migration-default


1

Ellis Kaut im Gespräch "Ein Geistwesen ist geschlechtslos"

Den Kobold kennt jeder. Wenn seine Erfinderin durch München spaziert, ist sie für ihre Fans unsichtbar: Von Ellis Kaut kennt man den Namen, nicht das Gesicht. Es gibt noch mehr, was man nicht von ihr weiß. Wir haben mit ihr gesprochen über Schreiballergie, das Altern und warum Pumuckl nicht heiraten sollte.

Von: Ulrike Köppen

Stand: 16.11.2010 | Archiv

Wenn Ellis Kaut eine Rechnung unterschreibt oder ihre Kreditkarte reicht, kommt es ständig zu der immergleichen Szene. Die Augen ihres Gegenübers beginnen zu leuchten: "Sind Sie die Ellis ...?" Kaut: "Dann muss ich gar nicht mehr abwarten, bis der Name Pumuckl fällt, sondern sage gleich ‚Ja, genau die'." Seit fast 50 Jahren ist ihr Name zum Doppelpack verschweißt mit dem ihrer berühmtesten Figur.

"Ich fühle, was der Pumuckl antworten würde"

Mit Pumuckl hat Ellis Kaut so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner der Kindererziehung erschaffen. Denn auch wenn die Digital Natives von heute wenig gemeinsam haben mit den Wirtschaftswunderkindern der 60er-Jahre, dem Nachwuchs der Flower-Power-Bewegung oder der Generation Golf - der anarchische kleine Kobold hat es in alle Kinderzimmer geschafft und dabei sämtliche Medien durchlaufen: als Hörspiel im Radio, auf Vinyl, im Fernsehen mit dem unvergesslichen Gustl Bayrhammer als Meister Eder, auf der Kinoleinwand, als DVD und Computerspiel.

2009 ist Kauts Autobiografie erschienen - der Titel ein Pumuckl-Zitat: "Nur ich sag ich zu mir" hat sie ihre Lebensrückschau mit und ohne Pumuckl überschrieben. Denn auch, wenn sie es manchmal schade findet, dass etwa der Kater Musch über den Kobold völlig in Vergessenheit geraten ist, begleitet sie der rotschopfige Geist immer noch: "In manchen Momenten fühle ich, was der Pumuckl jetzt antworten müsste. Und zwar so unbedingt, dass man jeden falschen Ton erkennen würde."

Gerichtsspuk wegen Pumuckl

Sie hat ihren Humor in die Figur gelegt, dem Pumuckl den Hang zum Reimen angedichtet und ihm diese leicht anarchischen Züge verliehen, in die sich alle Kinder sofort verlieben. Und als andere ihre Geschichten weiterspinnen wollten, war es ein bisschen so, als müsste sie ein prominentes Familienmitglied vor Schmuddelgeschichten bewahren. 2007 entspann sich ein Rechtsstreit zwischen ihr und der Zeichnerin Barbara von Johnson um die Frage, ob der Pumuckl eine Freundin bekommen und heiraten dürfe. Für Ellis Kaut auch heute noch "ein unglaublicher Unsinn". Die Zeitungen stürzten sich auf den Streit der beiden Pumuckl-Mütter und das Landgericht München entschied schließlich zu Gunsten der Koboldhochzeit.

Schreiballergie gegen den Kobold

Die Liebe zu der Koboldfigur kennt jedoch auch Grenzen. Nach über 90 Pumuckl-Geschichten entwickelte Kaut eine "Schreiballergie": "Ich habe sogar einmal behauptet, dass ich lieber den Teppich waschen würde als mich an die Schreibmaschine zu setzen." 1971 lief das letzte Hörspiel über den Äther - und Kaut fühlte sich frei: "Das Neue ist immer interessanter: etwas, bei dem man kämpfen muss, wo man unterliegen oder siegen kann. Das erfrischt richtig, das macht einen neuen Menschen. Und das Alte lasse ich dann fallen wie eine heiße Kartoffel, platsch!"

"Es ist interessant, alt zu werden"

Diese Suche nach neuen kreativen Ausdrucksformen begleitet Kaut ihr Leben lang: 1940 lässt sich die 20-Jährige auch von einem zweijährigen Schauspielstudium und einen Engagement am Residenztheater Wiesbaden nicht davon abhalten, sich für die Bildhauerklasse an der Münchner Akademie einzuschreiben. Und 1971 stellt sie ihre Schreibmaschine in die Ecke und beginnt eine Fotolehre: "Wenn man so etwas dann schafft, macht das stolz. Nicht nach dem Motto: Nase hoch, ich kann was. Sondern: Ich kann auch noch was lernen."

Die Freiheit, etwas Neues zu wagen, hat sich Ellis Kaut bis heute bewahrt. Die Autobiografie hat sie am Computer geschrieben, ihre Fotos bearbeitet sie mit der neuesten Software. Autofahren kann sie seit kurzem nicht mehr, dafür hat sie ein kleines "Elektrowagerl". Ihren schelmischen Pumuckl-Humor hat sich Ellis Kaut ebenfalls bewahrt: "Saukomisch" findet sie es, damit durch den Nymphenburger Park zu fahren und "Leute dranzukriegen", wenn sie nach rasanter Fahrt elegant absteigt: "Auf einige Ungemütlichkeiten könnte man zwar verzichten. Im Grunde ist es aber interessant, alt zu werden."

Ellis Kaut - Leben und Werkauswahl:

  • 1920: geboren in Stuttgart
  • 1922: Umzug nach München, wo Kaut bis heute wohnt
  • Ende 1930er Jahre: Schauspielstudium und Engagement am Residenztheater Wiesbaden
  • 1939: Hochzeit mit dem Münchner Journalisten Kurt Preis
  • 1940-44: Studium Ende der Bildhauerklasse der Münchner Akademie
  • 1940er bis 1970er Jahre: Mitarbeit an Kindersendungen und Hörspielen für den Bayerischen Rundfunk, unter anderem "Die Geschichten vom Kater Musch" und "Pumuckl"
  • 1945: Geburt ihrer Tochter Ursula
  • 1962: Sendung des ersten Pumuckl-Hörspiels
  • 2009: Erscheinen der Autobiografie "Nur ich sag ich zu mir"

1