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Bundespolizei in Bayern An den Grenzen der Belastbarkeit

Die Bundespolizei in Bayern ist überfordert: Die Flüchtlingskrise bringt die Beamten an ihre personellen und emotionalen Grenzen. Vor allem aber fehlt den Beamten Zeit, andere wichtige Aufgaben wahrzunehmen.

Von: Ariane Stürmer

Stand: 11.08.2015 | Archiv

Ein Polizist führt am 04.08.2015 am Bahnhof in Rosenheim (Bayern) ein kleines Mädchen über den Bahnsteig. | Bild: picture-alliance/dpa/Andreas Gebert

Frauen, Männer, Kinder: Sie alle erzählen von den gleichen Schrecken des Krieges, von Bomben, die das Haus zerstörten und mit ihm einen Großteil der Familie auslöschten. Es sind vor allem die Schilderungen von Menschen aus Syrien, die Polizeihauptkommissar Thomas Borowik nicht kalt lassen. Manche Kollegen verfolgten das Leid, das Elend und die Geschichten bis in den Schlaf. Borowik ist auch Sprecher der Bundespolizeidirektion in München, also quasi der Hauptniederlassung der Bundespolizei in Bayern.

Überforderte Bundespolizei

Die Bundespolizei in Bayern

  • Rund 3.900 Beamte sind für die Bundespolizei in Bayern im Einsatz
  • Bis zu 1.100 illegal eingereiste Migranten greifen die Beamten derzeit täglich in der österreichischen Grenzregion auf
  • Zwischen Januar und Juni 2015 erwischten die Beamten rund 850 Schleuser
  • Passau gilt als die meistbelastete Dienststelle der Bundespolizei in ganz Deutschland

Allein in den ersten sechs Monaten diesen Jahres kamen mehr als 32.000 Migranten in Bayern an, 13.000 von ihnen im Brennpunkt-Revier Passau. Neben Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien kommen auch Menschen aus den Balkanländern, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden und nun in Deutschland hoffen, Geld zum Leben verdienen zu können. Bundespolizisten wie Borowik sollen verhindern, dass jene Menschen illegal nach Deutschland einreisen. Für ihn und seine Kollegen bedeutete das von Januar bis Juni 2015: 32.000 Mal Personalien aufnehmen, 32.000 Mal Körper nach Waffen abtasten, 32.000 Mal Fingerabdrücke nehmen, 32.000 Mal vorläufige Dokumente ausstellen.

Rund 1.000 Kollegen fehlen

Pro Flüchtling müsse man rund eine Stunde Zeit einrechnen, sagt Borowiks Kollege Johannes Petruschke. Der Polizeioberkommissar arbeitet in Rosenheim und ist täglich mit den Schicksalen von Migranten konfrontiert.

Zahlen aus dem Jahresbericht der Bundepolizei 2014

  • Um 75,5 Prozent stieg die Zahl der unerlaubten Einreisen
  • 57.000 Menschen reisten illegal ein
  • Die meisten Migranten kamen aus Syrien (rund 14.400), Eritrea (8.000), Afghanistan (4.000) und dem Kosovo (3.400)
  • Im Vergleich zu 2013 erhöhten sich die Zahlen am meisten für Syrien (+308%), Eritrea (+417%) und dem Kosovo (+187%)
  • Die meisten aufgegriffenen Schleuser kamen 2014 aus Deutschland (176), Syrien (176), Ungarn (169), Rumänien (156), Serbien (149) und Italien (124)

Als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft der Bundespolizei in Bayern sagt er klar: Rund 1000 zusätzliche Kollegen braucht die Bundespolizei, um die gewaltige Aufgabe stemmen zu können, am besten so schnell wie möglich. Wie zu Beginn der Neunziger Jahre, als der Jugoslawienkrieg tausende Menschen zur Flucht zwang, müssten auch jetzt binnen weniger Monate Arbeitskräfte geschult und als Tarifbeschäftigte eingestellt werden, um die Beamtenschar vorübergehend unterstützen zu können.

Denn momentan müssen die teuer ausgebildeten und hochspezialisierten Beamten vor allem einfache Schreibtischaufgaben erledigen: Personalien feststellen, Dokumente ausstellen, Flüchtlingsdaten sortieren, Menschenmengen organisieren. Bei der Deggendorfer Abteilung der Bundespolizei ist ein eigenes Containerdorf entstanden, in dem die Beamten rund um die Uhr die Bürokratie bearbeiten, die jeder unerlaubt eingereiste Migrant unweigerlich mit sich bringt. Auch in Rosenheim wurde in einem leer stehenden Gebäude eine sogenannte "Bearbeitungsstraße" eingerichtet.

Das bindet Arbeitskraft, die an anderer Stelle fehlt. "Der Grundsatz der Polizei ist ja Prävention vor Repression. Und dieser Grundsatz leidet derzeit ganz erheblich", sagt Petruschke.

Andere Aufgaben bleiben liegen

So dauere derzeit nicht nur die Bearbeitung von manchen Strafanzeigen länger. Weil viel Personal in Verwaltungsaufgaben rund um die Flüchtlingskrise gebunden sei, fehlten diese Beamten an anderer Stelle wie bei Fußballspielen oder Demonstrationen, aber auch bei der Schleierfahndung auf den Straßen. Sie trage aber erheblich zum Schutz der Binnengrenzen bei, so Petruschke. "Die eingesetzten Beamten sind seit geraumer Zeit an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen, wenn diese Grenzen nicht bereits überschritten wurden."

 

Das Bundespolizeigesetz

Grenzschutz

§2 des BPolG regelt detailliert die Aufgaben der Beamten an den Grenzen: Der Grenzschutz umfasst demnach die polizeiliche Überwachung der Grenzen, die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt, die Grenzfahndung und die Abwehr von Gefahren. Im Grenzgebiet darf die Bundespolizei bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern aktiv werden.

Bahn

In $3 BPolG heißt es: "Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen (...) Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Hilfe der Länder

Die Bundesländer können Beamte der Bundespolizei nach §11 BPolG zur Unterstützung anfordern, wenn sie Hilfe brauchen bei der "Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit (...), einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall (...) und zur Abwehr einer drohenden Gefahr für (...) die freiheitliche demokratische Grundordnung."

Straftaten

Die Beamten verfolgen nach §12 BPolG unter anderem Straftaten, die sich "gegen die Sicherheit der Grenze (...)" richten, die die "Vorschriften des Passgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylverfahrensgesetzes" berühren, sofern dies im Zusammenhang mit einem Grenzübertritt steht. Dazu zählt auch der "Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt."

Auslandseinsatz

Nach §8 BPolG kann die Bundespolizei "zur Mitwirkung an polizeilichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen (...) verwendet werden". Unterstützen dürfen die Beamten Einsätze der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Westeuropäischen Union. Auch für "humanitäre Zwecke oder zur Wahrnehmung dringender Interessen der Bundesrepublik Deutschland" können Bundespolizisten eingesetzt werden.

Weitere Aufgaben

Zu den weiteren Aufgaben der Bundespolizei zählt der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs (§§4 und 4a), der Schutz von Grundstücken, auf denen Verfassungsorgane oder Bundesministerien liegen (§5), die Unterstützung des Auswärtigen Amts beim Schutz von Auslandsvertretungen und des Bundeskriminalamts (§9) und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (§13)

Im Bundespolizeigesetz ist eindeutig geregelt, dass Grenzschutz und Bahnpolizei zu den originären Aufgaben der Bundespolizei zählen. Beide könne die Bundespolizei derzeit nicht mehr in vollem Umfang wahrnehmen.

"Im Prinzip bedeutet das: Die Bundespolizisten kommen erst dann, wenn etwas passiert ist. Wir haben immer weniger die Möglichkeit, Straftaten präventiv zu verhindern."

Johannes Petruschke, Stellv. Vorsitzender des Bezirksverb. Bayern DPolG Bundespolizeigewerkschaft.

Weil vor allem die Brennpunkte Rosenheim und Passau mit der schieren Zahl der Migranten schlicht überfordert sind, eilen ihnen bereits Kollegen aus anderen Dienststellen zur Hilfe. So arbeiten derzeit Beamte aus Stuttgart und Pirna im Freistaat, um die bayerischen Kollegen der Bundespolizei bei den Ermittlungen rund um die Flüchtlinge zu unterstützen. Auch innerhalb Bayerns werden Kräfte verschoben. Jene Bundespolizisten aber, die beispielsweise eigentlich am Flughafen München oder an der Grenze zu Teschechien im oberpfälzischen Waidhaus oder Waldmünchen ihren Dienst versehen sollten, fehlen naturgemäß an dieser Stelle.

Auch Thomas Borowik bestätigt, dass es derzeit kaum vermeidbar sei, Aufgaben vorübergehend zurückzustellen. Die Bundespolizei müsse Prioritäten setzen und die Fälle der unerlaubt Eingereisten schnellstmöglich abarbeiten. "Wir können die Menschen ja nicht beliebig lang festhalten", sagt Borowik. Ein Tag bleibt den Beamten in der Regel, danach muss ein Richter entscheiden, ob jemand länger in Haft bleibt."

Der Polizeihauptkommissar ist vorsichtig in seiner Wortwahl, und doch sagt er eindeutig:

"Das ist eine sehr große Herausforderung für alle Mitarbeiter der Bundespolizei. Es gibt nur endliche Personal-Kapazitäten, und die Migranten-Zahlen sprechen eine eigene Sprache. Hier in Bayern können wir diese Lage aus eigener Kraft jedenfalls längerfristig nicht bewältigen."

Thomas Borowik, Sprecher Bundespolizeidirektion München.


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Kommentieren

roddy, Montag, 17.August 2015, 22:44 Uhr

42.

Mich wundert es nur noch, das da noch keine Polizisten wegen Schlaflosigkeit und Depressionen Amok gelaufen sind. Die Kerle sind auch nur Menschen.

airport, Montag, 17.August 2015, 20:11 Uhr

41. Kürzungen in einem Bereich,der die Bürger eigentlich schützen soll

Hessen hat eine Schwarz/Grüne Regierung und was macht die .?

Ja ,sie kürzen im Polizeibereich

Bayern hat das auch gemacht ,aber erkannt das es so nicht geht.
Liebe Politiker ihr habt geschworen Schaden vom Volk abzuwenden.
Wer radikalen Parteien den Boden entziehen will,und unsere Demokratie schützen will der muß endlich handel.

Raymond, Mittwoch, 12.August 2015, 09:32 Uhr

40. Asyl in heutiger Zeit

wenn Politiker jetzt versprechen , wir schaffen mehr Stellen ( Polizei ) in ja wie vielen Jahren ? es waer besser dieses Gesetz auf den heutigen Stand zu bringen , z.B. Taschengeld fuer Fluechtlinge und vieles mehr , wollte dies die USA aus Einwanderungsland Nr 1 gleich tun , das waere ueberhaupt nicht finanzierbar , desshalb sollte reagiert werden, es kann doch nicht sein das ,in den Herkunftslaendern geworben wird , mittlerweile eine Art -Reisebueros - die von den Leuten abkassieren - und verkuenden , geht dort hin , dort ist alles umsonst ....????

Sorgenvoll, Mittwoch, 12.August 2015, 08:35 Uhr

39.

Ihre originären, gesetzlich festgeschriebene Aufgaben, wie die Schleierfahndung, kann die Bundespolizei schon lange nicht mehr wahrnehmen. Kein Wunder also, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt und das Geschäft mit Crystal Meth aus Tschechien in unseren Discotheken und Schulen boomt.
Täglich werden in Bayern rund 1000 Flüchtlinge registriert, Tendenz steigend und kein Ende in Sicht. Würde man die Flüchtlinge alle in einer Stadt unterbringen, wäre diese nach einem Jahr so groß wie Bochum, bzw. die zweitgrößte Stadt Bayerns, so groß wie Regensburg, Würzburg und Erlangen zusammen.
Eine Großstadt, deren Einwohner nicht arbeiten dürfen, die aber die „Solidargemeinschaft“ finanzieren muss. Eine Großstadt, deren Einwohner zu 80 Prozent junge Männer sind, die keine Frau und kein Geld haben, aber materielle Wünsche
Durch unsere „Willkommenskultur“ werden Probleme auf Deutschland zukommen, von denen wir bisher noch gar nichts ahnen.
Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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Anton, Dienstag, 11.August 2015, 08:42 Uhr

38. Bitte lasst doch die Kinder aus dem Spiel!

Das Kindchenschema recht und schön, aber ich finde das nicht richtig. Damit macht man nicht Politik!