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Erste Bestandsaufnahme Das Beben und die Schäden an Italiens Kulturerbe

Das Erdbeben in Mittelitalien hat Bergdörfer mit vielen kunsthistorischen Schätzen getroffen. Die Ortskerne stammten aus dem Mittelalter. Kirchen, Rathäuser, Paläste, vieles ist zerstört. Der Ort Amatrice gehörte zur Liste der schönsten Dörfer Italiens - seit dem Beben sind dort fast nur noch Schuttberge.

Von: Markus Epping

Stand: 27.08.2016

Eine Marienstatue in einer zerstörten Kirche nach dem Erdbeben in Mittelitalien  | Bild: REUTERS/Max Rossi

Italiens Kulturminister Dario Franceschini hat schnell reagiert. Einen Tag nach dem Beben hat er eine Gruppe von Fachleuten in die Bebenregion geschickt. Kunsthistoriker, Architekten und Restauratoren. Sie sollen die Schäden genau erfassen und dokumentieren. Keine leichte Aufgabe, sagt Antonia Recchia vom Kulturministerium.

"Wir haben historische Altstädte mit einem reichen Erbe an Gebäuden, die sehr schön sind – aber auch sehr empfindlich. Und dann gibt es die Museen mit ihren Sammlungen. Wir wollen ins Bebengebiet, um wertvolle Stücke raus zu holen, aber wir wissen natürlich, dass die Erde noch stark in Bewegung ist."

Antonia Recchia, italienisches Kultusministerium

Fast 300 Gebäude betroffen

Eine erste Bestandsaufnahme ist gemacht. Demnach sind 293 kunsthistorisch bedeutende Gebäude eingestürzt oder schwer beschädigt. Die Zahl bezieht sich auf einen Umkreis von 20 Kilometern ums Bebenzentrum.

Was sind das für Gebäude? Ein paar Beispiele: In Amatrice die Kirche Sant’Agostino. Ein Bau aus dem 15. Jahrhundert. Das obere Drittel der Kirche ist eingestürzt, die komplette Dachkonstruktion ist weg, ebenso die prachtvolle Rosette in der Fassade. Innen waren wertvolle Fresken. In Castelluccio in Umbrien ist der Turm der romanischen Kirche akut einsturzgefährdet. Die Risse im Mauerwerk sind gewaltig, eine Seite des Turms ist weggesplittert. Der Dom von Urbino in den Marken musste gesperrt werden. Die Außenwände haben tiefe Risse, Statiker sind noch unsicher, wie gefährlich die Schäden sind. 

Behörden in der Kritik

Italiens Behörden müssen sich wegen einiger der Schäden Kritik anhören. Denn manche Bauwerke wurden erst in den vergangenen Jahren saniert, etwa der Glockenturm von Accumoli. Besonders dramatisch dort: Als der Turm einstürzte, begrub er eine Familie unter sich.

Das ist nur ein drastisches Beispiel. Manche aber fragen, ob Kulturdenkmäler in Beben-Risiko-Gebieten nicht grundsätzlich gesichert werden müssten. Francesco Violo vom staatlichen Geologie-Institut ist überzeugt, dass das zumindest möglich wäre.

"Wir haben sowohl die Technik als auch das Wissen, die Gebäude bebensicher zu machen. Man muss es wollen. Und klar, es kostet. Aber wenn man bedenkt, dass Italien in den letzten 50 Jahren 180 Milliarden für Bebenschäden ausgegeben hat, wäre die Vorsorge eine Ersparnis."

Francesco Violo, Geologe

Sicher, manches könnte getan werden. Aber Italien ist so reich an kunstgeschichtlich wertvollen und wunderschönen Gebäuden. Und 70 Prozent des Landes sind bebengefährdet. Wer will da garantieren, dass jedes alte Gebäude sicher gemacht wird. Momentan ist es teuer genug, den Überlebenden des Bebens eine Perspektive zu geben, ihre Häuser wieder aufzubauen. Italien bemüht sich nach Kräften, sein Architekturerbe zu erhalten. Aber vielleicht müssten auch andere Länder Verantwortung übernehmen und helfen. Es geht ja nicht nur um Nationalkultur, sondern oft genug um Schätze, die die ganze Welt bestaunt.


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