93

Wie tickt die Basis? Ein Abend bei der AfD

Viele reden über die AfD und haben schnell ein festes Bild: Alles Ausländerfeinde, Ewiggestrige, eine Gefahr für die Demokratie. Nur wenige wollen dagegen mit der AfD reden. Dabei stellt sich die Frage, wie tickt die Basis dieser umstrittenen Partei? Ein Blick nach München.

Von: Hans Häuser

Stand: 21.09.2016 | Archiv

Plakat mit dem Logo der Partei Alternative für Deutschland an einer Litfaßsäule in Osterhofen (Bayern). | Bild: picture-alliance/dpa/Marc Müller

Abends, kurz nach acht in der Gaststätte Portugal hinter dem Münchner Ostbahnhof. Das Nebenzimmer ist voll, knapp hundert Zuhörer bei einem Vortrag gegen "Gendermainstreaming", organisiert von der AfD: Die Gleichmacherei von Jungs und Mädchen schon in der Schule laufe auf die Schaffung eines neuen Menschen hinaus, der sich ohne Rückgrat dem füge, was Politiker, Wirtschafts- und Bankenbosse vorgäben.

Eine These, die auf Zustimmung trifft, zum Beispiel bei einem Mann mittleren Alters. Seinen Namen möchte er nicht nennen, wie die meisten, mit denen der BR spricht.   

"Das war mal die erste Veranstaltung. Ich wollte das mal live erleben. Es spiegelt wider, was im Volk gärt. Das Erbe des Abendlandes geht ganz schön den Bach runter."

Ein Besucher einer AfD-Veranstaltung

Ein heftiger Christ sei er auch, sagt er noch. Aber Mitglied in der AfD will er nicht werden, weil er auch Künstler sei und Freidenker und nicht so sehr für Vereinsmeierei. Ein anderer Zuhörer dagegen hat mit voller Überzeugung die Junge Union verlassen, um in die AfD einzutreten. "Das, was bei der AfD im Programm steht, hätte früher bei der CSU oder der JU stehen können", sagt er. Als Beispiele nennt der Mann die Bewahrung unserer kulturellen Identität und dass Grenzen ein Menschenrecht sind.  

Die Ängste der Sympathisanten

Die Angst vor dem Verlust der Identität treibt hier viele um. Doch es gibt weitere Themen, die der AfD zurzeit neue Mitglieder bescheren. "Wir wollen die Menschen abstimmen lassen, ob wir uns die Währung noch leisten können", sagt Wilfried Biedermann, AfD-Kreisvorsitzender für München-Ost. Nach der Abspaltung der ALFA-Bewegung sei die Mitgliederzahl im Kreisverband zwar gesunken, jetzt habe sie sich innerhalb eines halben Jahres aber wieder verdoppelt – auf rund 130. "Ich glaube nach dieser Veranstaltung haben wir wieder zehn bis 15 Interessenten, also die Tendenz geht nach oben", berichtet Biedermann.

Sehr angetan von der AfD ist auch ein 19-Jähriger. Er macht gerade eine Ausbildung zum Krankenpfleger, und würde sofort Mitglied werden. Doch zwei Dinge halten ihn ab: Zum einen irritierende Äußerungen mancher AfD-Funktionäre. AfD-Vize Alexander Gauland etwa hatte gesagt, die Menschen wollten den schwarzen Fußballer Jerome Boateng zwar als Nationalspieler, nicht aber als Nachbar. Zudem ist da die Angst, Opfer von Gewalt zu werden.

Der bedrohte Wirt

Aggressionen und Drohungen haben erst vor gut zwei Wochen die politische Diskussion ersetzt. Da feierte die Partei hier im Restaurant Portugal den Wahlerfolg von Mecklenburg-Vorpommern. Augenzeugen berichten, dass linke Protestierer aufmarschierten und angegriffen wurden – offenbar von Mitgliedern der rechten Szene, die der AfD nahestehen. Später bekam der Wirt des Lokals, Manuel Mantero, eindeutige Botschaften. Es gibt Leute, die drohen ihm zum Beispiel, sie wollten sein Lokal kaputt machen.

Der Staatschutz ermittelt, die Polizei bewacht den Gender-Vortrag mit mehreren Beamten. Die AfDler und ihre Sympathisanten sehen sich als Opfer.

"Die meisten in der AfD sind keine Ausländerfeinde. Viele sind sogar mit Ausländern verheiratet. Was da kolportiert wird, ist eine Lüge."

Ein Besucher der Veranstaltung

"Einheitsbrei mit Nuancen"

In der Öffentlichkeit werde derzeit jeder sofort in eine Ecke gestellt, sagt ein anderer. Echter Austausch, echter Streit zwischen den Parteien finde nicht mehr statt. Nur noch im kleineren Bereich sei das möglich, aber im politischen Diskurs eben nicht mehr: "Da kann nur eine Meinung vertreten werden. Da kommt nur Einheitsbrei mit Nuancen raus."

Etwas mehr politische Streitkultur würde womöglich tatsächlich nicht schaden – und ein bisschen mehr Gelassenheit. Wie das gehen könnte, das zeigt an diesem Abend Wirt Manuel Mantero. Auf die Frage, warum er als Ausländer sein Lokal an eine Partei vermietet, die als ausländerfeindlich gilt, sagt er nur: "Ich habe nichts gegen die AfD. Ich bin Wirt, will dass mein Lokal funktioniert. Jede demokratische Partei kann kommen."


93

Kommentieren

Hans Bo, Donnerstag, 22.September 2016, 07:02 Uhr

45. Erfolg auf ganzer Linie

"Viele reden über die AfD und haben schnell ein festes Bild: Alles Ausländerfeinde, Ewiggestrige, eine Gefahr für die Demokratie."
Wunderbar, Daumen hoch.
Da, wie bei vermutlich allen anderen Parteien auch, keiner ausser Truderinger das Programm der AfD gelesen hat, ist der gemeine Pöbel ja auf die konzentrierte und neutrale Berichterstattung der freien Presse* angewiesen.
Und genau diese vermittelt doch seit 2013 kontinuierlich in Dauerschleife genau die oben zitierte Botschaft.
Es zeigt also Wirkung. Es funktioniert.
Natürlich könne wir weiterhin alles was nicht auf Parteilinie ist als Rechts, Nazi und Populismus abtun, aber wie lange wird dieses Kartenhaus noch stehen bleiben?

Thomas, Mittwoch, 21.September 2016, 16:52 Uhr

44. Was den AfDlern nicht gefällt.

Obama bei Flüchtlingskonferenz: "Ich möchte Kanzlerin Merkel danken"

So sieht es das Ausland und es ist unzweifelhaft das dieser Satz wie Balsam auf Frau Merkel wirkt genauso wie es der AfD ein weiteres "Feindbild" liefert.

Hätten sich die USA auch so engagiert wie Deutschland und Kanada, wäre dieses Lob ein Stück mehr wert und es hätte Europa auch geholfen. So bleibt es eben (nur) bei einem Dankeschön und lobenden Worten.

  • Antwort von winfried, Mittwoch, 21.September, 17:43 Uhr

    @Thomas ... Ich komme gerade zurück von einer privaten Wohnmobil-Reise durch A, CZ, H, HR, SLO, SK, SRB. In Serbien bis zur Stadt Vranje(ca.40 km bis Makedonien). Bei allen Gesprächen kam eher früher als später das Thema "Flüchtlinge" und Fr. Merkel auf. Besonders in den Balkanländern kam die Ablehnung der deutschen Flüchtlingspolitik zum Ausdruck, u.a. begründet mit der intensiveren Erinnerung an ehemals islamische Besatzer. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
    Kommentar-Richtlinien bearbeitet.

  • Antwort von AFdlerin, Mittwoch, 21.September, 18:18 Uhr

    Andere führen Krieg, wir zahlen.

r.w., Mittwoch, 21.September 2016, 16:47 Uhr

43. Mangel an Fairness

Ausländerfeinde, Ewiggestrige,eine Gefahr für die Demokratie,brauner Sumpf u.s.w. Dieses Bild verdankt die Öffentlichkeit der Presse. Eine objektive Berichterstattung statt einseitiger und persönlicher Meinung der Autoren würde viel dazu beitragen,dass so mancher Konflikt statt mit Gewalt mit einer sachlichen Diskussion aus der Welt zu schaffen wäre. Aber nein .Bei den Schlägern der Antifa spricht man z.B von "friedlichen Demonstranten" die man Aktivisten nennt und eine Demo der AfD wird in der Presse zum Aufmarsch der Randalierer. Warum wird die AfD nicht als das dargestellt was sie ist. Eine zugelassene und vom Verfassungsschutz als UNBEDENKLICH eingestufte Partei. Die Presse sollte beherzigen was der ehemalige Chefredakteur der NY Times John Swinton (1829-1901) zum Thema unabhängige Presse sagte. Er war ein kluger Mann. Die Presse sollte auch klug werden. Die AfD ist keine Eintagsfliege.

  • Antwort von Leserin, Freitag, 23.September, 09:34 Uhr

    Kundgebungen, Wahlveranstaltungen, das Parteiprogramm, Talk-Shows, Interviews mit einzelnen Parteimitgliedern der AfD ect., tragen bzw. trugen zu einem vorläufigen Bild dieser Partei bei, welches dann von den Bürgern unterschiedlich bewertet wird. Für die teilweise schlechte Presse, die zu lesen oder zu hören ist, dafür wird es Gründe geben, über deren Ursache sich die Politiker in der AfD Gedanken machen könnten. Alle kritischen Fragen abzutun als Akt einer Diffamierung, ist leicht oder von "Lügenpresse" zu sprechen, billig, obendrein geschichtsvergessen. Andere Parteien sind in demselben Maße mit einer kritischen Öffentlichkeit konfrontiert, will die AfD eine Ausnahme für sich beanspruchen? Sollte nicht jeder mündige Bürger dazu fähig sein, Aussagen, Programme und Texte auf deren Inhalte hin zu prüfen und daraus Schlüsse zu ziehen? Den Medien wird in dem Fall viel zu viel Macht zugeschrieben, dem Denken des einzelnen Menschen. leider viel zu wenig.

Herrmann, Mittwoch, 21.September 2016, 16:37 Uhr

42. Alternativlos oder Alternativen?

Es ist bezeichnend für das Demokratieverständnis in unserem Land, dass die AFD im Grunde genommen von jeder etablierten angeblich demokrat. Partei und ihren Anhängern als undemokratisch, rechtspopulistisch oder gar verfassungsfeindlich pauschal diffamiert wird. Ich bin weder Anhänger der AFD noch sonst Parteimitglied. Allzu selbstgefällig und arrogant gehen viele Politiker über die wahren Bedürfnisse von Menschen hinweg, und lassen sich zu reinen Erfüllungsgehilfen von Lobbyisten herab, ihre eigentliche Aufgabe, die Interessen (!) des Volkes zu vertreten , findet teilweise nicht mehr statt. Hier kann eine neue Partei, die provoziert und polarisiert nur von Vorteil sein, weil damit endlich wieder Diskussionen über den richtigen Weg stattfinden, und nicht nur alternativlose BASTA-Politik.

Wanda, Mittwoch, 21.September 2016, 16:29 Uhr

41. ...der werfe den ersten Stein

- die AfD existiert erst kurze Zeit und muss wie die etablierten Parteien durch die ersten Jahre der Selbstfindung, der Reife und der Konsolidierung. Das haben Union, Sozis und Liberale auch für sich in Anspruch genommen, von den Grünen ganz abgesehen. Und die Geschichte jeder dieser Parteien hat ihre Flecken:
- die CDU-Vorgängerpartei das Zentrum, in dem sie aus purem Machtkalkül dem Führer die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Ermächtigungsgesetze beschaffte, was ihr aber nichts nutzte. Auch, dass sich nach 1945 zahlreiche ex-Nazis in der Union tummelten und zu hohen Regierungspositionen, Parteiämtern, Ministerpräsidenten oder sogar zum Kanzler aufstiegen (Globke, Filbinger, Kiesinger, Dregger usw.) wird von AfD-Kritikern gern vergessen...
- die SPD mit vielen ehemaligen Kommunisten in ihren Reihen und die FDP mit nicht wenigen von den "Alten Kameraden"...
- bei den Grünen stiegen letztendlich sogar Gewalttäter und Strassenrandalierer zu Ministern auf, etc...