Franken - Buchtipps


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Petra Nacke/Elmar Tannert Der Mittagsmörder

Sieben Menschen hat der fränkische "Mittagsmörder" in den 60er-Jahren erschossen: kaltblütig, aus reiner Habgier. Aus diesem Stoff strickten die Autoren Petra Nacke und Elmar Tannert eine Zeitreise in die deutsche Nachkriegszeit.

Von: Christine Weirauch

Stand: 29.05.2012

Buchcover "Der Mittagsmörder" von Petra Nacke und Elmar Tannert | Bild: ars vivendi verlag

Es ist noch immer einer der spektakulärsten Serienmordfälle in Deutschland: Anfang bis Mitte der 1960er-Jahre erschießt ein junger Student in und um Nürnberg sieben Menschen. Aus Habgier, mitten am helllichten Tag, immer um die Mittagszeit. Der "Mittagsmörder" ist derzeit der am längsten einsitzende Strafgefangene Deutschlands. Anfang 2012 gab das Bundesverfassungsgericht einem Entlassungsgesuch statt. Wann er tatsächlich freikommt ist aber noch unklar.

Jagd auf den Mittagsmörder

Über den berüchtigten Serienkiller hat das Nürnberger Autorenduo Petra Nacke und Elmar Tannert nun einen Roman geschrieben. Ihr Hauptdarsteller ist ein Journalist, der damals mit dabei war. Die Anfrage einer Psychologiestudentin führt ihn wieder in die Vergangenheit.

"Warum hab' ich dieser Psychotante nicht einfach gesagt, dass ich keinen Sinn darin sehe, die alten Kamellen noch einmal aufzuwärmen."

Der pensionierte Journalist Hirschmann in 'Der Mittagsmörder' von Petra Nacke und Elmar Tannert

Die Studentin interessiert sich wegen ihrer Diplomarbeit für die Geschichte - und der Journalist Hirschmann lässt sich erweichen. So durchforstet er in einer Nacht - das ist die Rahmenhandlung des Romans - sein Archiv und nimmt den Leser mit auf Spurensuche, nach dem Mittagsmörder und seiner eigenen Vergangenheit. Damals war er mit seinem älteren Kollegen Hofbeck unterwegs.

"Nürnberg war fünfzehn Jahre nach dem Krieg immer noch ein regelrechter Flickenteppich. Im Vestnertorgraben wurde mal wieder gebuddelt, weshalb wir uns im Zickzack zur Tuchergartenstraße durchschlagen mussten. Was hat der Hofbeck deshalb geflucht! Vor lauter Wut ist ihm seine Zigarette erst auf die Hose und dann in den Fußraum geflogen."

Der pensionierte Journalist Hirschmann in 'Der Mittagsmörder' von Petra Nacke und Elmar Tannert

Über zwei Jahre haben Elmar Tannert und Petra Nacke am Stoff gearbeitet und ähnlich Hand in Hand gearbeitet wie ihre Protagonisten Hirschmann und Hofbeck. "Im Falle des Mittagsmörders kann man sich das wie ein Pingpong vorstellen. Am Anfang hat jeder einen Abschnitt geschrieben", sagt Elmar Tannert. "Dann hat sich die Arbeitsweise angeboten, dass einer von uns voranschreibt und der andere wieder an den Anfang geht und liegengebliebene Dinge nachrecherchiert hat."

Nachkriegsroman statt Krimi

Mit viel Liebe zum Detail haben Tannert und Nacke die Fakten - die Tatorte, die Ermittlungsarbeit der Polizei und den Prozess gegen den Mittagsmörder - rekonstruiert. Aber spätestens wenn der Mittagsmörder geschnappt wird, merkt der Leser, dass er zwar den Spuren des Mittagsmörders folgt, aber doch eigentlich in der Lebensrückschau eines alten Mannes gelandet ist.

"Als wir ankamen, war die Schießerei natürlich schon längst vorbei. Ich hab die Blutlache am Eingang gesehen, dort wo der Hausmeister tot zusammengebrochen war. Und dann kurz vor dem Ausgang hab ich sie gesehen, hab ich dich gesehen, Christine."

Der pensionierte Journalist Hirschmann in 'Der Mittagsmörder' von Petra Nacke und Elmar Tannert

Info und Bewertung

Wertung: 3 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Petra Nacke/Elmar Tannert: Der Mittagsmörder, Cadolzburg 2012, ars vivendi verlag, 272 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 978-86913-109-2

Und Journalist Hirschmann verliebt sich in diese Christine, seine spätere Frau. Sie gehören beide zu einer Generation, die den Krieg als Kind erlebt hat und zwischen Kriegstraumatisierten und Nazi-Verdrängern aufwächst. "Die 60er-Jahre haben sich über die Recherche an diesem Buch vollkommen neu erschlossen", sagt Nacke. "Wir haben sehr viel begriffen aus unserer eigenen Kindheit und Jugend - also was unsere Elternund Großeltern von uns unterscheidet oder was von denen in uns noch vorhanden ist."

Aufarbeitung im Prozess

Auf den Mittagsmörder trifft der Journalist Hirschmann dann beim Prozess. Auf der Anklagebank sitzt ein junger Mann etwa im gleichen Alter. Sogar in der gleichen Gegend ist er aufgewachsen, in Hersbruck. Kühl und unsicher wirkt der Angeklagte vor Gericht.

"Komisch, da fällt mir gerade eine Aussage von ihm ein - hat er die später vor Gericht gemacht? Solange man nicht erwischt wird, ist es ja so, als ob man es nicht wirklich gewesen ist."

Der pensionierte Journalist Hirschmann in 'Der Mittagsmörder' von Petra Nacke und Elmar Tannert

Der "Mittagsmörder" flieht bei einem Ortstermin vor einer aufgebrachten Menschenmenge zum Polizeiauto.

Auch der echte Mittagsmörder zeigte wenig Reue und Mitleid für seine Opfer. Und wie in der Realität stürzen sich auch im Roman die Medien auf so einen kaltschnäuzigen Mörder und bringen immer neue Enthüllungen über das Umfeld des Mittagsmörders. Und natürlich gehört auch Hirschmann zu dieser Maschinerie und schreibt fleißig mit. "Wir haben die Schuldfrage nicht gestellt", sagt Nacke. "Wir wollten versuchen, aus Sicht eines Journalisten diese Zeit aufzurollen, diesen Fall aufzurollen und uns zu fragen, wie eigentlich die Rolle der Medien in so einem Fall ist."

Petra Nacke und Elmar Tannert ist ein interessantes Buch über die 60er-Jahre aus Sicht der jungen Kriegsgeneration gelungen. Wer allerdings meint, einen spannenden Krimi hinter der Verpackung "Mittagsmörder" zu bekommen, ist auf dem Holzweg und wird das Buch auch schnell wieder weglegen.


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