Aufnahme aus einem Klassenzimmer in Baden-Württemberg mit Unterlagen und Papierschildern auf dem Tisch. Aufschrift auf den Schildern: "Corona?", "Schule NEU" und "Verhalten".
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Aufnahme aus einem Klassenzimmer mit Unterlagen und Papierschildern zu Corona auf dem Tisch.

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#Faktenfuchs: Namensnennung bei Corona-Infektionen an Schulen

Bei Corona-Infektionen an Schulen wird in der Regel der Name der Schule genannt. Ein fränkischer Landrat wollte das allerdings kurz vor Beginn der Sommerferien nicht tun. Die Schule nennen oder nicht? Wie sind die Regeln? Ein #Faktenfuchs.

Kurz vor Ende des Schuljahres wurde an einer Schule im fränkischen Landkreis Roth eine Infektion mit dem Coronavirus bestätigt. Dies war längst nicht der erste Fall in Bayern. BR24 hatte unter anderem schon über Fälle in Augsburg, Regensburg oder Würzburg berichtet. Die Namen der Schulen wurden dabei jeweils genannt. Als Berichterstatter hatten wir die Informationen vom Landratsamt, der Stadt oder dem Gesundheitsamt.

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  • Anders der Fall im Landkreis Roth. Landrat Herbert Eckstein gab nicht bekannt, an welcher Schule sich die Infektion ereignet hatte. Ein Kind war nachweislich infiziert, die Klasse und weitere Kontaktpersonen mussten in Quarantäne.

    "Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Personen steht der Benennung der konkreten Schule entgegen", antwortete das Landratsamt Roth auf die Anfrage von BR24. "Die Bekanntgabe der Schule lässt unschwer einen Rückschluss von den abwesenden Schülern auf die möglichen Infizierten zu", heißt es weiter. Aus diesem Grund sei die konkrete Schule nicht genannt worden.

    Allgemeine Regeln zur Namensnennung

    Dieser #Faktenfuchs kann nicht den konkreten Fall in Roth klären, da dies gegebenenfalls Juristen bzw. der Rechtsprechung vorbehalten ist. Hier geht es um die Frage: Welche allgemeinen Regeln gelten für die Nennung von Schulnamen bei nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2?

    Warum der Name der Schule grundsätzlich genannt werden darf, erklärt der Rechtswissenschaftler Prof. Meinhard Schröder von der Universität in Passau:

    "Eine öffentliche Stelle, zum Beispiel ein Gesundheitsamt oder Landratsamt, darf im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit über ihre Tätigkeit informieren. Das ist die rechtliche Grundlage dafür, dass eine solche Information wie der Schulname im Falle einer Covid 19-Infektion herausgegeben wird." Prof. Schröder, Uni Passau

    Dabei müssten Grundrechte wie das Persönlichkeitsrecht beachtet und mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden. Das Persönlichkeitsrecht beinhaltet, dass grundsätzlich jeder selber entscheiden kann, welche Informationen er oder sie über sich selbst preisgibt.

    Allerdings hält es der Passauer Rechtswissenschaftler für fraglich, ob die Nennung des Schulnamens überhaupt das Persönlichkeitsrecht berührt. Denn: Die Person wird dabei ja nicht direkt benannt.

    Eine Frage der Identifizierbarkeit

    Das Entscheidende ist nach Auskunft Schröders, ob eine Person eindeutig identifiziert werden kann. Wenn man zum Beispiel sagen würde, der Leiter der Schule XY hat sich mit Covid-19 infiziert oder die Leiterin der Klasse 2b der Schule XY ist erkrankt, wäre das Persönlichkeitsrecht betroffen. Denn wahrscheinlich könnte man schon mit einem Blick auf die Webseite die Namen der Personen herausfinden. Spricht man aber allgemein von einem Schüler oder einer Schülerin, kann nicht jedermann herausfinden, um wen es sich handelt.

    Es könne zwar sein, dass jemand einen Bericht über Corona-Infektionen an einer bestimmten Schule liest und sich sagt: "Von der Schule kenne ich jemanden, zu dem will ich jetzt erst mal keinen Kontakt mehr" - auch wenn der Bekannte gar nicht zu den Infizierten gehört. Doch dieses Risiko, so Schröder, sei vielleicht sogar erwünscht. Denn jeder könne dann für sich entscheiden, wie er oder sie mit bekannten Coronafällen und deren Umfeld verfahren möchte.

    Wann das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt

    Bei einem nachgewiesenen Infektionsfall kommen meist auch Mitschüler in Quarantäne. "Diejenigen, die es betrifft, und das nähere Umfeld werden sowieso von der Infektion erfahren", so Schröder. Die zusätzliche öffentliche Nachricht über den Infektionsfall macht den Kreis derer, die über die Betroffenen Bescheid wissen, nicht oder nicht viel größer.

    Wenn keine besonderen Umstände dazukommen, überwiegt nach Ansicht des Rechtswissenschaftlers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Name der Schule kann genannt werden.

    Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) steht der Nennung des Schulnamens nach Ansicht Schröders nicht entgegen, "solange keine Daten über eine konkret identifizierbare Person herausgegeben werden".

    Behörden entscheiden über Bekanntgabe

    Die Schnittstelle für die Bekanntgabe der Schulnamen sind die Gesundheitsämter. "Den Gesundheitsämtern liegen die Namen der betroffenen Einrichtungen vor", erklärt das Bayerische Gesundheitsministerium auf Nachfrage von BR24. Es liege im Ermessen der Behörde vor Ort, ob die Nennung des Namens einer Einrichtung, wie zum Beispiel einer Schule, eines Pflegeheims, Krankenhauses oder einer Firma, notwendig ist – etwa um weitere Kontakte zu ermitteln. "Diese Abwägung muss am Gesundheitsamt nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit (Persönlichkeitsrechte) entschieden werden", teilte eine Pressesprecherin des Gesundheitsministeriums per Mail mit.

    In Bayern gibt es 71 staatliche Gesundheitsämter, die als Abteilungen der Landratsämter geführt werden, und fünf kommunale Gesundheitsämter in München, Augsburg, Nürnberg, Ingolstadt und Memmingen.

    Die Gesundheitsämter geben die Meldungen über bestätigte Infektionen mit Covid-19 dann anonymisiert, also nicht-namentlich, an das Landesamt für Gesundheit weiter.

    Fazit

    Bei Meldungen über bestätigte Fälle von Corona-Infektionen kommt es darauf an, dass die betroffene Person nicht identifizierbar ist. Der oder die Infizierte darf nicht mit Namen oder anderen Merkmalen beschrieben werden, die ihn oder sie zu erkennen geben.

    Die Nennung des Schulnamens hingegen liegt im Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und wird von den Behörden in der Regel bekannt gegeben. Die Entscheidung darüber liegt beim Gesundheitsamt. Dieses entscheidet laut Gesundheitsministerium nach "Maßgabe der Verhältnismäßigkeit". Ob das Persönlichkeitsrecht von der Nennung des Schulnamens überhaupt betroffen sein kann, hält Schröder für fraglich, weil damit eine Person nicht direkt benannt wird.

    Im Falle des Landkreises Roth, wo Landrat Eckstein einen Schulnamen nicht nannte, müsste demnach unter genauerer Betrachtung des Falls von Juristen beurteilt werden, inwieweit das Persönlichkeitsrecht zum Tragen kommt und ob es weniger oder mehr wiegt als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

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