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Asylrecht Das deutsche Asylverfahren

Das deutsche Asylverfahren ist hochkomplex: Es gibt für Flüchtlinge fünf verschiedene Möglichkeiten, die einen Aufenthalt ermöglichen. Dabei muss jeder Fall einzeln betrachtet werden, die meisten dauern Monate, andere nur Tage.

Stand: 08.09.2014 | Archiv

Asylbewerber bei einem Beratungsgespräch mit einem Dolmetscher | Bild: picture-alliance/dpa

Wenn ein Ausländer nach Deutschland kommt und einen Asylantrag stellt, läuft eine ganze Maschinerie an: Er wird erkennungsdienstlich erfasst und einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Er wird zu einer Anhörung geladen und in einer Gemeinschaftsunterkunft oder einer von der Regierung angemieteten Wohnung untergebracht.

In der Zwischenzeit überprüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Geschichte. Dazu stehen den Entscheidern umfangreiche Dossiers über die Zustände in den Herkunftsländern sowie ein zentrales Datenbanksystem mit weiteren Informationen zur Verfügung. Außerdem können Anfragen an das Auswärtige Amt gestellt, verschiedene Gutachten angefragt und auch aktuelle Informationen aus dem Herkunftsland eingeholt werden. Den wenigsten Flüchtlingen wird Asyl im klassischen Sinn gewährt. Allerdings gibt es noch andere Möglichkeiten, nach denen sie legal in Deutschland bleiben dürfen.

Asylverfahren

Entscheidungsmöglichkeiten 1

Asyl

Schutz vor politischer Verfolgung durch einen Staat. Eine Verfolgung ist politisch, wenn sie an ein Merkmal der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anknüpft. Die Merkmale der GFK sind: Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (etwa durch die Sexualität), Nationalität, Rasse, Religion und politische Überzeugung. Asyl wird nicht gewährt, wenn der Antragsteller über einen sicheren Drittstaat eingereist ist.
Asyl wird für drei Jahre gewährt und ermöglicht sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt, Anspruch auf Grundsicherung und Integrationsmaßnahmen. Familienangehörige können unter erleichterten Bedingungen nach Deutschland geholt werden. Wenn die Gründe für das Asyl nach drei Jahren immer noch vorliegen, erhält der Asylberechtigte eine Niederlassungserlaubnis, also die Genehmigung für einen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland.

Flüchtlingsschutz

Schutz vor politischer Verfolgung durch einen Staat oder einen nichtstaatlichen Akteur (sofern das Heimatland keinen Schutz etwa durch Polizei bietet). Die Grundsätze sind in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegt: Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Nationalität, Rasse, Religion oder politische Überzeugung. Flüchtlingsschutz wird auch gewährt, wenn der Antragsteller über einen sicheren Drittstaat eingereist ist.
Von den Rechtsfolgen ist Flüchtlingsschutz mit Asyl gleichzusetzen (wird für drei Jahre gewährt, ermöglicht Zugang zum Arbeitsmarkt, Anspruch auf Grundsicherung und Integrationsmaßnahmen, etc.)

Subsidiärer Schutz

Falls weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden, wird geprüft, ob der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat. Dieser wird gewährt, wenn dem Antragsteller in seinem Heimatland Folter, erniedrigende beziehungsweise unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe droht. Außerdem umfasst der subsidiäre Schutz innerstaatliche bewaffnete Konflikte im Heimatland des Antragstellers.
Subsidiär Geschützte erhalten zunächst ein Aufenthaltsrecht für ein Jahr, das um zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Es besteht Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Anspruch auf Sozialleistungen. Nach sieben Jahren kann die Niederlassungserlaubnis erteilt werden, sofern die Voraussetzungen für die Schutzgewährung noch vorliegen.

Entscheidungsmöglichkeiten 2

Nationales Abschiebungsverbot

Wenn weder Asyl, Flüchtlingsschutz noch ein subsidiärer Schutz in Betracht kommen prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ob nationale Abschiebungsverbote zu gewähren sind. Diese kommen infrage, wenn dem Asylsuchenden bei Rückkehr in sein Heimatland ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) droht oder wenn die Rückkehr für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit bedeutet – etwa wegen einer schweren Krankheit oder fehlendem Existenzminimum. Dabei wird stets der individuelle Einzelfall geprüft.
Wenn ein Abschiebungsverbot festgestellt wird, erteilen die Bundesländer durch ihre Ausländerbehörden einen Aufenthaltstitel von einem Jahr, der um weitere Jahre verlängert werden kann. Es besteht Anspruch auf Sozialleistungen, die Zulassung zu einem Integrationskurs ist möglich und der Betroffene verfügt über einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Das bedeutet, er muss die Zustimmung der Ausländerbehörde einholen, die erst nach einer Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit erteilt werden kann. Nach sieben Jahren kann eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.

Ablehnung

Hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz oder ein nationales Abschiebungsverbot, wird er zur Ausreise aufgefordert. Gegen diesen Ablehnungsbescheid kann er in der Regel innerhalb von zwei Wochen beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage einreichen (weiterer Klageweg: Verwaltungsgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Europäischer Gerichtshof, Bundesverfassungsgericht, Europäischer Gerichtshof der Menschenrechte). Die Klage hat aufschiebende Wirkung.
Andernfalls liegt die Zuständigkeit bei den Länderbehörden. Der Betroffene hat vier Wochen Zeit zur Ausreise. Reist er nicht aus, kann er abgeschoben werden. In Einzelfällen kann das Bundesland von der Abschiebung absehen und eine Duldung beziehungsweise einen Aufenthaltstitel erteilen. Geduldete Menschen erhalten weiter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Duldung

Unter Duldung versteht der Gesetzgeber die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, wenn die "Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist". Wenn die Ausreise auf absehbare Zeit nicht möglich ist oder die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, kann die Ausländerbehörde einen befristeten Aufenthalt erlauben – sofern der Antragsteller die Ausreisehindernisse nicht selbst verschuldet hat.
Die Duldung ist nicht mit einem Aufenthaltsrecht gleichzusetzen. Rein rechtlich betrachtet besteht weiterhin die Pflicht zur unverzüglichen Ausreise. Der Geduldete bekommt weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und hat einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang – vorausgesetzt er hält sich seit neun Monaten in der Bundesrepublik auf. Ihm werden keine Integrationsmaßnahmen angeboten.

Flughafenverfahren

Einen Sonderfall im deutschen Asylrecht stellt das sogenannte Flughafenverfahren dar. Es wurde im Jahr 1993 eingeführt, um die Einreise von Ausländern, die ihre Ausweisdokumente absichtlich vernichtet haben oder gefälschte Papiere benutzten, zu begrenzen. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge versuchten professionelle Schlepperorganisationen so, das deutsche Ausländerrecht zu umgehen. Wenn sich also an einem Flughafen Menschen ohne oder mit gefälschten Dokumenten bei der Bundespolizei melden und um Asyl bitten, werden sie ans Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitergeleitet. Das Amt muss sie innerhalb von zwei Tagen anhören.  Nur wenn der Antrag binnen dieser zwei Tage als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wird, wird dem Antragsteller die Einreise nach Deutschland verweigert. Ansonsten darf er einreisen und durchläuft das normale Asylverfahren.

Wird der Antrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, hat der Antragsteller drei Tage Zeit, Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht einzulegen. Das Gericht kann in Einzelfällen bis zu vier weitere Tage Begründungsfrist gewähren und muss dann innerhalb von 14 Tagen entscheiden. Ausländer im Flughafenverfahren müssen somit bis zu 23 Tagen im Transitbereich des Flughafens bleiben. Daher wird das Flughafenverfahren nur an Flughäfen durchgeführt, an denen Asylbewerber im Transitbereich untergebracht werden können. Das sind: Berlin-Schönefeld,  Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg und München.


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