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Burgen 2.0 Schutz und Hut des Landes

In der Heldburg lässt sich das Mittelalter erleben, auf der Cadolzburg soll es auch bald möglich sein. Es sind nicht die einzigen Burgen, die in neuem Glanz erstrahlen. Doch woher rührt das jüngste Interesse an den alten Gemäuern?

Von: Horst Konietzny

Stand: 12.06.2017 | Archiv

Unsere Phantasie ist seit Kindertagen gespickt mit edlen Rittern, heimtückischen Schurken, Narren und schönen Burgfräuleins, die auf ihren Helden warten. Doch die Ritter scheppern nicht nur durch die Phantasie, sondern sie nehmen auch ganz leibhaftig wieder Anlauf auf den Turnierplätzen dieser Republik, die seit Jahren schon auf zahllosen Mittelalterfesten zu finden sind.

Die Burgruine Hohenberneck und die Lust am Rollenspiel

Die Burgruine Hohenberneck

So auch auf der Burgruine "Hohenberneck" bei Bad Berneck. Rund um den Ort gibt es eine ganze Reihe von einst stolzen Burgen. Das zumindest lassen die heute noch sichtbaren Überreste erahnen. Eine kleine, aber unverdrossene Gruppe von Liebhabern hat es sich zur Aufgabe gemacht, sie wach zu küssen. Einmal im Jahr wird auf der Hohenberneck ein großes Burgenfest begangen. Verkleidete, nein: gewandete Menschen schleppen Ess- und vor allem Trinkbares den steilen Berg zur Burgruine hinauf, um eine unbarmherzige Belagerung zu überstehen.

Die Lust am Rollenspiel, am Eintauchen in eine exotisch verbrämte Vergangenheit zieht die Menschen an. Wenn sie sich nicht gerade verteidigen, engagieren sie sich für das historische Objekt, untersuchen es fachkundig. Dieses Engagement der Bernecker Burgomani ist aller Ehren wert. Schließlich liegt die Burgruine in einer Region, die sich in manchen Ecken noch in strukturgeschwächtem Dornröschenschlaf befindet. Und die Aktivierung des historischen Erbes kann ja vielleicht auch die Gegenwart beleben, hofft der renommierte Burgenforscher Joachim Zeune.

"Bad Berneck hat sehr viel Potential. Sie haben unterschiedliche Burgentypen aus unterschiedlichen Zeiten auf ganz engem Raum zusammen und das ganze eingebettet in eine originäre, kaum modern beeinträchtigte Landschaft. Wo man über die Landschaft viele Erlebnismomente noch hat und dann stehen diese Burgruinen auf verschiedene Art da drinnen. Berneck ist einfach toll. Es hat ja drei Burgen über sich und das ist schon etwas Ungewöhnliches."

Burgenforscher Joachim Zeune

World of Warcraft trifft Game of Thrones

Markus Söder, Bayerischer Heimatminister

Die Begeisterung fürs Mittelalter, die sich auf Festen wie dem in Bad Berneck erleben lässt, ist ein Phänomen, das seit Jahren ungebrochen um sich greift. Es zeigt sich digital und analog. World of Warcraft trifft Game of Thrones. Bücher, Filme, Multiplayeronlinegames und Rollenspiele im Wald. Überall wird sich gewandet, gefochten und mittelhochdeutsch gefachsimpelt. Stadtmarketing scheint ohne Mittelalterspektakel nicht mehr denkbar. Und wo ein Boom ist, da wird's interessant. Für Forscher, für Tourismusmanager und für Heimatminister.

"Das ist wieder ein Stück weit Besinnung auf die eigene Heimat, die eigene Geschichte. Das, was man vor Ort sieht – Burgen, Schlösser – da fragt man, wie war das in der Geschichte und guckt nicht in der Welt herum, sondern ist endlich wieder daheim."

Markus Söder, Bayerns Heimatminister

Steingewordene Ausrufezeichen der Geschichte

Dahin zieht’s ihn also, den Bayern, den Franken, den Zugereisten. Auf die Höh' und auf die Burg, das steingewordene Ausrufezeichen der Geschichte.  Hier also ist seine Heimat, hier ist er daheim. Aber wie sieht diese Heimat denn dann konkret aus?

"Was einen erwartet ist die Inszenierung von einem völlig falschen Mittelalterbild. Wo die Ritter ungebildete Trunkenbolde sind und sich nur schlagen wollen. Wo es funkt und scheppert. Wo man das Gefühl hat, die Ritter, die schlafen in Rüstungen. Was sie nie getan haben."

Burgenforscher Joachim Zeune

Interesse an der Geschichte wächst

Professor Ulrich Großmann sieht die Dinge etwas entspannter. Er ist Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins für das neueröffnete Deutsche Burgenmuseum auf der Veste Heldburg im südlichen Thüringen.

"Ich glaube, dass es da mehr das Spielen ist auf der einen Seite und das Fremde auf der anderen. Na ja und dann stehen diese Burgen bei uns herum. Wir gehen von 25.000 Burgen im deutschen Sprachraum aus, das ist das, wo wir noch Reste haben. Es gibt wahrscheinlich nochmal so viele, die irgendwo unter der Erde liegen. Wir können also locker von 50.000 Neubauten ausgehen, die sich da zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert entwickelt haben. Und das begeistert. Was steht da rum, warum ist das kaputt, was hat man da gemacht? Wenn man sich dafür begeistert, ist auch die Grundlage gegeben, sich für Geschichte ganz allgemein zu interessieren."

Ulrich Großmann, stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins für das Deutsche Burgenmuseum

Zwei wiederbelebte Burgen

Wenn Ulrich Großmann recht hat, dann steht in Franken ein veritabler Geschichtsboom bevor, denn in zeitlicher und räumlicher Nähe zueinander gibt es bald zwei Großprojekte der Burgenrevitalisierung zu bestaunen. Da ist einmal die Neugründung des Deutschen Burgenmuseums in der Heldburg  und da ist die Neugestaltung der Cadolzburg im Landkreis Fürth, die ursprünglich als Sitz des Deutschen Burgenmuseums vorgesehen war. Das Projekt scheiterte allerdings. Nun soll 2017 auf der Cadolzburg eine große Ausstellung über das Leben im Mittelalter eröffnet werden.

Söder – wie der Burggraf höchstpersönlich

Dabei springt der prominente Einsatz des Heimat- und Finanzministers Markus Söder ins Auge, der qua Amt auch gleichzeitig für die Bayerische Schlösserverwaltung zuständig ist. Mit der Cadolzburg im Hintergrund grüßt der Minister ganz jovial vom Flyer und lässt an das lesenswerte Buch von Joachim Zeune „Burgen - Symbole der Macht“ denken.

"Also die Cadolzburg ist beeindruckend und liegt auch einzigartig. Wir haben uns entschieden, dort etwas Neues zu probieren, nämlich die Burg als Erlebnis-, als Wirtschafts-, als Kulturraum zu sehen, so wie es damals der Fall war. Also jetzt nicht nur wissenschaftlich ranzugehen, sondern einmal etwas Neues zu machen. Auch für Kinder und Jugendliche – und Familien zu zeigen, so war's damals in der Realität."

Heimatminister Markus Söder

Mittelaltererlebnis auf der Cadolzburg

Die Ministervorgabe für die Cadolzburg ist also klar: Mittelalterlebnis hautnah, für alle Sinne und alle Altersgruppen. Wie sieht das nun konkret aus? Optisch schon einmal eindrucksvoll. Vom Markt Cadolzburg her kommend durchschreitet man eine erste Toranlage und gelangt in die Vorburg,  ein sehr großes Gelände mit Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert und dazwischen viel Grünfläche. Anschließend geht es durch die ehemalige Vogtei, die gerade zum Kassenhäuschen umgebaut wird und dann kommt man über eine zweite Zugbrücke ins Zentrum des Geschehens, die Kernburg. Hier soll dann das Burgerlebnis stattfinden.

Zentrum der fränkischen Hohenzollern

Die Kuratoren Uta Piereth und Sebastian Karnatz von der staatlichen Schlösser- und Seenverwaltung sind von der Bedeutung des Projektes überzeugt. Denn hier war das Zentrum der fränkischen Hohenzollern. Das Adelsgeschlecht hatte sich von Schwaben über Franken bis nach Brandenburg ausgebreitet, wo sie einmal Könige und Kaiser Deutschlands werden sollten. Die fränkischen Hohenzollern allerdings traten bereits 1791 ab und die Burg fungierte lange Jahre als banaler verschlafener Amtssitz.

Blick auf die Cadolzburg

Am 17. April 1945 ging die Cadolzburg in Flammen auf. Ein tagelanger Brand zerstörte Decken und Böden und selbst die höchsten Mauern. Das Ganze wurde noch schlimmer dadurch, dass die Ruine dann über Jahrzehnte offenstand und von Wind und Wetter angegriffen wurde. Daher mussten die Überreste der Burg in den  späten 70er-Jahren dringend abgesichert werden – mit Bauten, die Denkmalschützern heute noch Probleme machen.

Dennoch: Die Cadolzburg bei Fürth wird 2017 mit einem spektakulären Ausstellungsprogramm eröffnet, das dem Besucher auf vielfältige Weise den Aufstieg der Hohenzollern näherbringen soll und dabei illustriert, wie man "damals gefeiert, geschlafen, gekämpft und gerochen hat".

"HerrschaftsZeiten" stehen bevor

Schon die Nürnberger Kaiserburg brachte Heimatminister Söder in den letzten Jahren zu neuem Glanz und als nächstes Projekt steht bereits Burg Veldenstein im Nürnberger Land auf der Sanierungsliste. Doch woher rührt das jüngste Interesse der Politik an den oft Jahrzehnte vernachlässigten Gemäuern? Wie sehen Konzepte der geschichtlichen Aufarbeitung aus?

Während in Cadolzburg "HerrschaftsZeiten" bevorstehen – so das Konzept der Erlebnisausstellung – und in Thüringen ein groß angelegtes Burgenmuseum eröffnet, das ausführlich die Geschichte der Burgen erzählen soll, gibt es in Franken auch kleine Initiativen, die ganz ohne Kalkül, aber leider auch mit beschränkten Mitteln agieren, und  versuchen lokale Geschichte aufzuarbeiten. Welche Chancen haben diese Burgenträume? Dieser Frage gehen Politiker, Ausstellungsmacher  und Burgenforscher im Zeit für Bayern-Feature von Horst Konietzny nach.

Stichtwort "HerrschaftsZeiten - Erlebnis Cadolzburg"

Weitere Informationen zur Ausstellung "HerrschaftsZeiten" auf der Burg Cadolzburg finden Sie hier:


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