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Banken nach dem Brexit Massive Nachteile befürchtet

Es gibt keine Blaupause, kein Drehbuch, keine belastbare Prognose für die kommenden Monate. Aber alle Volkswirte sind sich einig: Großbritannien wird wirtschaftlich wesentlich stärker leiden als die EU. Statt eines erhofften Wachstums ist im laufenden Jahr bestenfalls eine Null zu erreichen.

Von: Margit Siller

Stand: 24.06.2016

Office lights are on in banks as dawn breaks behind the financial district of Canary Wharf, in London, Britain June 24, 2016 | Bild: REUTERS/Neil Hall

Pessimisten sehen allerdings bereits negative Raten für die kommenden Jahre voraus, also eine anhaltende Rezession. Auch die Investitionen auf der Insel dürften zurückgehen, mit allen negativen Folgen für den britischen Arbeitsmarkt, speziell für die Banken in der Londoner City. Völlig unklar ist, wie die Scheidung von der EU in den kommenden zwei Jahren vollzogen wird; hoffentlich wird sie nicht allzu schmutzig, heißt es übereinstimmend in den Stellungnahmen der Verbände und Volkswirte. Eine gütliche Trennung ist auch im echten Leben besser als ein Rosenkrieg.

Ausgerechnet der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, wird in seiner Erklärung sehr deutlich: "Großbritannien und Europa brauchen sich auch weiterhin gegenseitig. Brüssel sollte deshalb allen Forderungen widerstehen, Strafmaßnahmen gegen Großbritannien zu ergreifen, nur um einen Warnschuss an die anderen Mitgliedstaaten abzugeben. Dies muss die freundschaftlichste aller Scheidungen werden, bei der beide Seiten ohne Groll zusammenarbeiten."

Was wird aus der EU?

Diese Sorge teilen alle: Was, wenn es weitere Abtrünnige gibt? Was, wenn sich auch Dänemark, die Niederlande oder Schweden von der EU abwenden? Nun ist die Mitgliedschaft im "Club Europa" etwas anders als die gemeinsame Währung, der Euro. Dennoch wurden im Vorfeld der Abstimmung bereits besorgte Stimmen laut, auch die EZB als Institution und mit ihr der Euro könnten nachhaltig beschädigt werden, sollten die Briten mehrheitlich für den Austritt stimmen. Genau das ist nun eingetreten. Welche Durchschlagskraft hätte die Geldpolitik der EZB noch, wenn eine bislang in wichtigen Fragen reformunfähige EU nach und nach "ausfranst"?

Es fällt auf, dass sich alle Wirtschafts- und Bankenverbände sehr besorgt äußern und vor gravierenden ökonomischen Konsequenzen warnen. Im Gegensatz dazu bleiben die Mitteilungen aus den Pressestellen der Konzerne verhalten. Alle sprechen von Unsicherheit; aber es sei noch zu früh, die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zu bewerten, die Folgen seien aber wahrscheinlich beherrschbar.

Da völlig offen ist, welches Verhältnis Großbritannien künftig zu anderen EU-Staaten haben wird, stellt sich jetzt für deutsche Unternehmen die Frage, ob das englische Recht bei Verträgen mit britischen Geschäftspartnern überhaupt noch Anwendung finden kann. Vor diesem Hintergrund dürften die Konzerne mit eigenen Standorten in Großbritannien ihre Investitionspläne überdenken, auch wenn das derzeit noch niemand laut aussprechen mag.

Währung unter Druck

Dass das Pfund jetzt erst einmal massiv unter Druck kommt, ist klar. Aber wo wird sich der Kurs mittel- bis langfristig einpendeln? Niemand weiß es, aber für Unternehmen und Zulieferer innerhalb der EU ist das  eine der zentralen Fragen, weil sich Produktion und Lieferketten in der Regel über mehrere Länder verteilen.

Gerät das Pfund nachhaltig unter Druck, dann gilt eine Zinserhöhung der Bank von England als wahrscheinlich. In diesem Fall ist mit gravierenden Auswirkungen auf den britischen Immobilienmärkten zu rechnen. Denn die Hypotheken-Finanzierung ist dort sehr viel kurzfristiger angelegt als bei uns. Höhere Zinsen könnten dann zu größeren Verwerfungen führen; schon länger hatten Experten vor einer Blase in den britischen Ballungszentren vor allem in London gewarnt.

Schock bei den Börsen

Und schließlich die Börsen. Der Brexit ist genau der "exogene Schock", vor dem sich alle Finanzprofis fürchten. Dass die Kurskapriolen heute – speziell bei Devisen und Aktien – so extrem ausfallen, hat vor allem einen Grund: Die meisten Profis hatten sich noch bis gestern Abend an den Quoten der britischen Buchmacher orientiert, und in den Wettbüros galt ein Brexit eben nicht als wahrscheinlich. So wurden die meisten Broker und Investoren schlicht auf dem falschen Fuß erwischt. Und der Absturz ist deshalb so massiv, weil z.B. der DAX über die Woche gerechnet zuvor gut sechs Prozent zugelegt hatte. Auch Pfund und Euro tendierten noch am späten Donnerstag fest.

Keine Frage, die Lage an den Finanzmärkten wird sich beruhigen. Schon allein aus "technischen" Gründen wird es früher oder später zu einer Gegenbewegung nach oben kommen, eben weil die Kurse so stark unter Druck geraten sind. Dass die kommenden Wochen turbulent bleiben werden – für Profis und für Privatanleger – das gilt als sicher – wenigstens das.


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Francesco, Samstag, 25.Juni 2016, 20:43 Uhr

9. Ein Land....

... welches mehrheitlich für den Brexit stimmt und im Prinzip nicht weiß, welche Folgen diese Entscheidung mit sich bringt, geschweige denn einen Auststiegsplan in der Tasche hat, kann einem nur leid tun. Alles Gute !!!!

Roland Bauer, Freitag, 24.Juni 2016, 22:37 Uhr

8. DAX bricht ein - FTSE relativ stabil

FTSE 100 hat heute um 3% nachgegeben
DAX 30 hat heute um 8% bachgegeben
EuroStoxx hat heute um 11% nachgegeben

Warum halten sich die Banker nicht an die Berichte des BR?

  • Antwort von sebastian, Freitag, 24.Juni, 22:50 Uhr

    Die meisten Profis hatten sich noch bis gestern Abend an den Quoten der britischen Buchmacher orientiert, und in den Wettbüros galt ein Brexit eben nicht als wahrscheinlich.
    Wenn sich "Finanz-Profis" an Wettbüros orientieren dann;-)
    Nennt man auch zocken...

Heinrich, Freitag, 24.Juni 2016, 22:13 Uhr

7. Leiden ja, aber wie lange?

Die Briten können den Austritt wirtschaftlich nicht verkraften. Aber sie sind dann auch nicht mehr an Sanktionen gegen Russland gebunden, und werden viel Geld nach London holen. Das sind halt echte Freunde.

sebastian, Freitag, 24.Juni 2016, 19:17 Uhr

6. Massive Nachteile befürchtet

Welche Nachteile?
Bisher habe ich nocht kein VWL-Argument gehört welches massive Nachteile belegen könnte.
Hysterie-Maschine läuft auf vollen Touren.

  • Antwort von Franz, Freitag, 24.Juni, 19:26 Uhr

    Wie viele Semester haben Sie denn geschafft ? Argumenten sind Sie wohl nicht so zugänglich ?

  • Antwort von G.W., Freitag, 24.Juni, 19:29 Uhr

    doch, es gibt Nachteile. Langsam ist ein Nachteil, Deutsche/r zu sein.

  • Antwort von Sebastian, Freitag, 24.Juni, 20:44 Uhr

    @franz
    Dipl. VWL (DE)
    MBA (GB)
    LL.M (GB)
    PH.D. (GB)
    und sie?
    würde mich freuen wenn sie mir ein VWL-Argument nennen würden welches einen Nachteil belegt.
    quantitative belege ihrer argumentation?

  • Antwort von sebastian, Freitag, 24.Juni, 20:55 Uhr

    @franz
    bitte richtig lesen.
    ich weiß, damit ist schon der ein oder andere user überfordert aber ich habe geschrieben:
    welches massive Nachteile belegen könnte.
    Kann ein Wirtschaftswisschenschaftler massive Nachteile statistisch belegen?
    Ich weiß, für Leute wie Sie ist es bereits ein Argument wenn in einem Artikel steht: Alle Volkswirte sind sich einig:-))

  • Antwort von Moser, Hannes, Freitag, 24.Juni, 20:55 Uhr

    Die Briten waren doch seither auch nicht richtig drin. Geduldet mit zig Sonderrechten. Fahren auf der falschen Seite, kein Euro u.s.w. Was soll das ganze Theater eigentlich?

Wanda, Freitag, 24.Juni 2016, 17:03 Uhr

5. Gibt's ein Leben nach dem Brexit ?

- der britische Bürger wird's wie üblich mit seiner sprichwörtliche Gelassenheit ertragen. Das hat er dem Kontinent voraus...