmen. Wie sie später dem Bayerischen Rundfunk erzählt, kamen Beamte auf sie zu und forderten sie auf, das Material zu löschen - mit der Begründung, das Aufnehmen verstoße gegen die Persönlichkeitsrechte der Beamten. Die Videos habe sie vor den Augen der Polizisten sofort gelöscht, schildert die Frau im Gespräch mit dem BR weiter; nun überlege sie jedoch, vor dem Verwaltungsgericht prüfen zu lassen, ob der Eingriff zulässig war.

"Sie hat gute Chancen auf ein positives Urteil", sagt Jurist Ulrich Gassner im BR-Interview; er lehrt Öffentliches Recht und Polizeirecht an der Universität Augsburg. "Dazu gibt es einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: 2015 hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass jedermann Polizeimaßnahmen zur Beweissicherung aufnehmen darf. Also eine Kritik an staatlichem Handeln muss auf diesem Wege ermöglicht werden, ohne dass der Einzelne Angst haben muss, dass die Aufnahmen gelöscht werden müssen." Es spielt also keine Rolle, ob jemand einen Polizeieinsatz zufällig filmt, wie die eingangs erwähnte junge Frau in München, oder ob dies absichtlich geschieht.

Persönlichkeitsrechte verlieren Beamte dennoch nicht bei ihren Einsätzen.

Das Kunsturheberrechtgesetz und dessen Einschränkungen

Beim Aufnehmen der Bilder allein bleibt es oft nicht. Denn viele stellen ihre Aufnahmen und Videos ohne Einwilligung der Polizei ins Netz. Doch damit können sie sich strafbar machen. Geregelt ist das im sogenannten Kunsturheberrechtgesetz (§22 Abs.1, StGB) und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe belegt. Die Aufnahme eines einzelnen Polizisten, erst recht, wenn er am Rande eines Einsatzes steht - also nicht in Aktion ist – darf nicht in einer Nahaufnahme erkennbar ins Netz gestellt werden.

Es sei denn: Die Aufnahmen zeigen ein zeitgeschichtliches Ereignis, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke, der sich darauf spezialisiert hat, über rechtswirksames Verhalten im Internet aufzuklären. In seinem Youtube-Kanal erläutert er: Zu einer Person der Zeitgeschichte werde der Polizist immer dann, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit so hoch einzustufen sei, dass die Persönlichkeitsrechte des Polizisten dahinter zurücktreten müssten. Falls ein Polizist inmitten großer Randale auf einer Demonstration unverhältnismäßig hart gegen Demonstranten vorgehe, sei das beispielsweise der Fall. Zeitgeschichte werde, so Solmecke, generell aber auch vor Gericht weit definiert.

Vertraulichkeit des Wortes versus Faktische Öffentlichkeit

Das Landgericht München 1 hatte allerdings wenig Verständnis für eine Studentin, die 2017 einen Polizeieinsatz filmte und dabei in unmittelbarer Nähe auch den Ton aufnahm. Dienstliche Gespräche zwischen Beamten oder Worte, die sie an einzelne Menschen richten, sind laut Gesetz nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Man spricht dann vom Straftatbestand einer Verletzung der "Vertraulichkeit des Wortes" (§201, StGB). Darauf stehen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Der Studentin sprach das Gericht eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aus.

Allerdings gebe es auch hier wieder eine Ausnahme, wie der Jurist Ulrich Gassner deutlich macht. "Wir können den Straftatbestand nicht anwenden, wenn wir so etwas wie eine faktische Öffentlichkeit haben, wenn die Beamten so laut sprechen, dass die im Umkreis Stehenden das Gesprochene leicht mithören können." Dann befinde der einzelne Beamte sich nicht mehr in einer vertrauten, persönlichen Situation, sagt Gassner.

Fazit:

Das bloße Filmen von Polizeieinsätzen ist zur Beweissicherung erlaubt, um eine Kritik an staatlichem Handeln zu ermöglichen. Das bestätigt auch ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015. Schwierig wird der Sachverhalt, wenn die Clips im Netz veröffentlicht werden. Dann kommt es auf den Einzelfall an: Gelten die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamten oder handelt es sich etwa um ein Ereignis der Zeitgeschichte und des öffentlichen Interesses? Das muss ein Gericht beurteilen. Und: Ein besonderes Augenmerk liegt auf Tonaufnahmen, falls Vertrauliches zwischen den Beamten oder einem Polizisten und einer weiteren Person gesprochen wird. Dann ist bereits das Aufnehmen rechtswidrig.

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