Archiv: Hubert Aiwanger (l-r, Freie Wähler), bayerischer Wirtschaftsminister und Robert Habeck (Grüne), Bundeswirtschaftsminister, geben vor dem bayerischen Wirtschaftsministerium eine Pressekonferenz. (20.01.2022)
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Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schlägt im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers Alarm.

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Aiwanger über Gaskrise: "Verteilungskampf wird bitter werden"

Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger hat im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers Alarm geschlagen. Er warnt vor einem bitteren Verteilungskampf um Gas im kommenden Winter - und fordert von der Bundesregierung einen sofortigen Krisenplan.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Angesichts des möglichen Totalausfalls russischer Gaslieferungen zeigt sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger besorgt. Im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers warnte er mit Blick auf eventuell notwendige Rationierungen im Winter: "Dieser Verteilungskampf wird bitter werden."

Natürlich könne man niemanden in der Wohnung erfrieren lassen, sagte der bayerische Wirtschaftsminister. Aber: "Am Ende können wir auch die Wirtschaft nicht mit Vollgas an die Wand fahren."

Scharfe Kritik richtet Aiwanger dabei an seinen grünen Amtskollegen im Bund, Robert Habeck. Aiwanger sagte, er fordere Habeck schon seit Monaten auf, endlich ein Konzept auf den Tisch zu legen, um beispielsweise private Haushalte davon zu überzeugen, auf Pelletheizungen oder Strom umzustellen.

Minister: Zahl der privaten Gaskunden schnell reduzieren

Aiwanger schlägt vor, Privatkunden, die bereit seien, ihre Gasheizung umzustellen, zu entschädigen, "damit wir die privaten Gasverbraucher in der Zahl und in der Menge schnell reduzieren". Zwar sieht die europäische Notfallverordnung Gas vor, dass Verbraucher im Falle einer Gasknappheit gegenüber der Industrie Vorrang haben, doch eben diese Priorisierung hat Bundeswirtschaftsminister Habeck gerade am Dienstag in Frage gestellt, da auch eine längerfristige Unterbrechung der industriellen Produktion massive Folgen für die Versorgung hätte.

Es ist ein Thema, das Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger unter den Nägeln brennt. "Wir müssen hier mit den Endkunden intensiver reden!" Habeck könne nicht erst sagen, die Endkunden fasse man nicht an und 14 Tage später verkünden, man fasse sie nun doch an. Die vorrangige Versorgung der Privathaushalte sei nicht nur eine politische Frage, so Aiwanger, sondern auch eine technische. "Selbst wenn die Politik das letzte Mietshaus an der Rohrleitung mit Gas versorgen will – wenn der Gasdruck vorher schon so weit nach unten gefahren wird, weil man der Industrie das Gas abdreht, dann kommt hinten gar nicht mehr so viel Gas an, dass der Private überhaupt noch seinen Gasofen betreiben kann."

Aiwanger fürchtet, dass Russen Lieferpflicht nicht einhalten

Eine weitere Forderung, die Bayerns Wirtschaftsminister an den Bund richtet: Die sofortige Umstellung von der zweiten auf die dritte und letzte Stufe des Notfallplans Gas. Hubert Aiwanger will alle Möglichkeiten ausschöpfen. Der bayerische Wirtschaftsminister glaubt nicht daran, dass Russland seine Lieferpflicht beim Gas einhalten wird: "Ich fürchte fast, dass die Russen uns den Gefallen nicht tun, unsere Speicher zu 90 Prozent zu füllen, damit wir sie dann über Monate hinweg nicht mehr brauchen."

Aiwanger: "Am Ende werden alle bluten müssen"

Schon jetzt entwickeln zahlreiche bayerische Kommunen Pläne, um Energie zu sparen, weil Berechnungen zeigen, dass sich die Energiekosten durch die stark gestiegenen Preise verdoppeln könnten. Erste Maßnahmen: Hallenbäder müssen schließen, Straßenbeleuchtung wird reduziert, historische Gebäude nachts nicht mehr angestrahlt. Dennoch schlagen mehrere Stadtwerke, Städte und Kommunen Alarm, sie könnten eine möglicherweise weiter zunehmende Kostenexplosion nicht allein durch Sparen schultern und fordern finanzielle Hilfe von Land und Bund. Aiwanger nennt das "eine verzwickte Gemengelage". Aktuell hätten viele Stadtwerke noch günstige Gasversorgungsverträge mit Vorlieferanten wie Uniper, die wiederum vom Bund gestützt würden, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Doch wenn diese Verträge auslaufen, stelle sich die Frage, wer zuständig sei.

"Wir lassen hier niemanden hängen, aber wir können jetzt auch nicht allen alles versprechen", so Aiwanger im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Und es werde natürlich noch die Option zu ziehen sein, auch höhere Preise an den Endkunden weiterzugeben. Bislang dürfen die Versorger ihre hohen Einkaufspreise nicht voll an die Endkunden weitergeben. Dazu müsste die Bundesnetzagentur den Versorgern außervertragliche Preiserhöhungen beim Gas erlauben. Dass das bald passieren könnte, kann sich Wirtschaftsminister Aiwanger durchaus vorstellen: "Am Ende werden alle bluten müssen, vom Endkunden bis zur Bundesrepublik Deutschland."

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