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Schärferes Asylrecht Das Asylpaket II in der Analyse

"Grausam" oder "notwendig": Im Bundestag ist über das Asylpaket II diskutiert worden. Es war die erwartet hitzige Debatte. Janina Lückoff erklärt, um was es in diesem Paket genau geht.

Stand: 19.02.2016 | Archiv

Eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien geht am 03.11.2015 an der Flüchtlingsunterkunft auf dem ehemaligen Kasernen-Gelände bei Ehra-Lessien im Landkreis Gifhorn (Niedersachsen). | Bild: picture-alliance/dpa

Das Maßnahmenpaket enthält unter anderem die besonders umstrittene Aussetzung des Rechts auf Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem, subsidiärem Schutzstatus. Dies soll im Grundsatz auch für Minderjährige gelten, die ihre Eltern nachholen wollen.

Weiterer zentraler Punkt ist die Errichtung von bundesweit fünf Registrierzentren, um dort Asylverfahren für Flüchtlinge mit geringen Chancen auf Anerkennung zu beschleunigen. Zudem sollen Abschiebungen straffällig gewordener Ausländer erleichtert werden. Doch das Asylpaket II umfasst auch noch weitere Punkte:

Um sie hatte sich der erste Koalitionsstreit gedreht: Die Union forderte Transitzonen in Grenznähe, die SPD sah darin Haftzonen und verlangte dezentrale Einreisezentren. Anfang November einigten sich die Parteien auf die Aufnahmezentren.

Worum geht's?
Menschen ohne Bleibeperspektive sollen ein besonders schnelles Asylverfahren durchlaufen. Zu ihnen gehört, wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt, mit einer Wiedereinreisesperre belegt ist oder einen Folgeantrag stellt. Auch jene, die nicht bereit sind, mitzuwirken am Verfahren, die falsche Angaben über ihre Identität machen oder ihre Dokumente mutwillig vernichtet haben fallen darunter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF, soll vor Ort binnen einer Woche über den Antrag entscheiden. Inklusive Widerspruchsfrist soll das gesamte Verfahren nach drei Wochen abgewickelt sein. Für die entsprechende Personengruppe gilt eine

Residenzpflicht
Der Antragsteller wird verpflichtet, im Aufnahmezentrum zu wohnen, bis sein Verfahren abgeschlossen ist. Verstößt er dagegen wird sein Verfahren eingestellt. Wird der Antrag abgelehnt sollen die betreffenden Personen direkt aus den Aufnahmezentren in ihr Land zurückkehren oder abgeschoben werden.

Die Zahlen:
Drei bis fünf solcher Zentren soll es geben, zwei davon in Manching und Bamberg. Die weiteren Standorte und die genaue Anzahl sind bislang nicht bekannt. Das werde im Einvernehmen mit den Ländern bestimmt, teilte das Bundesinnenministerium mit.

Die Kritik:
Asylrechts-Experten befürchten, dass die schnelleren Bearbeitungszeiten zu Lasten eines fairen und gründlichen Verfahrens gehen. Anträge könnten kaum noch individuell geprüft werden. Besonders schwerwiegend würde dies besonders schutzbedürfte Flüchtlinge treffen, wie Kranke, Traumatisierte oder Minderjährige. Manche erwarten, dass die Reformen eine Reihe an Klagen nach sich ziehen werden.

Er sorgte gleich zwei Mal für Streit in der Großen Koalition: Die SPD hatte erreichen wollen, dass Flüchtlinge aus Syrien von der Einschränkung des Familiennachzugs ausgenommen werden - das wollte die CSU nicht mitmachen - der erste Streit. Der zweite dann, als im Gesetzentwurf keine Ausnahmeregelung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz mehr vorgesehen war.

Worum geht's?
Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz dürfen für zwei Jahre nicht ihre engsten Angehörigen nachholen. Dabei handelt es sich um Personen, die weder Grundrecht auf Asyl noch auf einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben, denen aber im Herkunftsland Folter oder Todesstrafe drohen.

Die Zahlen:
Im vergangenen Jahr wurden rund 137.000 Personen als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt, das sind 48,5 Prozent aller Asylbewerber. Subsidiären Schutz bekamen dagegen rund 1.700 Personen - das sind 0,6 Prozent. Die meisten von ihnen sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Eritrea, Afghanistan und dem Irak. Experten gehen davon aus, dass künftig auch etwa 20 Prozent der syrischen Flüchtlinge nur einen subsidiären Schutz erhalten.

Betrachtet man die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus, um die zuletzt gestritten wurde, sind die Zahlen noch geringer: 105 waren es im vergangenen Jahr - von denen wiederum nur ein kleiner Teil den Nachzug der Eltern beantragte. Die dürfen auch künftig in besonderen Härtefällen nachgeholt werden. Wie viele Visa im vergangenen Jahr an deren Familienangehörige ausgestellt wurden, kann die Bundesregierung nicht beantworten; die entsprechenden Zahlen würden nicht im Ausländerzentralregister gespeichert, heißt es.

Die Kritik:
Die Grünen sehen in der Einschränkung des Familiennachzugs den kritischsten Punkt des Asylpakets II. Wenn es für Angehörige keine legalen Wege gebe, nutzten sie die gefährlichen Angebote der Schlepper. Auch integrationspolitisch sei die Maßnahme kontraproduktiv. Die Linke bezeichnet die Tatsache, dass es für Angehörige geflüchteter Kinder nur noch "humanitäre Ausnahmen" geben soll, als Farce. Sie sei ein Beleg dafür, dass die Regierungspolitik immer unmenschlicher werde.

Übrigens:
Die Bedingungen für Familienangehörige, ein Visum zu bekommen, sind schwierig: Ein Flüchtling, der nicht über eigene MIttel und ausreichenden Wohnraum verfügt, kann nur dann seine Familie nachziehen lassen, wenn er den Antrag binnen drei Monaten nach seiner Anerkennung als Flüchtling stellt. Dann muss der betreffende Familienangehörige im Ausland selbst einen Antrag stellen, z.B. in der deutschen Botschaft. Dort gibt es aber lange Wartezeiten. Syrische Bürger müssen beispielsweise in der Türkei ein Jahr warten, um einen Termin zu bekommen.

Künftig wird es schwieriger, eine Abschiebung mit Hilfe eines ärztlichen Attests zu verhindern. Nur noch lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, können künftig die Rückführung verhindern. Die entsprechende ärztliche Bescheinigung muss bestimmte Kriterien erfüllen, um eine gravierende Krankheit glaubhaft zu machen. Kommt diese aber nicht fristgerecht an wird sie nicht mehr berücksichtigt.

Die Zahlen:
Gibt es nicht. Bis November konnten die einzelnen Gründe, warum ein abgelehnter Asylbewerber geduldet wird, nicht im Ausländerzentralregister erfasst werden, also auch nicht die Zahl derer, die aus medizinischen Gründen nicht abgeschoben wurden.

Die Kritik:
Der Gesetzgeber spiele mit dem Leben der Betroffenen, sagen Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl. Insbesondere traumatisierte Menschen würden durch diese Vorgehensweise gefährdet. Denn: Im Zweifel werde abgeschoben.

Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive, also mit einer Schutzquote von über 50 Prozent, sollen schon während des laufenden Asylverfahrens an einem Integrationskurs teilnehmen - derzeit sind das Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea. Sie werden sich mit Inkrafttreten des Asylpakets II an den Kosten ihres Integrationskurses beteiligen müssen, mit zehn Euro.

Die Zahlen:
Das Bundesinnenministerium erwartet in diesem Jahr 300.000 neue Teilnehmer und hat die Haushaltsmittel auf 559 Millionen Euro aufgestockt. Drei Millionen davon kommen also künftig von den Flüchtlingen selbst, denen der Betrag vom Taschengeld abgezogen wird. Derzeit bekommen Alleinstehende nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 143 Euro im Monat.

Um minderjährige Migranten besser zu schützen, müssen alle Personen, die sich in Aufnahmezentren und Unterkünften um die Betreuung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen kümmern, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. So soll sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter nicht durch Gewalt- oder Sexualdelikte aufgefallen sind. Nach Angaben des Innenministeriums werden davon rund 3.800 Personen betroffen sein.

Drei Aspekte beinhaltet das Asylpaket II, die in eigenen Gesetzentwürfen eingebracht werden.

  • Die Liste der sicheren Herkunftsländer soll erweitert werden um Tunesien, Algerien und Marokko. Hierfür benötigt die Bundesregierung im Bundesrat aber die Zustimmung von zwei Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung. Noch wird über den Gesetzentwurf diskutiert; vor den Landtagswahlen am 13. März wird er wohl nicht mehr vorgelegt werden.
  • Straffällig gewordene Ausländer sollen künftig rascher ausgewiesen werden können. Der entsprechende Gesetzentwurf soll nächste Woche den Bundestag passieren.
  • Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen, sollen für deren Dauer und zwei anschließende Jahre einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. Das Alter, bis zu dem Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen, soll von 21 auf 25 Jahre heraufgesetzt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt noch nicht vor.

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